Theologisch folgt Hasenhüttl in seinen Überlegungen dem relational-dialogischen Ansatz, der Ideen des Existentialismus des 20. Jahrhunderts für die Systematik fruchtbar machen will. Er setzt sich für die Interkommunion, d. h. die gemeinsame Eucharistiefeier von Christen unterschiedlicher Konfessionen, und für die Aufhebung der Zölibatsverpflichtung für katholische Priester ein. Dieser Widerspruch zur katholischen Dogmatik und weitere Konflikte mit der Kirchenleitung wegen seiner Kritik an der von ihm als starr und fundamentalistisch orientiert wahrgenommenen Institution[1] der römisch-katholischen Kirche führte 2003 zu seiner Suspendierung durch Reinhard Marx und 2006 zum Entzug der Lehrerlaubnis als katholischer Hochschullehrer. 2010 trat Hasenhüttl formell aus der römisch-katholischen Kirche aus.[2]
Beim Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin zelebrierte er einen Gottesdienst nach römisch-katholischem Ritus und lud explizit alle Anwesenden zur Kommunion ein. Deshalb wurde er 2003 als Priester suspendiert, und 2006 wurde ihm die Lehrerlaubnis, das „Nihil obstat“, entzogen.
2010 trat er nach jahrelangem Streit mit den Hierarchen der Katholischen Kirche aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts aus. Er betonte, „selbstverständlich“ aber weiterhin der Glaubensgemeinschaft der Katholischen Kirche anzugehören.[1][4]
Positionen
Theologie
Hasenhüttl schrieb 1979 in seinem Buch Kritische Dogmatik, dass der Glaube nie für sich in Anspruch nehmen dürfe, eine ewig gültige objektive Wahrheit zu sein. 2001 erschien sein Buch Glaube ohne Mythos, in dem er die These vertritt, dass sich Gott in der Liebe zwischen den Menschen zeige. Es sei zweitrangig, ob Jesus gelebt habe, und die Eucharistie sei Realsymbol für Jesus Christus, gleichsam ein „himmlisches Bild“.[5]
Hasenhüttl versteht Gott als Ereignis der Liebe im zwischenmenschlichen Kontext, fordert einen Paradigmenwechsel vom Juridischen hin zum Charismatischen. Nach seiner Aussage habe „Jesus selbst keine Kirche gegründet. Er hat ihr daher a fortiori keine institutionelle Struktur gegeben; ein hierarchisches Prinzip hat mit dem Wesen der Kirche nichts zu tun.“[6]
Hasenhüttl wurde von der römischen Glaubenskongregation vorgeworfen, er vertrete „irrige und unhaltbare Lehrmeinungen“ und interpretiere die katholische Lehre in „ungebührlicher und abwegiger Weise“.[7] Hasenhüttls Haltung wurde von Leo Scheffczyk und von Joseph Ratzinger kritisiert.[8] Ratzinger sagte, Hasenhüttl habe eine Dogmatik geschrieben, „in der er uns sagt, dass es Gott als eine in sich seiende Wirklichkeit gar nicht gibt, sondern lediglich ein Begegnungsereignis sei, […] eine gewisse Weise der Mitmenschlichkeit“, das sei „nicht katholisch“.[9]
Wegen dieser Interzelebration wurde er durch den damaligen Trierer BischofReinhard Marx am 17. Juli 2003 vom Priesteramt suspendiert. Marx drohte Hasenhüttl mit Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis, falls er nicht einlenke. Als Reaktion warf Hasenhüttl den Bischöfen vor, sie verlangten „Eichmann-Gehorsam“. In der Folge äußerte sich BundespräsidentRau, der „als evangelischer Christ“ die Haltung der katholischen Kirche zum „Abendmahlsstreit“ kritisierte.
Hasenhüttl legte sofort Beschwerde gegen die Suspension ein, weshalb diese am 21. Juli 2003 vorläufig bis zur Entscheidung des Heiligen Stuhls ausgesetzt wurde. Am 3. Juni 2004 wurde die Suspendierung vom Heiligen Stuhl per Dekret bestätigt. Hasenhüttl legte dagegen einen Rekurs ein, der aufschiebende Wirkung hatte.
Am 12. November 2004 wies die Glaubenskongregation seinen Rekurs zurück. Die Entscheidung bezeichnete die „verschiedenen Episoden, die der Beschwerdeführer zu seiner Verteidigung angeführt hat“ und welche nach Ansicht der Kongregation „sein Verhalten nicht rechtfertigen würden“, und wandte sich auch gegen „einige unhaltbare Lehrmeinungen […], die in der Beschwerde ausdrücklich enthalten sind oder implizit vorausgesetzt werden“ und welche Hasenhüttls Verhalten nicht rechtfertigen würden, sondern ihn sogar in „grundsätzlich lehrmäßiger Art“ belasten würden. Mit Dekret vom 2. Januar 2006 wurde Hasenhüttl durch Bischof Marx auch die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen.
