Bei der Vinylierung wird allgemein eine Vinyl-Gruppe (Ethenyl-Gruppe, H2C=CH–R) in eine organisch-chemische Verbindung eingeführt. Dabei entstehen zahlreiche Produkte wie Vinylether, Vinylsulfide, Vinylester und Vinylamine.
Erst in den 1930er Jahren beschäftigten sich Walter Reppe und seine Mitarbeiter bei der BASF in Ludwigshafen am Rhein bewusst mit der Vinylierungsreaktion. Zu dieser Zeit wurde auch das Acetylen als wertvoller Chemierohstoff entdeckt. Aus sicherheitstechnischen Gründen war es zu dieser Zeit strengstens untersagt, das hochentzündliche und explosive Acetylen bei hohem Druck zu verarbeiten. Chemiker und Ingenieure arbeiteten deshalb mit Acetylen nur bei geringen Überdruck von maximal 1,5 bar. Durch intensive Forschung und Entwicklung fand Reppe jedoch heraus, dass sich unter speziellen Bedingungen, Acetylen bei erhöhtem Druck von bis zu 25 bar sicher handhaben ließ. Mit dieser Erkenntnis war der Grundstein für die industrielle Weiterverarbeitung von Acetylen zu zahlreichen organischen Folgeprodukten gelegt, woraus ein sehr reichhaltige Acetylenchemie entstand, die bis heute von großer Bedeutung ist. Neben der Vinylierung erforscht Walter Reppe auch die Ethinylierung, die Cyclisierung und die Hydrocarboxylierung, die zusammengefasst als Reppe-Chemie bezeichnet werden. Er gilt bis heute als Begründer der modernen Acetylenchemie.
Werden Alkohole (X = O) eingesetzt, entstehen daraus Vinylether (Enolether), aus Thiolen (X = S) werden Vinylsulfide und aus Aminen (X = N) werden Vinylamine (Enamine) gebildet. Aus Carbonsäuren entstehen durch Vinylierung zahlreiche Vinylester.
Vorgeschlagener Mechanismus
Der genaue Mechanismus der Vinylierung war lange Zeit Gegenstand kinetischer Untersuchungen. Dabei wurden zahlreiche Hypothesen und Vorschläge aufgestellt, die jedoch größtenteils alle anhand experimentell erhaltene Daten wieder verworfen wurden. Der Mechanismus, der bis heute als korrekt angesehen wird, soll im Folgenden anhand der Vinylierung von Alkoholen illustriert und beschrieben werden.[3]
Die Vinylierung findet im stark basischen Milieu statt. Meist verwendet man festes Kaliumhydroxid, Kalilauge oder die Kaliumalkoholate der entsprechenden Alkohole als basische Katalysatoren. Für gewöhnlich werden diese vor der Reaktion separat hergestellt. Als ersten Reaktionsschritt beobachtet man die Deprotonierung des Alkohols an der acidenHydroxygruppe zum entsprechenden Alkoholat, welches als sehr gutes Nucleophil das Acetylen-Molekül angreift. Über eine nukleophile Addition wird dabei ein Carbanion als reaktive Zwischenstufe erhalten. Dieses wird durch das im ersten Schritt abgespaltene Wasser (falls KOH verwendet wurde) bzw. Alkoholmolekül (falls KOR' verwendet wurde) protoniert, wobei der Katalysator zurückgebildet wird und ein Vinylether, eine Untergruppe der Enolether, entsteht.[4]
Besondere technische Bedeutung hat die Vinylierung zur Herstellung von Vinylethern aus Alkoholen. Diese werden in vielfältiger Weise als Monomere für zahlreiche Polymere, Copolymeren, Lacken, Beschichtungsmitteln und UV-Härtern. Wichtige Vertreter hierbei sind N-Vinyl-2-pyrrolidon, N-Vinylcaprolactam, 1-Vinylimidazol sowie zahlreiche vinylierte niedere aliphatische Alkohole.