In seiner Zeit als Direktor (1995–2003) und später Präsident (2003–2008) am Deutschen Archäologischen Institut führte er zahlreiche Ausgrabungen durch, darunter in der keltiberischen Höhenburg CastroSoto de Bureba (Spanien), in neolithischen bis bronzezeitlichen Siedlungsplätzen bei Kırklareli (Türkei), in der spätchalkolithischen bis frühdynastischen Metallurgiesiedlung von Arisman (Iran), in dem skythenzeitlichen Heiligtum von Bajkara (Kasachstan), in der spätbronze- und früheisenzeitlichen Siedlung in der westsibirischen Waldsteppe bei Tschitscha (Russland) und in dem mehrperiodigen Gräberfeld von Suchanicha am Jenissei (Russland). Von 1997 bis 1999 leitete er ein interdisziplinären Forschungsprojekt der VW-Stiftung zur frühen Zinngewinnung in Zentralasien mit Ausgrabungen in Usbekistan und Tadschikistan. Weltweit bekannt wurde Parzinger durch die Entdeckung eines skythischenFürstengrabes mit fast 6000 Goldobjekten im Juli 2001 bei Aržan in der südsibirischen Republik Tuwa. Diese bedeutenden Funde wurden im kulturhistorischen Kontext vom 6. Juli bis 1. Oktober 2007 im Berliner Martin-Gropius-Bau im Rahmen der Ausstellung „Im Zeichen des Goldenen Greifen. Königsgräber der Skythen“ ausgestellt.[1][2] Ein weiterer Sensationsfund im Sommer 2006 war Parzingers Entdeckung einer Eismumie eines tätowierten skythischen Kriegers in der Permafrostzone des Altai-Hochgebirges, unter anderem mit erhaltenen Kleidungsstücken (zum Beispiel Pelzmantel, Filzkappe, Leinenhose) und hölzernem Kompositbogen.[3][4]
Parzinger blieb auch im neuen Amt partiell noch der archäologischen Forschung verbunden. So war er unter anderem am Berliner Exzellenzcluster „Topoi. Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations“ beteiligt und führte dabei Ausgrabungen im Südosten Kasachstans durch. In einem weiteren interdisziplinären BMBF-Forschungsprojekt beschäftigte er sich mit paläogenetischen Untersuchungen zur Mobilität reiternomadischer Bevölkerungsgruppen in Eurasien.
Im Mai 2015 wurde Parzinger zu einem der drei Gründungsintendanten des Humboldt Forums im Berliner Schloss berufen. Zum 1. Juni 2018 wurde Hartmut Dorgerloh vom Stiftungsrat des Humboldt-Forums zum Generalintendanten berufen, damit endete die Gründungsintendanz von Neil MacGregor, Horst Bredekamp und Hermann Parzinger.[7]
Parzinger war in erster Ehe mit der spanischen Prähistorikerin und Althistorikerin Rosa Sanz Serrano verheiratet. Seit dem 16. Juni 2017 ist er in zweiter Ehe mit der Archäologin und LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger verheiratet.
In seiner Freizeit ist er Judoka und Träger des Schwarzen Gürtels (2. Dan). Er nahm an Welt- und Europameisterschaften teil. Im Einzel wie mit der Mannschaft war er mehrfach Berliner Meister, zuletzt 2009, 2010 und 2011 bei den ü30. 2005, 2006 und 2009 war er in der Klasse -81 kg jeweils Fünfter der Deutschen Meisterschaften ü30. 2015 in Bad Belzig, 2022 in Hamburg und 2024 am Nürburgring gewann er jeweils die Bronzemedaille bei den Deutschen Meisterschaften ü30. Schon 1997 gelang ihm mit der Mannschaft des Budo-Club Randori Berlin der Aufstieg in die Regionalliga.
Ehrungen und Auszeichnungen
Hermann Parzinger mit dem Orden „Pour le Mérite“ (2014)
1998 Leibniz-Preis (höchstdotierter deutscher Förderpreis, der damit erstmals an einen Archäologen ging).
Zahlreiche Ehrendoktorate, etwa der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Nowosibirsk (2002), der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau (2004), der Staatlichen Technischen Universität Nowosibirsk (2018) und des Instituts für Archäologie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Nowosibirsk (2020) sowie Ehrendiplome der Mongolischen Akademie der Wissenschaften (2007) und der Republik Tuwa (2007).
