Am 21. Februar 1768 trat er sein Amt als Kurfürst in Trier an. Obwohl die Feier seinem Wunsch gemäß bescheiden war, wurde er mit Glockengeläut, Böllerschüssen und Trommelwirbel empfangen und am folgenden Tag inthronisiert. Eine Woche später reiste er mit dem Schiff nach Koblenz, wo er am Nachmittag des 28. Februar 1768 am Koblenzer Deutschen Eck eintraf. Von dort ging es weiter zum Residenzschloss in Ehrenbreitstein. Kostspielige Freudenbekundungen hatte er sich auch hier verbeten; „die Liebe der Unterthanen sollte seine Ehre sein“. Entsprechend groß war der Jubel bei seiner Ankunft. Von Koblenz-Ehrenbreitstein und ab 1786 vom Koblenzer Schloss regierte er das Kurfürstentum; in Trier hielt er sich während seiner Regentschaft nur dreimal auf.[1]
Clemens Wenzeslaus hielt einen prächtigen Hof und ließ in Koblenz ein kostspieliges Schloss erbauen, wohin er 1786 seine Residenz von dem baufällig gewordenen Schloss Philippsburg unterhalb Ehrenbreitsteins verlegte. Besonders die Musik wurde an seinem Hof gepflegt, auch ließ er ein öffentliches Theater, das heutige Theater Koblenz, errichten. Es wurde am 23. November 1787, dem Namenstag des Kurfürsten, mit Mozarts Oper Entführung aus dem Serail eingeweiht.[2] Angesichts der hohen Kosten, die der Bau des Schlosses verursachte, fand Clemens Wenzeslaus im Finanzberater seiner Schwester Kunigunde, dem Hofrat Franz-Joseph Schmitz, einen privaten Finanzier für das Theater. Als Gegenleistung erhielt Schmitz den Titel des ersten Direktors des „Comoedien-, Opern-, Ball-, und Assembléehauses“ und wurde von Steuerzahlungen befreit.[3] Prinzessin Kunigunde war regierende Fürstäbtissin des Stiftes Essen und Reichsstiftes Thorn, lebte aber zumeist in Koblenz am Hof ihres Bruders.
In den Jahren 1783 bis 1786 hatte Clemens Wenzeslaus über die Moselbrücke eine Wasserleitung von Metternich in die Altstadt legen lassen. Sie führte dort zu einem Turm der Stadtmauer, der zum Wasserturm umgebaut wurde, von dem das Schloss mit frischem Quellwasser versorgt wurde. 1791 ließ er auf dem Clemensplatz für die Bevölkerung einen Trinkwasserbrunnen mit einem 19 Meter hohen Obelisken anlegen, der heute vor dem Stadttheater steht.[2]
In Bertrich betrieb Clemens Wenzeslaus 1779 mit 100.000 Gulden die Erweiterung des seit 1657 bestehenden kurfürstlichen Badehauses und den Bau eines Gasthofs für 60 Gäste. Damit wollte er dem Bad mit der einzigen Glaubersalztherme in Deutschland zu wirtschaftlichem Aufschwung verhelfen. Er selbst suchte 1785 und 1787 Linderung in dem Bad.[4]
Hofhaltung
Die weltliche Hofhaltung Clemens Wenzeslaus’ war in höchstem Maße herrschaftlich. Bis zu 520 Personen waren in Spitzenzeiten für ihn tätig. Dazu gehörte unter anderem ein Ärzteteam, darunter sein Erster Leibmedicus Johann Gottlob Haupt (1721–1794),[5] den er aus seiner Jugendzeit in Sachsen kannte. Dem Ersten Leibarzt standen drei weitere Leibärzte zur Seite. Die Leibärzte betreuten den Kurfürsten sowohl am Hof als auch auf Reisen und standen überdies den Bediensteten zur Verfügung. Außer den Leibärzten standen vier Hofchirurgen im kurfürstlichen Dienst.
Die Aufgaben seiner Mund- und Hofköche hatte Clemens Wenzeslaus genauestens geregelt. Vor allem waren sie gehalten, mit den Lebensmitteln sparsam umzugehen. Der Weinkonsum bei Hof soll hoch gewesen sein; beim Essen übrig gebliebene Weinreste wurden allerdings nicht ausgeschüttet, sondern gesammelt und als Essigansatz aufbewahrt. Der Bierverbrauch soll gering gewesen sein.
