Ernst Lubitsch (geboren am 29. Januar1892 in Berlin; gestorben am 30. November1947 in Los Angeles, Kalifornien, USA) war ein deutscherFilmregisseur und Schauspieler, der die US-amerikanische Staatsbürgerschaft erwarb. Nachdem er in Deutschland erste Erfolge als Regisseur gefeiert hatte, zog er in den 1920er Jahren nach Hollywood. Dort machte er sich vor allem einen Namen als Regisseur von kultivierten, eleganten „Salonkomödien“; deren besonderen Charme beschrieben Filmkritiker später als den „Lubitsch-Touch“. Kurz vor seinem Tod erhielt Lubitsch einen Ehrenoscar für sein Lebenswerk.
Ernst Lubitsch war der Sohn des Damenschneiders Simcha (Simon) Lubitsch und dessen Frau Anna, geb. Lindenstaedt. Seine Eltern waren aschkenasische Juden; der Vater stammte aus Grodno im heutigen Belarus, die Mutter aus dem brandenburgischen Wriezen. Ernst Lubitsch besuchte das Sophiengymnasium in Berlin (mit seinem späteren Kollegen Lothar Mendes). Nach einer Lehre als Stoffhändler wurde Lubitsch Schüler von Max Reinhardt, dem damaligen Intendanten des Deutschen Theaters in Berlin. Erste Auftritte an Kabaretten und Kleinkunstbühnen folgten, ehe er im Jahr 1911 als Schauspieler am Deutschen Theater engagiert wurde.[1]
Seine erste nachweisbare Filmrolle hatte Lubitsch bei der Deutschen Bioscop GmbH, von der er für kurze Zeit unter Vertrag genommen wurde, in dem Film Die ideale Gattin. Später führte Lubitsch selbst Regie, erstmals in Blindekuh,[2] und trat gelegentlich noch als Schauspieler auf. Nachdem er zunächst vor allem Slapstick-Filme gedreht hatte, wechselte er ab 1919 immer wieder das Genre und inszenierte abwechselnd historische Kostümfilme und Komödien, vorzugsweise mit Ossi Oswalda sowie Emil Jannings oder Pola Negri in den Hauptrollen. Zu Lubitschs Mitarbeitern gehörten regelmäßig der Drehbuchautor Hanns Kräly, die Kameraleute Theodor Sparkuhl und Alfred Hansen und der Szenenbildner Kurt Richter.[1]
Noch zu Lebzeiten ließ sich Familie Lubitsch eine Grabanlage auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee errichten. Die Ausführung nahm die Firma Siegfried Weiss, Grabmalkunst Weißensee, vor.[3] Sie wurde nie belegt.
Nach dem internationalen Erfolg seiner Historienfilme Anna Boleyn und Das Weib des Pharao ging Lubitsch 1922 nach Hollywood und war der erste europäische Regisseur von Rang, der sich dort niederließ. Im selben Jahr wurde er von Mary Pickford als Regisseur für ihren nächsten Film engagiert, mit dem sie den Versuch unternahm, ihr bisheriges Repertoire von Kleine-Mädchen-Rollen hin zu mehr fraulichen Darstellungen zu erweitern. Bereits im Vorfeld kam es zu Spannungen, da Pickford den ursprünglichen Plan, Faust zu verfilmen, auf Anraten ihrer Mutter hatte fallen lassen. Im Gegenzug weigerte sich Lubitsch, das Kostümdrama Dorothy Vernon of Haddon Hall als Stoff zu akzeptieren. Stattdessen einigten sich Lubitsch und Pickford auf Rosita, in dem Pickford eine Mandolinenspielerin darstellte. Obwohl der Film bei den Kritikern und Zuschauern gut ankam, ließ Pickford die Option für einen weiteren Film fallen.
