Der getarnt nationalsozialistischeBund deutscher Schriftsteller Österreichs wurde im November 1936 von ehemaligen PEN-Club-Mitgliedern unter der Präsidentschaft von Max Mell gegründet. Die Mitglieder arbeiteten energisch auf den Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich hin, um „den Weg zur Befreiung ihres Volkes zu bahnen und zu vollenden“,[1] und begrüßten den Einmarsch Hitlers 1938 mit einem „Bekenntnisbuch“ zum „Dritten Reich“.
Dies führte zu einer Fraktionsbildung der österreichischen Autoren, als sich die Delegierten Grete von Urbanitzky und Felix Salten nicht dem von Toller initiierten Protest gegen die Bücherverbrennung anschlossen. Die „deutschfreundlichen“ und nazistisch gesinnten Mitglieder in Österreich traten aus dem PEN-Club aus, unter ihnen Max Mell, Richard Billinger, Bruno Brehm, Robert Hohlbaum, Mirko Jelusich oder Josef Weinheber. Es folgten mehrere Anläufe, die österreichischen „Sänger deutschen Heldentums“ und „Priester des deutschen Herzens“ zu organisieren. Nach dem Juli-Abkommen zwischen Adolf Hitler und dem österreichischen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg etablierte sich unter der Präsidentschaft des katholisch-großdeutschen Max Mell im November 1936 der „Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“.[4]
Am 30. April 1933 hatte die Wiener Arbeiter-Zeitung geschrieben: „Das Dritte Reich braucht Lakaien […] Auf Leichenhügeln sollte ein Dichterfrühling grünen. […] Goebbels lud zum Tee – die Schriftsteller hatten zu wählen: Geist oder Macht, Charakter oder Konjunktur, tapfere Isolierung oder feige Gleichschaltung. Sie haben gewählt. Die Männer sind ins Exil, die Kreaturen zum Tee gegangen.“
Franz Theodor Csokor, wie viele seiner Kollegen vom reichsdeutschen Markt abhängig, schrieb am 19. Mai 1933: „Man muß sich eben entscheiden: Gutes Geschäft – oder gutes Gewissen? Ich bin für das zweite – auf jede Gefahr hin, selbst auf die einer Emigration, falls der braune Zauber auch bei uns einmal Fuß fassen sollte!“
Und Kurt Tucholsky schrieb ebenfalls 1933 zur Übernahme der „frei geräumten“ Plätze durch opportunistische Schriftstellerkollegen: „Da kommen sie nun aus allen Löchern gekrochen, die kleinen Provinznutten der Literatur, nun endlich, endlich ist die jüdische Konkurrenz weg – jetzt aber! […] Lebensgeschichten der neuen Heroen. Und dann: Alpenrausch und Edelweiß. Mattengrün und Ackerfurche. Schollenkranz und Maienblut – also Sie machen sich keinen Begriff, Niveau null.“
Mitglieder
Im Bund deutscher Schriftsteller Österreichs fanden sich die Mitglieder und Sympathisanten der NSDAP zu einer illegalen Tarnorganisation zusammen. Von 50 % der Mitglieder ist die Mitgliedschaft in der NSDAP, die in Österreich seit 1933 verboten war, gesichert.[5]
Da die nationalsozialistischen Schriftsteller Österreichs 1938 bereits über eine ausgeprägte Infrastruktur verfügten, gelang es ihnen, sofort nach dem Anschluss die Reichsschrifttumskammer, Landesleitung Österreich, zu konstituieren. Der Geschäftsführer des Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs, Max Stebich, wurde auch Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer in Österreich und hatte diese Position bis 1940 inne. Franz Spunda wurde Landesleiter des Reichsverbandes deutscher Schriftsteller für Österreich.
Der österreichische P.E.N.-Club wurde 1938 aufgelöst, Vermögen und Archiv des Zentrums wurden beschlagnahmt.
Bekenntnisbuch
1938 gab der Verband im Wiener Krystall-Verlag das Bekenntnisbuch österreichischer Dichter heraus, in dem die Autoren begeistert den „Anschluss“ begrüßten.
