Egbert Weiß (* 25. Januar1931 in Berlin; † 29. Januar2022 ebenda) war ein deutscher Jurist. Über 21 Jahre war er Richter am Kammergericht. Öffentlich bekannt wurde er durch seine Beteiligung an Strafverfahren mit politischem Hintergrund. Seit Jahrzehnten arbeitete er auch als Studentenhistoriker, vor allem über Studentenverbindungen.
Zwei Beschlüsse, mit denen Weiß die Aushändigung von Postsendungen an den inhaftierten Mitangeklagten Fritz Teufel untersagt hatte, gelangten an die Öffentlichkeit.[4][5] Fritz Teufel hat ihm dafür in der Spaßguerilla ein „Denkmal“ gesetzt. Im Märchen von Ali und Fatima ist Weiß als böser Wesir „Egbert Dreckpferd, auch Schreckschwert“ verewigt. Er sorgt für Sicherheit und Ordnung, flüstert dem kranken König schlimme Sachen ein und wird zur Strafe von den Mächtigen des Schicksals „ans Jammergericht in Berlin verschlagen, wo er sich mit den Angeklagten rumärgern muß bis zum Herzinfarkt“.[6]
Gedenktafel am ehemaligen Reichskriegsgericht 1989
Aufsehen erregte die von Weiß ausgelöste „Gedenktafel-Episode“: Am 8. Juni 1989 begrüßten Demonstranten in West-Berlin einen in Hamburg verurteilten Totalverweigerer als „50.000. Kriegsdienstflüchtling“, protestierten gegen die Bundeswehr und riefen zu Aktionen gegen Berliner Betriebe auf, die für die Rüstungsindustrie arbeiteten. Sie versammelten sich vor dem Gebäude des Kammergerichts und des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in der Witzlebenstraße, in dem bis 1943 das Reichskriegsgericht residiert hatte. Begleitet von Ansprachen der Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Hilde Schramm, und der Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg enthüllten sie eine vom Büro für ungewöhnliche Maßnahmen gefertigte Gedenktafel, deren Aufschrift die dort einst vom Reichskriegsgericht verurteilten Wehrdienstverweigerer und Widerstandskämpfer würdigte. Die provisorische Gedenktafel, die später durch eine metallene ersetzt werden sollte, stellten sie ohne Genehmigung des Hausherrn auf einem Mauervorsprung neben dem Eingang des Gerichts ab. Weiß sah darin einen Missbrauch des Dienstgebäudes für nicht zu billigende politische Zwecke, entfernte am nächsten Tag die zurückgelassene Pressspanplatte, ließ sie durch einen in der Nähe beschäftigten Bauarbeiter zerkleinern und steckte die Teile in einen Müllcontainer. Zeitungsberichte darüber veranlassten die Justizsenatorin Jutta Limbach, gegen Weiß das förmliche Disziplinarverfahren einzuleiten; sie blieb aber in beiden Instanzen erfolglos. Die Politische Abteilung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht leitete gegen Weiß ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung ein, das sie aber mit der Begründung einstellte, der Beschuldigte habe von der „Herrenlosigkeit“ der zurückgelassenen Holztafel ausgehen können. Auch nach der Beschwerde des Büros für ungewöhnliche Maßnahmen, das sich auf sein Eigentum an der Tafel berief, blieb die Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung.[7]
Landesverratsverfahren
Für die Tochter des Journalisten Carl von Ossietzky, den das Reichsgericht in der Weimarer Republik 1931 wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu einem Jahr und sechs Monaten
Gefängnis verurteilt hatte, reichte der Rechtsanwalt Heinrich Hannover bei dem Kammergericht einen Antrag auf Wiederaufnahme jenes Verfahrens ein. Als Berichterstatter wirkte Weiß an dem Beschluss des 1. Strafsenats vom 11. Juli 1991 mit, der den Wiederaufnahmeantrag als unzulässig
verwarf.[8]
Ruhestand
1993 trat Weiß in den Ruhestand. Er starb kurz nach seinem 91. Geburtstag im Berliner Sankt-Gertrauden-Krankenhaus.