Lubitsch erhielt daraufhin einen Vertrag bei Warner Brothers, für die er drei Jahre arbeitete, ehe er zu Paramount wechselte. Die Filme dieser Zeit sind meist elegant in Szene gesetzte Romanzen und Salonkomödien wie Lady Windermeres Fächer und Küß’ mich noch einmal. Doch drehte Lubitsch auch weiterhin Historienfilme, etwa Das verbotene Paradies, der ihn wieder mit Pola Negri zusammenbrachte, und Der Patriot, einen Monumentalfilm, der der letzte große Erfolg von Emil Jannings in den USA wurde. Unter dem Motto Goodbye Slapstick – Hello Nonchalance! warb das Studio für Lubitsch-Komödien, und bald nahmen auch die Kritiker den sogenannten Lubitsch Touch wahr. Dieser Touch, sozusagen das Markenzeichen seiner mitunter frivolen Gesellschaftskomödien, bestand darin, nicht alle Details der Handlung zu zeigen, sondern es dem Zuschauer zu überlassen, sich Teile der teils schlüpfrigen Handlung vorzustellen. Im damals sittenstrengen Amerika mit seinen scharfen Zensurbestimmungen vermochte Lubitsch auf diese Art, Doppeldeutigkeiten in die Handlung einzubringen, ohne ins Vulgäre abzurutschen. Die amerikanischen Kritiker bezeichneten dies als „naughty, but nice“ (dt.: unartig, aber nett).[1]
Sein Prestige wuchs, und bereits 1927 vertraute ihm Irving Thalberg seine Ehefrau Norma Shearer für den Film Alt-Heidelberg an, einer opulenten Verfilmung der Operette The Student Prince. Mit Camilla Horn und John Barrymore verfilmte Lubitsch zwei Jahre später die romantische Abenteuerromanze Der König der Bernina. Im Jahr 1929 wurde er der bekannteste Regisseur Hollywoods, als er mit dem Musical Liebesparade nicht nur aus Maurice Chevalier einen internationalen Star machte, sondern auch die Innovation des Tonfilms in optimaler Weise einsetzte. Monte Carlo (1930) enthielt technische Neuerungen, die den Umgang mit der Tontechnik dauerhaft verbesserten. Dank des Erfolgs von Der lächelnde Leutnant waren ab 1931 Musicals erneut en vogue.
Lubitsch versuchte zweimal, Marlene Dietrich, deren Karriere Mitte des Jahrzehnts stagnierte, zurück in die Gunst des Publikums zu bringen. War die Komödie Perlen zum Glück (1936), deren Produktion Lubitsch eng überwachte, leidlich erfolgreich, so überzeugte der Reinfall von Engel im folgenden Jahr die Verantwortlichen von Paramount, Dietrich aus ihrem Vertrag zu entlassen.
Nachdem Lubitsch 1936 kurzfristig Produktionschef von Paramount gewesen war, wechselte er 1938 zu MGM, um dort mit Greta GarboNinotschka zu drehen. Garbo wollte Lubitsch bereits 1933 für die Regie von Königin Christine haben, doch zerschlugen sich die Pläne damals. Das Studio warb mit dem Slogan „Garbo lacht“, und der Film spielte in den USA über $ 1 Mio. Dollar ein. Garbo wurde für einen Oscar nominiert.[1]
Im Jahr 1938 wurde Lubitsch als Repräsentant des europäischen Kinos in Hollywood von Paul Kohner als Präsident des neu gegründeten European Film Fund eingesetzt, der in die USA emigrierte notleidende europäische Filmschaffende unterstützte. Dieses Amt hatte er bis zu seinem Tod 1947 inne.
Nach dem anfangs erfolglosen Filmklassiker Rendezvous nach Ladenschluß und der Merle-Oberon-Komödie Ehekomödie drehte Lubitsch 1942 seinen heute bekanntesten Film, die den Nationalsozialismus verspottende Tragikomödie Sein oder Nichtsein nach dem Text Noch ist Polen nicht verloren von Melchior Lengyel. Die Hauptdarstellerin, Carole Lombard, starb vor der Uraufführung bei einem Flugzeugunglück. In der New York Times hieß es: „As it is, one has the strange feeling that Mr. Lubitsch is a Nero, fiddling while Rome burns.“ (dt.: Man wird das seltsame Gefühl nicht los, dass Herr Lubitsch ein Nero ist, der Musik macht, während Rom brennt.)[1]
1945 erlitt Lubitsch bei den Dreharbeiten zu Skandal bei Hofe einen Herzinfarkt. Der Film wurde von Otto Preminger fertiggestellt.[1] 1946 drehte Lubitsch Cluny Brown auf Freiersfüßen, in dem er die englische Vorkriegsgesellschaft und ihre Sitten aufs Korn nahm. Im Frühjahr 1947 erhielt er einen Ehrenoscar für seine innovative Regie und sein Lebenswerk.
