1913 prüfte die ETAT die Anschaffung von Pacifics, um dem gestiegenen Fahrgastaufkommen in ihrem Netz Rechnung zu tragen. Um Entwicklungskosten zu sparen, lehnte man sich eng an die Baureihe 3500 der Compagnie du chemin de fer de Paris à Orléans (P.O.) an, die jene ab 1909 angeschafft hatte. Abweichend von den P.O.-Pacifics diktierte das kleinere Lichtraumprofil der ETAT einen leicht eingezogenen Führerstand und einen abgerundeteren Stehkessel.[1] Das Verbundtriebwerk der Bauart De Glehn war mit Walschaerts-Steuerungen kombiniert.
Der Erste Weltkrieg verzögerte die Fertigstellung der ersten und den Bau weiterer Maschinen. Nur die Loks 501 und 502 verließen 1914 noch die Werkshallen von Fives-Lille. Letztere wurde noch in jenem Jahr vom Deutschen Heer beschlagnahmt und als Dampferzeuger nach Mülheim-Speldorf verbracht; bei der Rückgabe im Jahr 1919 kam sie als 3.1150 zur Compagnie des chemins de fer du Nord (NORD), die Betriebsnummer 502 wurde in Zweitbesetzung an eine bei Batignolles-Châtillon gebaute Lok vergeben. Auch die 504 und 506 wurden nach Deutschland entführt, sie erhielten bei ihrer Rückkehr 1918 die Nummern 783 bzw. 782.
In den Kriegsjahren 1916 und 1917 lieferte die North British Locomotive Company 40 Lokomotiven (650 bis 689) aus Großbritannien nach Frankreich. Fives-Lille baute 1921 die Loks 602 bis 649 sowie 780 und 781, Schneider 1920/1921 die 690 bis 739 und Batignolles-Châtillon 1922 die 502 bis 601 und 740 bis 779. Fortan bildete die Baureihe 500 das Rückgrat im Schnellzugdienst der ETAT.[1]
Anfang der 1930er Jahre konnte die ETAT die von André Chapelon vorgenommenen Verbesserungen an P.O.-Lokomotiven nicht mehr ignorieren. Zur Leistungssteigerung wurde nach dessen Grundsätzen an der Lok 644 ein radikaler Umbau vorgenommen: Vergrößerung der Dampfleitungen, Verlängerung der Rauchkammer, Ersatz des Schmidt-Überhitzers durch einen der Bauart Houlet, Einbau einer doppelten Kylchap-Saugzuganlage und ACFI-Mischvorwärmern[Anm. 2] sowie Ausrüstung mit einer Dabeg-Ventilsteuerung, einem neuen Kurbelradsatz für die Innenzylinder und Léonard-Rädern.[1]
Umbauten
Lediglich 24 Maschinen übernahm die SNCF im weitgehenden Originalzustand mit kleinen Windleitblechen, aber ACFI-Vorwärmer; sie bezeichnete sie als Baureihe 231 C.
Zwischen 1933 und 1949 erhielten 135 Lokomotiven an den Niederdruckzylindern Dabeg-Steuerungen; bei der SNCF liefen sie als 231 D.
Ab 1933 erhielten 23 Maschinen an den Niederdruckzylindern Willoteaux-Schieber; die SNCF bezeichnete die 231 W später als 231 F.
31 Loks wurden zwischen 1933 und 1936 entsprechend den Chapelon-Vorgaben nach dem Vorbild der 644 umgebaut; die SNCF reihte die Maschinen, deren Hoch- und Niederdruckzylinder mit Lenz-Dabeg-Steuerungen versehen waren (231 DD „Double Dabeg“) später als Baureihe 231 G ein.
92 Maschinen erhielten zwischen 1937 und 1949 eine verlängerte Rauchkammer, der Dampfverlauf und -austritt wurden verbessert; die SNCF bezeichnete sie als 231 H.
Sechs Loks erhielten Renaud-Steuerungen und wurden zu 231 R. Diese Umbauten brachten nicht die gewünschten Ergebnisse;[2] als einzige derartige Maschine kam die 231 R 523 zur SNCF, die sie als 231 J 523 bezeichnete.
Die späteren 231 D, F und G erhielten zusätzliche Sandstreueinrichtungen, die Schlepptender der 231 D und G konnten während der Fahrt aus einem Trog Wasser nehmen. Nach der Übernahme durch die SNCF wurden die 231 D und 231 H weiter verändert. Unter anderm erhielten sie Rauchkammertüren der Bauart NORD und Turbogeneratoren, die „Lethuillier-Pinel“-Ventile wurden durch solche des Typs „Coale“ ersetzt. Das Führerstandsdach wurde verlängert und die Kapazität des Schlepptenders auf 12 t Kohle erhöht.
Im Laufe der 1960er Jahre wurden mit den 231 G die letzten Maschinen der Baureihe abgestellt. Am 29. September 1968 verkehrte zwischen Nantes und Le Croisic mit der 231 G 558 letztmals eine ehemalige ÈTAT 500 vor einem regulären Zug der SNCF.[1]
Verbleib
Mit der 1922 bei Batignolles-Chatillon in Nantes gebauten 231 G 558 ist eine Lok beim Pacific Vapeur Club de Sotteville-lès-Rouen betriebsfähig vorhanden.[3]
Sonstiges
Die 231 G 592 und die 231 F 632 dienten 1938 als fahrende Requisiten im Film Bestie Mensch mit Jean Gabin in der Hauptrolle. Die Lokomotive wird im Film auch von Gabin gefahren.