Auch wenn Weber, wie die meisten anderen Mitherausgeber, 1933 der Herausgeberschaft der Zeitschrift Gnomon enthoben wurde, passte er sich sehr rasch an die nationalsozialistische Herrschaft an und gilt als „überzeugter Nationalsozialist“[2] und besonders „überzeugte[r] Anhänger Hitlers“[3] unter den deutschen Althistorikern. Er wurde zwar bemerkenswerterweise weder Mitglied der NSDAP noch einer ihrer Gliederungen,[4] kooperierte aber eng mit dem Amt Rosenberg und beeinflusste durch Gutachten die Berufungspolitik in der Alten Geschichte im Sinne des Regimes.[5] So verhinderte er in Berlin die Habilitation von Hans Ulrich Instinsky, dessen ablehnendes Verhältnis zum Nationalsozialismus ein offenes Geheimnis war.[6] Im Zeitraum von 1938 bis 1945 dominierte Weber überdies zusammen mit Helmut Berve die Berufungspolitik im Bereich der Alten Geschichte: Fünf von sieben der in diesem Zeitraum berufenen Professoren stammten aus dem engeren und weiteren Schülerkreis dieser beiden, was jedoch nicht unbedingt bedeutet, dass sie deren politische und wissenschaftspolitische Einstellung teilten.[7]
1945 verlor Weber seinen Lehrstuhl, da er vom Berliner Magistrat aufgrund seines öffentlichen Auftretens im Sinne des NS-Regimes nicht im Amt bestätigt wurde. Im Dezember 1946 wurde ihm jedoch ein Forschungsauftrag von der Universität angeboten, den er auch annahm.[8] Noch während er sich bemühte, auch wieder in den Lehrbetrieb einzutreten, starb Weber unerwartet am 21. November 1948 an einem Herzschlag.
Politik und Wissenschaft
Weber betätigte sich 1917/18 als Redner für die rechtsradikale Deutsche Vaterlandspartei und bezeichnete sich als Mitbegründer des Nationalen Studentenbundes Tübingen 1919. Auf einem Personalbogen gab er um 1934 an, schon 1923 in einer deutschnationalen Versammlung für den Nationalsozialismus eingetreten zu sein.[9] Mehrfach hielt er zu öffentlichen Feiertagen Festreden mit politischem Inhalt an seiner jeweiligen Universität, beispielsweise 1917 am Sedantag über das Thema Drei Jahre Weltkrieg, zur Reichsgründungsfeier 1923 in Stuttgart zum Thema Vom vergangenen und vom zukünftigen Deutschen, und 1935 zur selben Feier an der Berliner Universität zum Thema Vom neuen Reich der Deutschen, wo er Gedanken wiederholte, die er bereits 1933 in einer Zeitschrift des NS-Studentenbundes geäußert hatte. Er sagte dort unter anderem: „Dankbar gedenken wir der drei Männer, die in diesen 65 Jahren unserem Volk geschenkt worden sind: Bismarcks, Hindenburgs und Adolf Hitlers. … Kameraden! … Wir wollen aus unserem Willen das neue Reich der Deutschen. Wir schenken uns mit den letzten Kräften unserer Existenz dem Führer.“[10]
„Webers geradezu messianischer Glaube an die schöpferische Einzelpersönlichkeit, die seit 1933 Hitler für ihn verkörperte, fand in Augustus ein historisches Vorbild. Webers wissenschaftliche Arbeiten zum Principat, besonders ›Der Prophet und sein Gott‹ von 1925 sowie sein Hauptwerk ›Princeps‹ von 1936, müssen daher im Zusammenhang mit seinem zeitgenössischen Engagement für die autokratischen Formen der Herrschaft, für Monarchie und Führerstaat gesehen werden. …“
Webers Forschung war in den Augen seines Schülers Joseph Vogt von der Verbindung „analytischer Untersuchung mit dem Wagemut der Synthese“[12] geprägt. Seine mitunter eigenwilligen Wertungen stießen allerdings nicht auf ungeteilte Zustimmung.
Nach Arbeiten zur Religionsgeschichte und zu antiken Terrakotten, aber auch zur griechischen Geschichte, beschäftigte sich Weber seit den 1920er Jahren hauptsächlich mit der Geschichte der römischen Kaiserzeit sowie mit der Staatsform Monarchie. Hier setzte er sich insbesondere mit Eduard Norden auseinander. Von einer geplanten großen Studie über Augustus (Princeps) erschien nur der erste Band (1936), der vor allem die Res Gestae Divi Augusti behandelte. Seine These, in ihnen die Begründung eines Mythos vom „neuen Gott Augustus“ zu sehen, wurde von der Fachwelt einhellig abgelehnt, und Weber verzichtete auf die Fortsetzung des Werks.
