Er wirkte von 1958 bis 1962 als Geschäftsführer der Studienförderung im bischöflichen Cusanuswerk. 1962 wechselte er als Hilfsreferent für Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik ins Bundeswirtschaftsministerium, 1966 stieg er zum Leiter des Referats Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik auf und war ab 1973 Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung 1 – Wirtschaftspolitik. 1968 bis 1971 war er an der Universität Bochum und 1971/1972 in Köln Lehrbeauftragter für Europäische Wirtschaftspolitik. Von Oktober 1982 bis 1989 war er beamteter Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Am 20. September 1988 scheiterte ein Anschlag auf ihn und seinen Fahrer, der aufgrund eines Bekennerschreibens der Rote Armee Fraktion zugeordnet wird.[3][4] Tietmeyer hatte Glück, dass sich dabei eine Maschinenpistole verklemmt hatte und sein ungepanzerter Dienstwagen[5] nur mit Schrotmunition getroffen wurde.
Bei den Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands war er als Unterhändler und Berater von BundeskanzlerHelmut Kohl in Wirtschaftsfragen tätig. Ab 1990 war Tietmeyer Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank. 1993 wurde er als Nachfolger von Helmut Schlesinger Bundesbankpräsident und hatte dieses Amt bis 1999 inne, sein Nachfolger wurde Ernst Welteke. Tietmeyer gilt als typischer Exponent der monetaristischen und im internationalen Vergleich recht restriktiven geldpolitischen Strategie der Bundesbank. Die unter seiner Ägide getroffenen Entscheidungen für sehr starke Zinserhöhungen nach der Wiedervereinigung werden in der Wirtschaftswissenschaft kontrovers diskutiert und von einigen Wirtschaftswissenschaftlern für das schnelle Abbrechen des Wiedervereinigungsbooms und den sehr scharfen Verlauf der nachfolgenden Krise verantwortlich gemacht. Helmut Schmidt äußerte in einem offenen Brief heftige Kritik an der Geldpolitik Tietmeyers, der seiner Ansicht nach die europäische Währungsunion verhindern wollte.[6] Anlässlich des 60. Geburtstags der D-Mark im Juni 2008 bezeichnete Tietmeyer den Euro jedoch als großen Erfolg.[7]
Tietmeyer erfuhr nachträglich telefonisch von Helmut Kohl, dass dieser sich – auf Drängen seines französischen Amtskollegen Mitterrand – dazu entschieden hatte, als 'Preis' für die Wiedervereinigung die D-Mark aufzugeben und den Euro einzuführen.[8]
Im September 2006 berichtete die britische Times, Tietmeyer sei für den Posten des Chefs der Vatikanbank im Gespräch.[11]
Am 15. Oktober 2008 verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihrer Rede im Bundestag zum „Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)“, dass sie Hans Tietmeyer gebeten habe, den Vorsitz einer Expertengruppe zu übernehmen, welche Vorschläge für neue Regeln auf den Finanzmärkten erarbeiten sollte.[12]
Dies wurde von den Oppositionsparteien, aber auch vom Koalitionspartner der CDU, der SPD, abgelehnt, da Tietmeyer, der zu diesem Zeitpunkt Aufsichtsratsmitglied bei der Hypo Real Estate war, eine Mitschuld an der schweren Krise der Bank zugeschrieben wurde.[13]
Tietmeyer gab wenig später bekannt, dass er aufgrund der öffentlichen Diskussion um seine Person für dieses Amt nicht zur Verfügung stehe.[14] Im November trat Tietmeyer als Aufsichtsrat der Hypo Real Estate zurück.[15]
Hans Tietmeyer war mit Marie-Therese Tietmeyer, geborene Kalff, verheiratet und hatte zwei Kinder (Monika und Markus).
Leistungssport
Tietmeyer war als Tischtennisspieler aktiv. Mit dem Verein TTV Metelen stieg er 1950 in die höchste deutsche Spielklasse Oberliga auf. 1954 wechselte er zum DJK Köln.[17] 1956 wurde er mit der Mannschaft der Universität Köln Deutscher Hochschulmeister, im Einzel verlor er im Endspiel gegen Hans-Karl Emmerich[18]. Sein Bruder Klemens gehörte in den 1950er Jahren zu den stärksten Tischtennissportlern in Deutschland.[19]
Ehrendoktorwürde für Wirtschaftswissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der University of Maryland, der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Université de Paris-Dauphine
Großkreuz des Gregoriusordens (Cavaliere di Gran Croce dell’Ordine di San Gregorio Magno) für sein Engagement um das Cusanuswerk (2011)
Veröffentlichungen (Auswahl)
Währungsstabilität für Europa. Beiträge, Reden und Dokumente zur europäischen Währungsintegration aus vier Jahrzehnten. Nomos, Baden-Baden 1996, ISBN 3-7890-4281-1.
The social market economy and monetary stability. Economica, London 1999, ISBN 1-902282-06-X.
Herausforderung Euro. Wie es zum Euro kam und was er für Deutschlands Zukunft bedeutet. Hanser, München 2005, ISBN 3-446-40030-3.
Literatur
Tietmeyer, Hans. In: Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 1251.
Joachim Algermissen: Hans Tietmeyer: Ein Leben für ein stabiles Deutschland und ein dynamisches Europa. Mohr Siebeck, Tübingen 2019 (Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik; 70), ISBN 978-3-16-156891-6.
↑spiegel.de: [2] Neben Tietmeyer erklärten sieben weitere Aufsichtsratsmitglieder der Hypo Real Estate ihren Rücktritt, darunter auch Klaus Pohle, der das Kontrollgremium in den vergangenen Wochen übergangsweise geleitet hatte. Im Amt blieben somit nur die drei mit dem Großaktionär J. C. Flowers verbundenen Mitglieder des Aufsichtsrats.
↑Verleihung des Hessischen Verdienstordens vom 3. September 2001. In: Der Hessische Ministerpräsident (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 2001 Nr.38, S.3370, Punkt 822 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 5,4MB]).