Besuche und prunkvolle Empfänge waren selten. Anlässlich der Einweihung des neuen Koblenzer Schlosses am 23. November 1787 sollen jedoch nach einem feierlichen Gottesdienst in der Liebfrauenkirche 600 Personen an einem Ball teilgenommen haben, bei dem „an Speisen und Getränken alles im Überfluss“ geflossen sei. An diesem Festtag amnestierte der Kurfürst allerdings auch 32 Gefangene und verteilte 2.000 Gulden an Bedürftige in Koblenz und Ehrenbreitstein.[4]
Gesetze und Erlasse
Den Ideen der Aufklärung nicht abgeneigt, förderte er im Kurfürstentum Trier besonders das Schulwesen und suchte durch ein Toleranzedikt (1783) sowie durch Schaffung verschiedener gemeinnütziger Einrichtungen, Bildung und Wohlstand zu heben. Seine Haltung in kirchlichen Dingen war schwankend: Er behielt die Jesuiten auch nach Auflösung des Ordens im Land und protestierte gegen radikale Reformen seines Vetters Joseph II. in Religionssachen, schützte aber den katholischen Aufklärer Hontheim und stellte 1786 die Emser Punktation mit aus, die eine größere Unabhängigkeit der Kirche des Heiligen Römischen Reiches von Rom zum Ziel hatte.
Da Wallfahrten in vielen Gemeinden mitunter in unhaltbaren Aberglauben ausarteten wie auch zu weltlichen Vergnügungen gerieten, verbot Clemens Wenzeslaus mit Gesetz vom 29. November 1784 Prozessionen, die länger als eine Stunde dauerten.[6] Auch abergläubische Bräuche wie das Wetterläuten wurden untersagt. Ebenso waren bereits vorher auf bischöflich landesherrliche Verordnung etliche Feiertage abgeschafft worden.[7]
Am 30. Oktober 1787 erließ er eine landesherrliche Verordnung zur Qualitätsverbesserung des heimischen Weinbaues. Danach sollten innerhalb von sieben Jahren die unter dem Namen „rheinisch“ bekannte Gattung von Weinreben, die Trauben mit schlechten Eigenschaften und zu viel Säure lieferte, ausgerottet und durch „gute“ Reben – gemeint war damit der Riesling – ersetzt werden.[8] Diese Anordnung wurde im gesamten Herrschaftsbereich des Trierer Kurfürsten rigoros umgesetzt. Lediglich in den Randbereichen des Territoriums Trier wie z. B. an der Obermosel bei den Orten Nittel, Wincheringen, Nennig, Besch und Perl, wo vielfach ein Kondominium mit Frankreich und dem Herzogtum Luxemburg bestand, konnte diese Anordnung nicht unmittelbar von den kurtrierischen Behörden durchgesetzt werden.
Während in Preußen bereits 1717 die Schulpflicht eingeführt worden war, besuchten die Kinder im Bistum Augsburg die Volksschule weiterhin freiwillig – und zwar nur im Winter –, bis Clemens Wenzeslaus 1786 den Schulbesuch für alle Kinder unter Strafandrohung zur Pflicht machte.[7]
Häufig weilte Clemens Wenzeslaus auch im Schloss zu Kärlich (bei Koblenz), einem Jagdschloss der Trierer Kurfürsten, obwohl er selbst kein Freund der damals überaus grausamen Jagd gewesen sein soll.[9] In der Kapelle dieses Schlosses weihte er am 10. August 1784 den französischen Theologiestudenten Franz Josef Pey zum Priester, der am 3. September 1792 zusammen mit 190 weiteren Priestern während der Septembermassaker in Paris als Märtyrer starb.[10]
Erschreckt durch den Ausbruch der Französischen Revolution stellte er alle Reformen ein und führte ein strengeres Regiment. Den Emigranten und den flüchtigen Mitgliedern des ihm verwandten französischen Hofes bot er eine Zufluchtsstätte, und Koblenz wurde Mittelpunkt der französischen Royalisten, die hier eine eigene Armee aufbauten (Armée de Condé). Vom September bis zum 21. Oktober 1792 war Clemens Wenzeslaus in seinem Schloss in Kärlich, bevor er unter dem Druck der Revolution nach Bonn floh.