Walter Braunfels wurde als jüngster Sohn einer kunstinteressierten Familie in Frankfurt geboren. Sein Vater war der Jurist und LiteraturwissenschaftlerLudwig Braunfels, der vom Judentum zum evangelischen Glauben übergetreten war. Seine Mutter Helene Spohr war eine Großnichte des Komponisten Louis Spohr und mit Clara Schumann und Franz Liszt befreundet.
Den ersten musikalischen Unterricht erhielt Walter Braunfels bereits frühzeitig von seiner Mutter. Im Alter von 12 Jahren setzte er seine Ausbildung am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt fort. Später nahm er ein Studium der Rechtswissenschaften und Wirtschaft an der Universität München auf. Um 1902 ging er nach Wien, um sich bei Theodor Leschetizky als Pianist ausbilden zu lassen. Wieder in München, studierte er Komposition bei Ludwig Thuille. 1909 heiratete er Bertel von Hildebrand, die jüngste Tochter des Bildhauers Adolf von Hildebrand und frühere Verlobte Wilhelm Furtwänglers. Von den vier Kindern des Paares machten sich besonders Wolfgang Braunfels als Kunsthistoriker sowie Michael Braunfels als Musiker einen Namen. Der Architekt Stephan Braunfels ist ein Enkel von Walter Braunfels.
Nach dem Erfolg seiner fantastischen Oper Prinzessin Brambilla, die 1909 unter der Leitung von Max von Schillings in Stuttgart uraufgeführt wurde, lobte man Braunfels als zukunftsweisenden Vertreter der Neuen Musik. Die 1913 ebenfalls in Stuttgart uraufgeführte Oper Ulenspiegel hatte dagegen nur mäßigen Erfolg.
Im Ersten Weltkrieg wurde Braunfels 1915 zum Militärdienst eingezogen und 1917 bei einem Fronteinsatz verwundet. Nach seiner Heimkehr aus dem Krieg konvertierte der Protestant zum Katholizismus. Das religiöse Bekenntnis war wohl auch der Hauptgrund, seine deutlich antikatholische Oper Ulenspiegel zurückzuziehen. Die Konversion schlug sich später auch in zahlreichen seiner Kompositionen nieder, wie dem Te Deum (op. 32) und der Großen Messe (op. 37). Es folgten mehrere Jahre, in denen er erfolgreich als Pianist auftrat. Im Jahre 1925 wurde er gemeinsam mit Hermann Abendroth zum Direktor der neu gegründeten Hochschule für Musik in Köln berufen. Am 2. Mai 1933, gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur, wurde er als sogenannter „Halbjude“ durch ministerielle Anweisung aller Ämter enthoben.[1] Seine Werke durften nicht mehr aufgeführt werden. 1934 wurde er aus der Berliner Akademie der Künste, 1938 aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen. Braunfels blieb jedoch in Deutschland, ging in die innere Emigration und widmete sich der Komposition.
Ab dem Jahr 1937 lebte er am Bodensee in der Nähe von Überlingen in Süßenmühle. Der Walter-Braunfels-Weg in Überlingen wurde 1983 nach ihm benannt.[2]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er vom damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer mit der Aufgabe betraut, die Musikhochschule erneut ins Leben zu rufen. Im Jahre 1947 wurde er ein weiteres Mal zum Direktor der Hochschule berufen. Alte „Seilschaften“ von Musikern aus der Zeit des Nationalsozialismus, die im Amt geblieben waren, erschwerten ihm die Arbeit. 1950 ging er in den Ruhestand, zurück an den Bodensee.
Zu seinen Schülern gehören die Komponisten Carlos Veerhoff und Hermann Schroeder und der Dirigent und Musikwissenschaftler Frithjof Haas.
Die Grabstätte von Walter Braunfels befindet sich auf dem Kölner Südfriedhof (Flur 43).
Schaffen
Braunfels’ kompositorisches Schaffen ist umfangreich und sehr vielfältig. Es umfasst zahlreiche Opern, Orchesterwerke, Chöre, Lieder, Kammermusik und Werke für Klavier. Seinen großen Durchbruch als Komponist erlebte er in den 1920er Jahren mit seiner Oper Die Vögel. Zu dieser Zeit zählte er neben Franz Schreker und Richard Strauss zu den herausragenden und meistgespielten deutschen Opernkomponisten. Berühmte Dirigenten seiner Zeit führten seine Kompositionen auf, so Bruno Walter, Wilhelm Furtwängler und Otto Klemperer. Braunfels sah sich selbst als spätromantisch-traditionellen Komponisten in der Nachfolge von Hector Berlioz, Richard Wagner, Anton Bruckner und Hans Pfitzner. Seine Tonsprache zeichnen vor allem stark durchchromatisierte, bis an die Grenzen der Tonalität getriebene Harmonien aus. Eine sehr breite Ausdruckspalette reicht von asketischer Sparsamkeit über ironische und groteske Wendungen wie bei Kurt Weill, Anklänge an den Neoklassizismus bis hin zu ekstatischen Ausbrüchen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sein Stil von den Vertretern der musikalischen Avantgarde als nicht mehr zeitgemäß empfunden. So geriet der Komponist nach seinem Tod in Vergessenheit. Erst in den 1990er Jahren wurden seine Werke in größerem Maße für das Musikleben wiederentdeckt. Die Oper Ulenspiegel, von der er sich distanziert hatte, wurde erst 2011 in Gera zum ersten Mal nach der Uraufführung wieder auf die Bühne gebracht (in der Ausstattung von Stephan Braunfels), 2014 gab es beim Brucknerfest in Linz eine vielbeachtete Aufführung durch das Ensemble der Vereinigung EntArteOpera, die sich der Wiederaufführung von Werken widmet, die von den Nationalsozialisten als „entartet“ gebrandmarkt wurden.
Er komponierte auch das Märchenspiel Der gläserne Berg.[3]
Ute Jung-Kaiser: Walter Braunfels (1882–1954) (= Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts. Band 58). Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1980, ISBN 3-7649-2215-X.
Walter Braunfels / Hrsg. von Ulrich Tadday. edition text + kritik, München 2014 Musikkonzepte; Sonderband, ISBN 978-3-86916-356-7; Rezension[6]
Diemut Boehm: Sehnsucht nach Freiheit: ‚Die Vögel‘ von Walter Braunfels und sein musikalischer Nachlass. In: Bibliotheksforum Bayern 2020, Heft 4, S. 18–21 (online).
Sebastian Vaupel: Walter Braunfels. Musik in Zeiten gesellschaftlicher und politischer Spannungen. Böhlau, Köln, Wien 2024, ISBN 978-3-205-22091-6.
↑[1] Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (LexM)
↑Eugen Schnering: Überlingen – Stadtgeschichte in Straßennamen. 2. unveränderte Auflage. Verlag der Gesellschaft der Kunstfreunde Überlingen e. V., Überlingen 1998, S.187–188.
↑ abJosefa Elstner-Oertel: Der gläserne Berg. In: hoerspiele.dra.de. Abgerufen am 24. Januar 2024.