Am 30. November 1947 starb Ernst Lubitsch in Hollywood an einem weiteren Herzinfarkt. Er wurde auf dem Forest Lawn Memorial Park in Glendale, Kalifornien, beigesetzt.[4] Die Dreharbeiten zu seinem letzten Film, Die Frau im Hermelin, mussten von Preminger vollendet werden.[1]
Privatleben und Ehrungen
Ehrenoscar für sein Lebenswerk 1947
1922 heiratete Lubitsch Helene Sonnet Kraus,[5] von der er sich 1930 scheiden ließ. Das Paar ließ sich von der Berliner Gesellschaftsfotografin Frieda Riess fotografieren. Am 27. Juli 1935 heiratete er die britische Schauspielerin Vivian Gaye (bürgerlicher Name: Sania Bezencenet). Mit ihr hatte er eine Tochter, Nicola Anne Patricia Lubitsch, die am 27. Oktober 1938 geboren wurde.[6] Nicola und ihr Kindermädchen Consuela Strohmeier waren an Bord des britischen Ozeandampfers Athenia, der am 3. September 1939 von einem deutschen U-Boot versenkt wurde. Strohmeier und das Kind wurden gerettet.[7]
Lubitsch war als strenger, sehr bestimmender Regisseur bekannt, der seinen Darstellern wenig Interpretationsraum ließ. Sowohl Mary Pickford als auch seine Regiekollegen Josef von Sternberg und Clarence Brown meinten, die Schauspieler würden auf der Leinwand „Lubitsch spielen“, statt ihre eigene Persönlichkeit einzubringen. Viele seiner Filme zeichneten sich auch dadurch aus, dass er bestimmte Vorgänge und Ereignisse der Filmhandlung der Phantasie der Zuschauer überließ. Dazu sagte er: „Jeder gute Film ist mit Geheimnissen gefüllt. Wenn ein Regisseur nicht ein paar Sachen ungesagt lässt, ist es ein lausiger Film.“[8]
Die lebensgroße Lubitsch-Figur, die Gunther Rometsch 1986 für sein Kino „Notausgang“ von dem Künstler Jürgen Walter anfertigen ließ, wurde im Rahmen der Ernst-Lubitsch-Preisverleihung am 29. Januar 2014 im Kino Babylon als „Ehren-Stammgast“ installiert und sitzt im legendären Berliner Stummfilmpalast am Rosa-Luxemburg-Platz in Reihe 4 Mitte.
Literatur
Wolfgang Aurich, Wolfgang Jacobsen (Hrsg.): Werkstatt Film. Selbstverständnis und Visionen von Filmleuten der zwanziger Jahre. Edition Text + Kritik, München 1998, ISBN 3-88377-597-5 (darin: Kapitel Drehbuch: Ernst Lubitsch: Uns fehlen Filmdichtungen)
Hans-Michael Bock (Hrsg.): CineGraph. Lexikon zum deutschsprachigen Film. Edition text + kritik, München 1984 (Loseblattwerk mit Aktualisierungen. Dieser Artikel zuerst 1984).
Bodo Fründt: Dem Leben entrinnen. E. L's „Madame Dubarry“ 1919. In: Peter Buchka (Hrsg.): Deutsche Augenblicke. Eine Bilderfolge zu einer Typologie des Films (= Off-Texte. Bd. 1). Belleville, München 1996, ISBN 3-923646-49-6, S. 18 f. (auf S. 19: ein Bild aus dem Film), (zuerst: Süddeutsche Zeitung, 1995)
Rudolf Kurtz. Essayist und Kritiker (= Film & Schrift. Bd. 6). Mit Aufsätzen und Kritiken von Rudolf Kurtz und einem Essay von Michael Wedel. Edition Text + Kritik, München 2007, ISBN 978-3-88377-890-7 (Kurtz war Dramaturg und Drehbuchautor für Lubitsch)
Joseph McBride: How Did Lubitsch Do It? Columbia University Press, New York 2018, ISBN 978-0-231-54664-5.
Herta-Elisabeth Renk: Ernst Lubitsch. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (= Rowohlts Monographien. Bd. 502). Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-50502-9.
Jörg Schöning (Red.): Die deutsche Filmkomödie vor 1945. Kaiserzeit, Weimar, Nationalsozialismus. Edition Text + Kritik, München 2004, ISBN 3-88377-792-7 (viele Abbildungen)
Karsten Witte: Der Zuschauer als Komplize. Ernst Lubitsch und Schuhpalast Pinkus. In: Thomas Elsaesser, Michael Wedel (Hrsg.): Kino der Kaiserzeit. Zwischen Tradition und Moderne. Edition Text + Kritik, München 2002, ISBN 3-88377-695-5, S. 284–290.
Joseph McBride: How did Lubitsch do it? Columbia University Press, New York [2018], ISBN 978-0-231-18644-5.
↑Landesarchiv Berlin, Heiratsregister Standesamt Berlin-Wilmersdorf, Nr. 859/1922; kostenpflichtig abrufbar auf Ancestry.com
↑Clarissa Lempp, Daniela Besser: It feels like coming home. In: Aviva-Berlin.de. Aviva – Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen, 20. April 2007, abgerufen am 2. Dezember 2022 (englisch).