[11] Zwei Jahre später zerstörte die französische Revolutionsarmee das Schloss in Kärlich. In der Zwischenzeit hielt sich Clemens Wenzeslaus in Augsburg und Oberdorf (seit 1898 Markt Oberdorf und seit 1953 Marktoberdorf) auf und kehrte 1793 noch einmal kurz nach Koblenz zurück. Doch 1794 musste er die Stadt schon wieder verlassen und erneut nach Oberdorf ziehen, als die französischen Truppen anrückten. Aber auch dort fand er zunächst keine sichere Bleibe. Denn als General Moreau 1796 in Süddeutschland einfiel, mussten er und seine Schwester in ihre Heimat Sachsen fliehen, ebenso einige Jahre später im Zweiten Koalititionskrieg (1799–1802). Am 7. Juli 1801 kehrte er nach Oberdorf zurück. Angeblich stellte der Kurfürst dort eine halbe Million Gulden zur Beseitigung von Kriegsschäden bereit.[7][12][13]
Clemens Wenzeslaus wurde vom Sieg der Revolution schwer betroffen: im Frieden von Lunéville (1801) verlor er den linksrheinischen, größten Teil des Kurstaats, 1803 aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses auch dessen Rest sowie das Fürstbistum Augsburg und die Fürstpropstei Ellwangen. Mit einer Pension von 100.000 Gulden zog er sich nach Augsburg zurück und starb am 27. Juli 1812 auf seinem Sommersitz Schloss Oberdorf im Allgäu. Seine Schwester Kunigunde, die bis zu seinem Tod bei ihm war, zog dann nach Dresden.
Nach einer Legende ist Clemens Wenzeslaus von Sachsen der Erfinder des Getränks Kalte Ente, einer alkoholischen Bowle, die im Wesentlichen aus Wein und Sekt besteht und mit einer Zitrone oder Zitronenmelisse verfeinert wird.[16]
Michael Embach, Reinhold Bohlen (Hrsg.): Der Trierer Erzbischof und Kurfürst Clemens Wenzeslaus (1739-1812) – Eine historische Bilanz nach 200 Jahren. Verlag der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 2014, ISBN 978-3-929135-69-5.
Heribert Raab: Clemens Wenzeslaus von Sachsen und seine Zeit 1739–1812. Band 1: Dynastie, Kirche und Reich im 18. Jahrhundert. Herder, Freiburg 1962.
Alexander Dominicus: Coblenz unter dem letzten Kurfürsten von Trier Clemens Wenzeslaus. 1768–1794. Hölscher, Koblenz 1869.
Karl Hausberger: Geschichte des Bistums Regensburg. Band 2: Vom Barock bis zur Gegenwart. Regensburg 1989, S. 29–31.
Franz Liesenfeld: Klemens Wenzeslaus, der letzte Kurfürst von Trier, seine Landstände und die französische Revolution 1789–1794 (Westdeutsche Zeitschrift, Ergänzungsheft 17), Trier 1912.
Jakob Marx: Geschichte des Erzstifts Trier. Als Kurfürstentum und Erzdiözese von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1816. Abteilung 3: Die Geschichte des Trierischen Landes seit dem Regierungsantritt des letzten Kurfürsten Klemens Wenzeslaus. Trier 1858–1864 (Nachdruck: Scientia, Aalen 1970).
Wolf-Ulrich Rapp: Stadtverfassung und Territorialverfassung. Koblenz und Trier unter Kurfürst Clemens Wenzeslaus (1768–1794). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1995, ISBN 3-631-45632-8
Josef Staber: Kirchengeschichte des Bistums Regensburg. Regensburg 1966, S. 159.
Clara Viebig: Prinzen, Prälaten und Sansculotten. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1931.
Wolfgang Wüst: Fürstbischöfliche Amts- und Staatsführung im Hochstift Augsburg unter Clemens Wenzeslaus von Sachsen, 1768–1803. In: Pankraz Fried (Hg.): Miscellanea Suevica Augustana. Der Stadt Augsburg dargebracht zur 2000-Jahrfeier 1985 (= Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens. Band 3). Thorbecke, Sigmaringen 1985, ISBN 3-7995-7503-0, S. 129–147.
↑Lieselotte Sauer-Kaulbach: Ein lustiges ‚Vivat!‘ der Koblenzer für Clemens Wenzeslaus. In: Rhein-Zeitung Nr. 49 vom 27. Februar 2018, Ausgabe BO, S. 21.
↑ abFrank Grube, Gerhard Richter, Eberhard Duchstein: Koblenz. Buchhandlung Reuffel, Koblenz, ISBN 3-9800158-0-7.