Domenica Niehoff wurde 1945 in Köln geboren; sie stammte aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Ihre Mutter Anna floh mit ihren drei Kindern vor ihrem gewalttätigen italienischen Ehemann. Die Mutter lebte dann von Kartenlesen und Betrügereien, bis sie verhaftet wurde. Domenica lebte von ihrem vierten bis vierzehnten Lebensjahr mit ihrem Bruder Amando in einem katholischen Waisenhaus, nur die jüngere Schwester blieb bei der Mutter. Im Alter von 14 Jahren durfte sie wieder zur Mutter ziehen. Im Jahr 1960, im Alter von 15, begann sie eine kaufmännische Ausbildung zur Buchhalterin und brach diese nach einiger Zeit ab.[1]
Sie lebte ab 1962 mit dem Bordellbesitzer Kuno Niehoff zusammen, den sie später heiratete. Ihr Mann erschoss sich 1972 vor ihren Augen mit einer Pistole.[2] Von da an arbeitete sie als Prostituierte im Hamburger Vergnügungs- und RotlichtviertelSt. Pauli in dem GroßbordellPalais d’Amour und der Herbertstraße. Ab 1980 betrieb sie ein eigenes Studio als Domina.
1994 veröffentlichte sie ihre Autobiografie, Körper mit Seele – Mein Leben, die von Hans Eppendorfer verfasst worden war.[3] Zum Besuch von Papst Johannes Paul II. in Berlin 1996 sprach Niehoff in einem papstähnlichen Gewand bei einer Demonstration Charlotte von Mahlsdorf „heilig“. Politiker der CSU veranlasste dies, in den Bundestag einen Gesetzentwurf gegen „Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses ohne Störung des öffentlichen Friedens“ einzubringen, der jedoch keine Mehrheit fand.
1990 beendete Niehoff im Alter von 45 Jahren ihre Tätigkeit als Prostituierte und beteiligte sich ehrenamtlich an sozialen Projekten. Ab 1991 arbeitete sie als Streetworkerin in Hamburg-St. Georg.[4] 1991 war sie Mitinitiatorin des Prostituierten-Hilfsprojektes Ragazza e. V. im Hamburger Stadtteil St. Georg und betreute bis 1997 drogensüchtige Mädchen und Frauen auf dem Straßenstrich.
Von 1998 an betrieb sie am Hamburger Fischmarkt eine kleine Kneipe, die sie von „Fick“ in „Domenica“ umbenannte. Diese musste im Jahr 2000 wegen Steuerschulden schließen. Nach dem Tod ihres Bruders 2001 erbte sie sein Haus in Boos (Eifel) und lebte dort ab 2003. Von September 2005 bis Mai 2008 betrieb sie die Pension "Domenicas Nähkästchen" mit drei Zimmern. 2008 zog sie zurück nach St. Pauli. Domenica Niehoff starb im Februar 2009 in Hamburg an den Folgen einer Lungenerkrankung (COPD).[2] Sie wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof im Garten der Frauen beigesetzt.
Rezeption
Domenica hatte Kontakt mit Prominenten aus Kunst und Kultur und diente ihnen als Muse. Auf dem Plattencover der Single Bum Bum der Popgruppe Trio aus dem Jahr 1983 ist im tiefausgeschnittenen Dekolleté mit Lippenstift zweimal das Wort „Bum“ auf ihren Brüsten zu sehen; sie spielte auch im gleichnamigen Musikvideo mit.
Der Schriftsteller Wolf Wondratschek widmete ihr Gedichte und schwärmte: „eine Hure bis hinein in ihr großes träges Herz“, „und bis in die Beine eine Frau“, „wenn sie mit dem Hintern wackelt, fließen die Flüsse bergauf“. 1993 drehte der Regisseur Peter Kern einen dokumentarischen Spielfilm über ihr Leben. Im selben Jahr widmeten ihr anlässlich der Internationalen Comic-Tage in Hamburg bekannte Comiczeichner ein Portfolio mit neun Blättern. 2005/2006 schenkte die Ausstellung Sexarbeit Prostitution – Lebenswelten und Mythen im Museum der Arbeit in Hamburg bekannten Prostituierten wie Rosemarie Nitribitt, Christine Keeler und auch Domenica Niehoff besondere Beachtung.
Domenicas Kopfkissenbuch. Droemer Knaur, München 1989, ISBN 3-426-03994-X.
Domenica Niehoff. Autobiografisches Porträt. In: Jörg Meier: Ich möchte keine Minute missen. Menschen auf St. Pauli erzählen. 1. Aufl., Greno, Nördlingen 1987, ISBN 3-89190-846-6. S. 22.
Körper mit Seele. Mein Leben. Aufgezeichnet von Hans Eppendorfer, Droemer Knaur, München 1994, ISBN 3-426-75062-7.
Literatur
Fee Zschocke (Texte), Andrej Reiser (Fotogr.): Domenica und die Herbertstraße. Eichborn, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-8218-1701-1.
Domenica Portfolio. Grafikmappe, Schreiber & Leser, München 1993. (A-3; 10 Blätter handsigniert auf hundert Exemplare limitiert und 9 Blätter auf 200 Exemplare limitiert.)
Barbara Lukesch: Gespräch zwischen den beiden ehemaligen Prostituierten Domenica Niehoff und Brigitte Obrist zum Thema „Prostitution und Ausstieg“. In: Das Magazin. 24. August 1996. (Als Onlinetext verfügbar.)
Günter Zint: Domenica. Das Fotobuch »Ich war nicht schön, ich war schlimmer.« Dölling und Galitz, München / Hamburg 2012, ISBN 978-3-86218-016-5.
Eva-Maria Bast: Domenica Anita Niehoff. Königin der Reeperbahn – St. Paulis großes Herz. In: dies.: Hamburger Frauen: historische Lebensbilder aus der Stadt an der Elbe. Bast Medien GmbH, Überlingen 2019, ISBN 978-3-946581-66-6, S. 124–128.
Menschen bei Maischberger, frei zugängliches RealVideo der Fernsehsendung Menschen bei Maischberger vom 22. Mai 2007 mit Domenica Niehoff zum Thema Hure – ein ganz normaler Beruf?