Zeitgleich zum Ökumenischen Kirchentag 2010 in München feierte er dort trotz Verbots erneut ein ökumenisches Abendmahl. Der Gottesdienst fand zusammen mit dem protestantischen Pfarrer Eberhard Braun im völlig überfüllten Hörsaal 1180 der TU München statt, weil keine katholische oder evangelische Kirche in München bereit war, einen Raum zur Verfügung zu stellen. Die Abendmahlfeier fand nach der leicht geänderten sogenannten Lima-Liturgie statt.[10]
Haltung zu den Fällen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche
Hasenhüttl macht den emeritierten Papst Benedikt XVI. direkt für die systematische Vertuschung sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche verantwortlich. Als Präfekt der Glaubenskongregation habe Joseph Ratzinger – der spätere Papst Benedikt XVI. – allen Bischöfen in einem Schreiben vom 18. Mai 2001 unter Androhung kirchenrechtlicher Strafen untersagt, Missbrauchsfälle an die Öffentlichkeit zu tragen. Deswegen sei er der Hauptverantwortliche für die Vertuschung. Hasenhüttl kritisiert insbesondere den Hirtenbrief von Benedikt XVI. zum sexuellen Missbrauch in der irischen Kirche. Dies zum einen, weil er nur auf die irische Kirche fokussiere und weil Papst Benedikt die Taten „relativieren“ wolle, indem er schreibe, dass die Missbrauchsfälle kein rein kirchliches Problem seien. Als selbstverstandene Hüterin der Moral könne die Kirche nicht so argumentieren. „Wenn in Familien Missbrauch geschieht, ist das keine Rechtfertigung, dass es ihn auch in der Kirche gibt.“[11]
Kirchenaustritt 2010
Hasenhüttl trat am 28. September 2010 im Standesamt Saarbrücken aus der römisch-katholischen Kirche aus. In einem Brief an Bischof Stephan Ackermann erklärte er, er verlasse die Kirche „als Körperschaft des öffentlichen Rechts“,[1] nicht jedoch die „Katholische Kirche als Glaubensgemeinschaft“. Er sei „ausschließlich als Kirchensteuerzahler willkommen“ und eine „echte Ökumene“ würde von dieser Institution nicht angestrebt. Sollte es sich zeigen, dass die Katholische Kirche als Institution sich wieder voll an Jesu froher Botschaft orientiert, werde er gerne in ihr seinen Platz wieder suchen.[2]
Stellungnahmen der katholischen Kirche
Bischof Marx begründete die Suspension vom priesterlichen Dienst und die Ankündigung des Entzugs der Lehrerlaubnis mit seiner besonderen Pflicht, für die Einheit der katholischen Kirche einzustehen und Sorge zu tragen.[12]
Ich habe die Verantwortung, dort einzuschreiten, wo offensichtlich und demonstrativ die Ordnung der Kirche verletzt wird. Die Kirche ist kein Willkürsystem, in dem jeder die Regeln nach seiner persönlichen Überzeugung aufstellen kann. Sie hat deshalb eine gemeinsame Ordnung, die der Einheit dient und dem gemeinsamen Glauben verpflichtet ist. Die Kirche ist mehr als eine bürgerliche Gesellschaft, sie hat auf der einen Seite Ordnungen, die von Christus selbst gestiftet sind und von der Kirche nicht geändert werden können, zum Beispiel die Sakramente und das Bischofsamt, es gibt aber auch menschliche Setzungen, die dem gemeinsamen Weg dienen sollen. Hier sind besonders der Papst und die Bischöfe als Gesetzgeber in der Pflicht. Die Priester als Amtsträger der Kirche können diese Ordnung nicht nach Belieben auslegen und für sich eine eigene Ordnung aufstellen. So wird die Einheit der Kirche zerstört und es werden neue Gräben aufgerissen.[13]
Manfred Scheuer, Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Theologischen Fakultät Trier, erläuterte den Hintergrund der katholischen Lehre aus 1 Kor 10, 16f und dem Zweiten Vatikanischen Konzil (Liturgiekonstitution 7).[14]
Peter Krämer, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät Trier, verwies auf das kirchliche Gesetzbuch von 1983 (S. 844 §1) bezüglich Interkommunion und Loyalität (S. 273).[15]
Werke
Der Glaubensvollzug. Eine Begegnung mit Rudolf Bultmann aus katholischem Glaubensverständnis. Essen 1963 (Diss.).
Geschichte und existenziales Denken. Wiesbaden 1965.
Der unbekannte Gott? Einsiedeln 1965.
Charisma. Ordnungsprinzip der Kirche. Freiburg u. a. 1969.
Gefährdet die moderne Exegese den Glauben? Graz/Köln 1970.