Die Aufgabe der Dichter, die „Sänger deutschen Heldentums, Priester des deutschen Herzens“ genannt wurden, schilderte Max Stebich wie folgt:
„[…] Das Ziel ihres Kampfes, den sie mit den makellosen Waffen des Geistes führten, war dasselbe Ziel, das sich alle aufrechten deutschen Dichter in vergangenen Jahrhunderten auf ihre Fahnen schrieben: ein einziges, freies, glückliches und ewiges Deutschland, ein Deutschland, das alle umfaßt, die desselben Blutes und derselben Sprache sind. […]“[6]
1945 wurde unter Edwin Rollett der „Verbund demokratischer Schriftsteller und Journalisten Österreichs“ (VdSJÖ) gegründet, der die Ausschaltung nationalsozialistisch belasteter Autoren aus dem Literaturbetrieb zum Ziel hatte.
Zahlreiche Mitglieder des Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs wurden nach dem Krieg in die Liste der gesperrten Autoren und Bücher[7] aufgenommen, welche im Januar 1946 vom Bundesministerium für Unterricht herausgegeben wurde und Werke enthielt, „deren Inhalt eindeutig nationalsozialistische, bzw. faschistische Ideologien verfolgt“. Darin waren ca. 1600 Autoren sowie eine Reihe von Sachtiteln verzeichnet, die für Druck, Verkauf und Verleih gesperrt wurden, darunter Bruno Brehm, Gertrud Fussenegger, Mirko Jelusich, Josef Friedrich Perkonig, Friedrich Schreyvogl, Karl Hans Strobl, Ingeborg Teuffenbach, Franz Turnier und Josef Weinheber.
Aufgrund der Initiative von Robert Neumann, dem Generalsekretär des 1939 in London gegründeten österreichischen Exil-P.E.N.-Clubs (Free Austrian P.E.N.-Club), kam es 1947 zu einer Neugründung des Österreichischen P.E.N.-Clubs. Zum ersten Nachkriegspräsidenten wurde Franz Theodor Csokor gewählt.
Einige Autoren des Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs finden sich auch auf dem „Dichterstein“ in Offenhausen in Oberösterreich wieder, der 1963 vom Verein Dichterstein Offenhausen errichtet wurde und auf dem in die Ziegel und Täfelchen die Namen von rund 400 völkischen und nationalsozialistischen Dichtern eingraviert sind. Der Dichterstein ist ein „steingewordener Beitrag zur Ehrenrettung der im Jahre 1945 diskreditierten und ‚belasteten‘ NS-Autoren“.[9] Der Verein wurde 1963 von Joseph Hieß, einem Rassisten und Antisemiten, der von 1945 bis 1948 im alliierten Kriegsverbrecherlager Glasenbach inhaftiert war, gegründet.
Am Institut für Germanistik der Karl-Franzens-Universität Graz wurde 1986 eine Forschungsstelle „Österreichische Literatur im Nationalsozialismus“ eingerichtet.[10]
Literatur
Bekenntnisbuch österreichischer Dichter. Hrsg. vom Bund Deutscher Schriftsteller Österreichs. Krystall, Wien 1938 ÖNB
Claus-Peter Böhner: Das „Bekenntnisbuch österreichischer Dichter herausgegeben vom Bund Deutscher Schriftsteller Österreichs“. 1938. (Reprint: Hänsel-Hohenhausen, Egelsbach / Köln / New York 1992, ISBN 3-89349-502-9. Mikroedition, bestehend aus zwei Fiches)
Gerhard Renner: Österreichische Schriftsteller und der Nationalsozialismus (1933–1940). Der „Bund der deutschen Schriftsteller Österreichs“ und der Aufbau der Reichsschrifttumskammer in der ‚Ostmark‘. Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-7657-1370-8.
Uwe Baur: Metropole und Provinz – österreichische Schriftstellervereine zwischen Erstem Weltkrieg und 1945. In: Stimulus. 2000, H. 1–2, S. 65–72.
Uwe Baur, Karin Gradwohl-Schlacher, Sabine Fuchs unter Mitarbeit von Helga Mitterbauer (Hrsg.): Macht–Literatur–Krieg. Österreichische Literatur im Nationalsozialismus. Böhlau, Wien / Köln / Weimar 1998, ISBN 3-205-98451-X.
Literatur in Österreich 1938–1945: Handbuch eines literarischen Systems. Böhlau, Wien / Köln / Weimar 2008, DNB989834581.
↑Kirsten Reimers: Das Bewältigen des Wirklichen. Untersuchungen zum dramatischen Schaffen Ernst Tollers zwischen den Weltkriegen. (Schriften der Ernst-Toller-Gesellschaft, Band II). Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, ISBN 3-8260-1766-8.