Das hochschulpolitische Mandat der Kösener Corps. 3/1969, S. 148–150.
Corpsstudentische Öffentlichkeitsarbeit – warum, wie und durch wen?. 1/1971, S. 17–20 und 2/1971, S. 115.
Grundsätze der Flugblattwerbung. 1/1974, S. 18–24 und 1/1978, S. 3–8.
Aufgaben der Zeitung eines Corps, 4/1977. S. 126–129.
Deutsche Antwort eines sächsischen Wenden. Zum 160. Geburtstag des Lausitzer Wendenführers Immisch. 1/1980, S. 15 und 2/1981, S. 92.
Keine Angst vor Walter Bloem! 2/1993, S. 19 f.
Auf den Spuren Karl Mays. Der blaurote Methusalem. Der Corpsstudent 4/1995, S. 214; auch abgedruckt in den KMG-Nachrichten der Karl-May-Gesellschaft Nr. 110, Dezember 1996, S. 18–20.
Corpsstudenten in der Paulskirche, in: Studenten-Kurier 2/1998, S. 7–11.
Corpsstudenten auf dem Wege zur deutschen Einheit – von der Paulskirche zum ersten Reichstag, in: Rolf-Joachim Baum (Hg.): Wir wollen Männer, wir wollen Taten! Deutsche Corpsstudenten von 1848 bis heute (Festschrift zum 150jährigen Bestehen des KSCV). Siedler, Berlin 1998, S. 84–110.
Richard Wagners missglückte Contrahagen, in: Studenten-Kurier 1/2007, S. 3–4.
Leipziger Studentenduelle im 19.Jahrhundert – ein Streifzug durch die Annalen der Lusatia, in: Sich stellen – und bestehen! Festschrift für Klaus Gerstein, hg. von Sebastian Sigler, 2. durchgesehene Auflage unter dem Titel: Die Vorträge der 70. Studentenhistorikertagung Berlin 2010. Beiträge zur deutschen Studentengeschichte, Essen 2012, ISBN 978-3-939413-30-1, S. 157–171.
Aktiv in der Monarchie. Leipziger Corpsstudenten 1807–1918. Lebensläufe der Leipziger Lausitzer. Festschrift zum 210. Stiftungsfest des Corps Lusatia, Leipzig 2017, lektoriert von Hans Lipp und Helmut Weiß. Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch 2017. ISBN 978-3-96049-017-3.
Aktiv in Leipzig, Erlangen und Berlin. Geschichte der Studentenverbindung Corps Lusatia von 1933 bis 1990. Berlin und Leipzig 2021. ISBN 978-3-96049-092-0.
↑Abdruck bei Jörg Friedrich: Freispruch für die Nazi-Justiz. Die Urteile gegen NS-Richter seit 1948. Eine Dokumentation. Rowohlt, Reinbek 1983, S. 463–486.
↑Beschluß vom 6. Februar 1979 in: Mitteilungen der Notgemeinschaft für eine freie Universität, „Fachhochschule für Wirtschaft unter Hammer und Sichel – V“, Berlin, Mai 1979.
↑Fritz Teufel, Robert Jarowoy: Märchen aus der Spaßgerilja. Verlag Libertäre Assoziation und Verlag Roter Funke, Berlin 1980.
↑Berichte in Berliner Tageszeitungen: taz vom 9., 12., 13., 14., 15. und 16. Juni 1989; 8. und 10. Juli 1989; 2. und 29. September 1989, 18. Oktober 1989 und 28. Februar 1990. Der Tagesspiegel vom 10., 13., 14., 15. und 20. Juni 1989; 6., 7. und 8. Juli 1989, 27., 28. und 29. September 1989, 18. Oktober 1989 und 28. Februar 1990.