Ehrenmitglied des Archäologischen Institutes der Rumänischen Akademie der Wissenschaften in Iași.
2008 wurde Hermann Parzinger zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Germering ernannt.[12]
In einer Feierstunde im Moskauer Kreml wurde Parzinger vom russischen Staatspräsidenten Dmitri Anatoljewitsch Medwedew der Orden der Freundschaft für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen und seine vielfältigen Engagements in den deutsch-russischen Wissenschafts- und Kulturbeziehungen verliehen, die ihn seit Jahrzehnten regelmäßig auch nach Russland führen.
2011 verlieh die Heidelberger Akademie der Wissenschaften Hermann Parzinger den Reuchlin-Preis der Stadt Pforzheim (benannt nach dem Humanisten Johannes Reuchlin, 1455 in Pforzheim geboren). Die Heidelberger Akademie begründete diese Wahl unter anderem damit, dass Hermann Parzinger mit seinem zeit- und länderübergreifenden Forschungsansatz Neuland für die Archäologie erschlossen und die Bedeutung der Geisteswissenschaften im öffentlichen Bewusstsein gestärkt habe.
Am 29. Mai 2011 wählte das Kapitel des Ordens Pour le Mérite Parzinger zu seinen inländischen Mitgliedern hinzu.
2013 wurde Parzinger zum Mitglied der American Philosophical Society gewählt, der ältesten Gelehrtengesellschaft der USA. Damit würdigt die Gesellschaft besonders die von ihm initiierte Zusammenarbeit mit russischen Archäologen und seine umfassende Publikationstätigkeit sowie seine herausragende Arbeit als Kulturmanager.[16]
2018 erhielt Parzinger von der spanischen Regierung den Orden Gran Cruz de Alfonso X el Sabio (Ziviles Großkreuz des Ordens Alfons X. des Weisen) für hervorragende Verdienste auf dem Gebiet der Forschung, der Literatur und Kunst.
Am 31. Januar 2019 wurde Parzinger die Marsilius-Medaille des Marsilius-Kollegs der Universität Heidelberg für die Förderung des Gesprächs zwischen den Wissenschaftskulturen verliehen.[19]
Anlässlich seines 65. Geburtstages wurde Parzinger von Schülern und Weggefährten eine wissenschaftliche Festschrift gewidmet: Jens Schneeweiß, Manfred Nawroth, Henny Piezonka, Heiner Schwarzberg: Man sieht nur, was man weiß – man weiß nur, was man sieht. Globalhistorische Perspektiven auf interkulturelle Phänomene der Mobilität. Festschrift für Hermann Parzinger zum 65. Geburtstag (= Prähistorische Archäologie in Südosteuropa 33). Verlag Marie Leidorf, Rahden/Westf. 2024, ISBN 978-3-89646-689-1.
Schriften
Bislang veröffentlichte er 20 Monographien und über 230 wissenschaftliche Aufsätze zu archäologischen Themen von der Steinzeit über die Eisenzeit bis zur Theoriediskussion sowie Forschungsgeschichte und ist Herausgeber verschiedener Zeitschriften- und Monografienreihen. Seit 2007 publiziert er vermehrt auch zu Themen der Kultur- und Wissenschaftspolitik.
Chronologie der Späthallstatt- und Frühlatene-Zeit. Studien zu Fundgruppen zwischen Mosel und Save (= Quellen und Forschungen zur prähistorischen und provinzialrömischen Archäologie. Band 4). Weinheim 1988, ISBN 3-527-17533-4.
mit Rosa Sanz: Die Oberstadt von Hattuşa. Hethitische Keramik aus dem zentralen Tempelviertel. Funde aus den Grabungen 1982–1987 (= Boğazköy-Hattuşa. Band 15). Berlin 1992, ISBN 3-7861-1656-3.
Studien zur Chronologie und Kulturgeschichte der Jungstein-, Kupfer- und Frühbronzezeit zwischen Karpaten und Mittlerem Taurus (= Römisch-Germanische Forschungen. Band 52). Philipp von Zabern, Mainz 1993, ISBN 3-8053-1501-5.
mit Jindra Nekvasil und Fritz Eckart Barth: Die Býčí skála-Höhle. Ein hallstattzeitlicher Höhlenopferplatz in Mähren (= Römisch-Germanische Forschungen. Band 54). Philipp von Zabern, Mainz 1995, ISBN 3-8053-1702-6.