Weber verfasste in der Folgezeit vor allem populäre Beiträge, so bereits 1935 für Knaurs Weltgeschichte über das römische Kaiserreich. Die Monographie Rom, Herrschertum und Reich im zweiten Jahrhundert (1937) zeichnete ein pathetisch-rhetorisch überhöhtes Bild der römischen Kaiserzeit. Ein 1940 erschienener Abriss der römischen Geschichte für Die Neue Propyläen-Weltgeschichte vertrat explizit die nationalsozialistische Geschichtsdeutung mit der Betonung von Begriffen wie „Sippe“, „Blut“ und „Volksgemeinschaft“. Webers Stil ist in dieser Zeit geprägt von Pathos. So charakterisierte er beispielsweise Caesar, auch hier die NS-Rassenlehre anwendend, folgendermaßen: „Nordische, fälische, mittelländische Formen waren in diesem bezwingenden Antlitz verbunden, das unnahbare Überlegenheit, Ernst, Kälte, dämonische Wucht vereinte; gegensätzliche Blutskräfte trieben ihr Spiel mit allen aus Wissen, Denken und Phantasie genährten Energien“. Webers Werke gelten daher als „in Inhalt wie Form der repräsentative Ausdruck“[3] der deutschen Althistorie zur Zeit des Nationalsozialismus.
Erwartungen und Forderungen des Professors, in: Der deutsche Student. Zeitschrift der deutschen Studentenschaft 1, 1933, S. 2–11.
Vom neuen Reich der Deutschen. Rede gehalten bei der Feier der Reichsgründung und der Erneuerung des Reiches durch den Führer am 30. Januar 1935. Preuß, Berlin 1935 (online).
Princeps. Studien zur Geschichte des Augustus. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin 1936.
Romisches Herrschertum und Reich im zweiten Jahrhundert. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin 1937.
Römische Geschichte bis zum Zerfall des Weltreichs, in: Willy Andreas (Hrsg.): Die neue Propyläen-Weltgeschichte. Erster Band. Urgeschichte des Menschen, Frühzeit der Völker, Reiche des Altertums. Berlin 1940, S. 273–372.
Rom. Mussolinis cäsarische Vision. Wesen, Herrschaft, Welt, in: Geist der Zeit 18, S. 136–151, 1940.
Aufstieg und Untergang Roms, in: Wille und Macht 11, Heft 7, S. 1–41, 1943.
Karl Christ: Klios Wandlungen. Die deutsche Althistorie vom Neuhumanismus bis zur Gegenwart. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54181-X, S. 69–74.
Claudia Deglau: „Hat man den Germanen dafür gedankt?“ Wilhelm Webers Verbindungen zum Sicherheitsdienst des Reichsführers SS und sein „wissenschaftlicher Kriegseinsatz“ im Zweiten Weltkrieg. In: Kai Ruffing, Kerstin Droß-Krüpe (Hrsg.): Emas non quod opus est, sed quod necesse est. Beiträge zur Wirtschafts-, Sozial-, Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte der Antike. Festschrift für Hans-Joachim Drexhage zum 70. Geburtstag (= Philippika. Band 125). Harrasowitz, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-447-11087-7, S. 493–545.
Volker Losemann: Nationalsozialismus und Antike. Studien zur Entwicklung des Faches Alte Geschichte 1933–1945. Hoffmann und Campe, Hamburg 1977, ISBN 3-455-09219-5.
Burkhard Meißner: Forschung, Lehre und Organisation des Lehrstuhles für Alte Geschichte der Universität Halle im 20. Jahrhundert. In: Hermann-Josef Rupieper (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 1502–2002. mdv Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2002, ISBN 3-89812-144-5, S. 223–242 (zu Weber, S. 233–236).
Ines Stahlmann: Imperator Caesar Augustus. Studien zur Geschichte des Principatsverständnisses in der deutschen Altertumswissenschaft bis 1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03890-8, S. 155–181.
↑Stefan Rebenich: Zwischen Anpassung und Widerstand? Die Berliner Akademie der Wissenschaften von 1933 bis 1945. In: Beat Näf (Hrsg.): Antike und Altertumswissenschaft in der Zeit von Faschismus und Nationalsozialismus. Ed. Cicero, Mandelbachtal 2001, ISBN 3-934285-46-5, S. 203–244, Zitat S. 213 (online).
↑ abKarl Christ: Klios Wandlungen. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54181-X, S. 72.
↑Marie-Luise Bott: Die Haltung der Berliner Universität im Nationalsozialismus. Max Vasmers Rückschau 1948. Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 2009, ISBN 978-3-9813135-6-7, S. 102 (online).
↑Volker Losemann: Nationalsozialismus und Antike. Hoffmann und Campe, Hamburg 1977, ISBN 3-455-09219-5, S. 75–77, 82–86.
↑Stefan Rebenich: Zwischen Anpassung und Widerstand? S. 221.
↑Wilfried Nippel: Alte Geschichte nach 1945. In: Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.): Geschichte der Universität unter den Linden 1810–2010. Band 6: Selbstbehauptung einer Vision. Akademie-Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-05-004671-6, S. 361; Marie-Luise Bott: Die Haltung der Berliner Universität im Nationalsozialismus. Max Vasmers Rückschau 1948. Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 2009, ISBN 978-3-9813135-6-7, S. 102.
↑Volker Losemann: Nationalsozialismus und Antike. Hoffmann und Campe, Hamburg 1977, ISBN 3-455-09219-5, S. 207.
↑Ines Stahlmann: Imperator Caesar Augustus. Studien zur Geschichte des Principatsverständnisses in der deutschen Altertumswissenschaft bis 1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03890-8, S. 156.
↑Ines Stahlmann: Imperator Caesar Augustus. Studien zur Geschichte des Principatsverständnisses in der deutschen Altertumswissenschaft bis 1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03890-8, S. 175–176.