Im Jahre 797 soll die Domschule in Münster gegründet worden sein. Dabei kann man sich allerdings nicht auf eine urkundliche Erwähnung berufen, sondern auf einen Erlass Karls des Großen von 789, an allen Klöstern und Bischofssitzen eine Schule einzurichten. Dies dürfte auch in Münster, das damals noch „Mimigernafort“ hieß, der Fall gewesen sein. Das Kloster wurde 797 durch Liudger dem heiligen Paulus geweiht, was als Beginn der schola paulina angesehen wird.
Danach prägte vor allem Franz von Fürstenberg als Minister und Generalvikar des Fürstbischofs die Umgestaltung des Paulinum im Zeichen der (katholischen) Aufklärung.
Eine enge personelle Verflechtung mit der Universität, deren Grundstein mit der Verleihung der Privilegien einer Landesuniversität im Jahre 1773 gelegt wurde, sorgte für einen hohen Unterrichtsstandard, der das Paulinum auch für die aufgeklärten Schulreformer zum Erprobungsfeld neuer Fächer und Methoden qualifizierte (unter anderem Einführung des Geschichts-, Mathematik- und Erdkundeunterrichts; Aufwertung des deutschen Sprachunterrichts).
Auch als Münster 1815 preußisch wurde, blieb das Paulinum (bzw. das „Königliche Paulinische Gymnasium in Münster“[4]) de facto eine Art Landesgymnasium mit zentraler Funktion: Hier wurden schulische Reformprozesse erprobt, die dann später auch in den anderen Schulen der Region umgesetzt werden sollten.
Erst 1974 übernahm die Stadt Münster das Paulinum, 1978 wurde die Koedukation eingeführt. Seit 2002 nimmt das Gymnasium am Schulversuch Selbstständige Schule teil und ist um ein eigenes Profil bemüht, das sich an der humanistischen Tradition orientiert.
Das Alter des Gymnasium Carolinum in Osnabrück ist mit dem des Paulinums vergleichbar.[5] Daher wird seit 2001 der Titel „Älteste Schule Deutschlands“ im Rahmen eines jährlichen Fußballspiels zwischen diesen beiden Schulen vergeben.[5]
Am 9. Oktober 2007 wurde das Paulinum zusammen mit 15 weiteren Schulen aus Nordrhein-Westfalen als eine der ersten Schulen des Bundeslandes zu einer Europaschule ernannt. Seit April 2009 ist das Paulinum zudem eine „IB World School“ und darf Schüler während der Qualifikationsphase auf das International Baccalaureate Diploma (IB) vorbereiten.[6] Der Unterricht hierfür findet auf Englisch statt.
Auf dem heutigen Gelände der Schule befand sich im Mittelalter der jüdische Friedhof der Stadt Münster.[7][8] Dieser wurde nach dem Judenpogrom nach der Pestwelle 1350 eingeebnet.[7] Der einzige erhaltene Gedenkstein von 1324 befindet sich in der Synagoge der jüdischen Gemeinde Münsters, nachdem er zwischenzeitlich am neueren jüdischen Friedhof Münsters stand.[7][9] Hierbei handelt es sich um den ältesten erhaltenen jüdischen Grabstein Westfalens.[10] Der Kunstkurs der Schule entwarf 2015 einen Gedenkstein zur Erinnerung an den Friedhof, der am 29. April 2015 auf dem Gelände der Schule aufgestellt wurde, nachdem die Finanzierung des 4000 Euro teuren Projektes durch einen Förderer aus der Wirtschaft ermöglicht wurde.[7][11][9]
Das Motto der Schule lautet auf Latein: Almae dicavere alumni qui fuere (deutsch „Dem Nähren der Zöglinge gewidmet“).
Sonstiges
Zwischen den Schülern des Gymnasiums Paulinum und denen der übrigen Gymnasien in Münster hat sich in den vergangenen Jahren eine Rivalität entwickelt, welche sich etwa durch Sticker im Stadtraum mit gegen die Schule gerichteten Parolen äußert.[12] Laut der Bezirksschülervertretung „[...] würden die Schüler des Paulinums von Teilen der Schüler anderer Schulen als arrogant dargestellt, andererseits pflegten Teile der Schüler des Paulinums diesen Ruf auch oder kokettieren mit diesem“.[12] Laut dem ehemaligen Schulleiter des Gymnasiums Dr. Gerd Grave komme es bei Schülern anderer Gymnasien nicht immer gut an, wenn Abiturienten des Paulinums mit ihren traditionellen Schulmützen und -flaggen zum Treffen sämtlicher münsterscher Abiturienten am letzten Schultag auf den Domplatz zögen.[12]
Bekannte Schüler
Bernard Altum (1824–1900), Priester, Zoologe, Forstwissenschaftler
Josef Annegarn (1794–1843), Theologe, Pädagoge und Professor für Kirchengeschichte und Kirchenrecht
Werner-Constantin von Droste zu Hülshoff (1798–1867), Mitglied des westfälischen Provinziallandtags, Kreisdeputierter und Gutsbesitzer, Mitglied des Malteserordens
Anton Fahne (1805–1883), Jurist, Historiker, Genealoge, Kunstsammler und -kritiker
Stephanie Hellekamps, Hans-Ulrich Musolff: Fächerkanon und Lehrerausbildung des Gymnasium Paulinum in Münster 1588–1773. Erste Ergebnisse einer Längsschnittstudie. In: Franz Bölsker, Michael Hirschfeld, Wilfried Kürschner, Franz-Josef Luzak (Hrsg.): Dona historica. Freundesgaben für Alwin Hanschmidt zum 80. Geburtstag. Lit, Berlin 2017, S. 149–166.
Günter Lassalle, Mitarbeit Manfred Derpmann (Hrsg.): 1200 Jahre Paulinum in Münster. Gymnasium Paulinum, Münster 1997.
↑ abcdWestfälische Nachrichten: Gräber unter dem Paulinum: Auf dem Schulgelände war einst der jüdische Friedhof – Schüler erinnern daran, Münster, Karin Völker, 6. Februar 2015