Der Goldberg. Die metallzeitliche Besiedlung (= Römisch-Germanische Forschungen. Band 57). Philipp von Zabern, Mainz 1998, ISBN 3-8053-2463-4.
mit Rosa Sanz: Das Castro von Soto de Bureba. Archäologische und historische Forschungen zur Bureba in vorrömischer und römischer Zeit. Rahden/Westf. 2000, ISBN 3-89646-014-5.
mit Viktor Zajbert, Anatoli Nagler, Alexander Plesakov: Der große Kurgan von Bajkara. Studien zu einem skythischen Heiligtum (= Archäologie in Eurasien. Band 16). Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3273-4.
mit Necmi Karul, Zeynep Eres, Mehmet Özdoğan: Aşağı Pınar I (= Archäologie in Eurasien. Band 15 / Studien im Thrakien-Marmara-Raum. Band 1). Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3269-6.
mit Nikolaus Boroffka: Das Zinn der Bronzezeit in Mittelasien I. Die siedlungsarchäologischen Forschungen im Umfeld der Zinnlagerstätten (= Archäologie in Iran und Turan. Band 5). Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3135-5 (ausführliche Rezension von Sören Stark in Orientalistische Literaturzeitung Band 105, 2010, Heft 1, S. 97–104).
Die Skythen (= Beck’sche Reihe. Band 2342). C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-50842-1.
mit Heiner Schwarzberg: Aşağı Pınar II. Die mittel- und spätneolithische Keramik (= Archäologie in Eurasien. Band 18 / Studien im Thrakien-Marmara-Raum. Band 2). Philipp von Zabern, Mainz 2005, ISBN 3-8053-3541-5.
Die frühen Völker Eurasiens. Vom Neolithikum bis zum Mittelalter. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54961-6.
mit Konstantin V. Tschugunov und Anatoli Nagler: Der Goldschatz von Arschan. Schirmer/Mosel, München 2006, ISBN 3-8296-0260-X.
als Herausgeber mit Wilfried Menghin, Manfred Nawroth und Anatoli Nagler: Im Zeichen des Goldenen Greifen. Königsgräber der Skythen. Prestel Verlag, München 2007, ISBN 978-3-7913-3855-2.
als Herausgeber: Gero von Merhart, Daljóko. Bilder aus sibirischen Arbeitstagen. Böhlau-Verlag, Wien/Köln/Weimar 2009, ISBN 978-3-205-78188-2.
als Herausgeber mit Thomas Flierl: Humboldt-Forum Berlin. Das Projekt. Verlag Theater der Zeit, Berlin 2009.
mit Konstantin V. Tschugunov und Anatoli Nagler: Der skythenzeitliche Fürstenkurgan von Aržan 2 in Tuva (= Archäologie in Eurasien. Band 26 / Steppenvölker Eurasiens. Band 3). Philipp von Zabern, Mainz 2010, ISBN 978-3-8053-4223-0.
Die Kinder des Prometheus. Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift. C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-66657-5.
Abenteuer Archäologie. Eine Reise durch die Menschheitsgeschichte. C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69639-8.
Verdammt und vernichtet. Kulturzerstörungen vom Alten Orient bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-76484-4 (Rezension von Thomas Macho[21])
Literatur
Jens Schneeweiß, Manfred Nawroth, Henny Piezonka und Heiner Schwarzberg (Hrsg.): Man sieht nur, was man weiß. Man weiß nur, was man sieht. Globalhistorische Perspektiven auf interkulturelle Phänomene der Mobilität. Festschrift für Hermann Parzinger zum 65. Geburtstag. Marie Leidorf Verlag, Rahden 2024, ISBN 978-3-89646-689-1.
↑Das ist die Deutsche Digitale Bibliothek!, Video vom 28. November 2011 erstellt vom TVT creative media GmbH im Auftrag des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, zuletzt abgerufen am 6. Dezember 2012
↑Hermann Parzinger in die Nationalstiftung berufen, in: Berliner Morgenpost, 6. November 2013, S. 18.