Das Mittelgebirge ist eine Siedlungsregion Nordtirols. Es stellt sich als eine Terrassenlandschaft im mittleren Inntal dar, die den Talboden um etwa 100 bis 500 Meter überragt.
Sowohl im NordtirolerInntal wie auch im Südtiroler Eisack- und Etschtal finden sich ausgeprägte Hangschultern, die einen ausgezeichneten Siedlungsraum darstellen. Diese werden ortsüblich als Mittelgebirge bezeichnet (und sind vom heute allgemein verbreiteten Begriff des Mittelgebirges als Gebirgszug zu unterscheiden, obschon sie dessen Stammbegriff darstellen). Dazu gehören in Nordtirol:
Alle drei Teile des südlichen Mittelgebirges bilden heute auch Planungsverbände des Landes, Entwicklungsregionen für die regionale Raumordnung,[3] (mit Ausnahme der Innsbrucker Stadtteile), die Gemeinden des nördlichen Mittelgebirges gemeinsam mit Hall und den Talorten (Hall und Umgebung). Zusammen kooperieren sie im Verband Innsbruck und Umgebung.
Geologie und Geomorphologie
Die Mittelgebirgsterrassen des Inntals bilden eine geologische Besonderheit des Inngletschers, die gut untersucht ist.[4] Hier liegen Breccien und Konglomerate über älteren eiszeitlichen Moränen und von jüngeren überdeckt, weshalb sie dem Mindel-Riß-Interglazial (vor etwa 330.000 Jahren) zugeordnet werden (Nachweis im Höttinger Geologenstollen 1910). Es handelt sich um die Höttinger Brekzie im nördlichen und das Ampasser Konglomerat im südlichen Mittelgebirge. Darüber liegen nacheiszeitliche Formationen, die als Terrassensedimente des Tiroler Mittelgebirgs bezeichnet werden, mächtige limnofluvatile Ablagerungen, die die Taleingänge der Seitentäler versperren und auch das Achental vom Inntal abgeriegelt haben. Darin liegen teilweise auch Tone, die auf vorübergehende Verbauung des Urinns durch Schuttströme der Seitentäler und Stauseen zurückgehen. Die Moorgebiete etwa um Lans und Vill (Lanser See, Viller Moor) oder der Wirtssee bei Grinzens[5] sind aus Toteisresten entstanden.
Die geologischen Verhältnisse der anderen Terrassen sind analog, teilweise sind sie aber direkter Gletscherschliff im Fels (Sonnenterrasse, Seefeld), oder, wie am Angerberg, eine glaziale Furchenlandschaft mit Mischung aus Fels und Sediment.[6] Die spätglazialen Terrassensedimente sind von Landeck bis Kufstein weitgehend geschlossen vorhanden.
Während sich das westliche Mittelgebirge eher einheitlich darstellt, ist das südöstliche in mehrere Höhenstufen mit Terrassen und Taleinschnitten gegliedert. Das nördliche Mittelgebirge ist um Innsbruck weniger ausgeprägt als das südliche und ebenfalls durch Täler gegliedert, ab dem großen Schuttkegel des Halltals (Mils und Hall), wo das südliche Plateau gegenüber am Voldertal endet, im Gnadenwald wieder deutlich und kompakt – dieser Abschnitt wird auch speziell Gnadenwalder Terrasse genannt.
Taleinwärts, wo das Nordufer durch die Martinswand geprägt ist, setzt sich das Terrassenland hinter Zirl wenig prägnant auf beiden Talseiten fort, talauswärts setzt sich das Mittelgebirge am Südrand des Inntals nach einer Unterbrechung bei Volders und Wattens bei Weerberg fort. Am nördlichen Inntalrand setzt sich die Gnadenwalderterrasse nach einer Unterbrechung durch das Vomper Loch im Bereich Vomperberg fort und läuft östlich des Stallentales nördlich von Stans aus.[7]
Siedlungsgeschichte und Infrastruktur
Da man heute annimmt,[8] dass in der Vorzeit – bis auf begünstigte Trockenlagen – nicht primär die Talungen, sondern die Bergräume der Alpen zuerst besiedelt wurden, bilden diese Terrassen wohl den eigentlichen Siedlungskern des Inntals: Die Talböden waren nacheiszeitlich durchwegs versumpft und landwirtschaftlich ebenso ungeeignet wie als Verkehrsweg; die eigentliche Trockenlegung und Besiedlung der Talräume – zumindest in Städten wie Innsbruck seit der Römerzeit kontinuierlich – findet erst im 18. Jahrhundert durch großangelegte Flussregulierungen und Drainagierungen ihren Abschluss, wodurch sie zum alpinen Hauptsiedlungsraum werden; auch die alten Säumerwege verlaufen durchwegs an den Hängen und Terrassen (Höhenwege). Die schon bronzezeitliche Dauerbesiedlung der Höhenlagen ist im Raum Innsbruck etwa am Goldbichl bestens nachgewiesen.
Das Namensgut der Orte auf dem Mittelgebirge ist durchwegs teils vorrömisch („illyrisch“, korrekt alpenkeltisch: breonisch/rätisch), teils aus der Römerzeit (ab 15 n. Chr., latein/rätoromanisch), was die Kontinuität der Besiedlung jedenfalls der letzten zwei Jahrtausende belegt.
Bis in das 20. Jahrhundert hinein durchwegs ländlich, haben sich die Orte bis heute ihren dörflichen Charakter bewahrt, nur direkt um Innsbruck (Igls, Mühlau, Arzl, Rum, Thaur) sind sie zur bevorzugten Villenlage geworden. Die ansässige Bevölkerung pendelt heute großteils in das Inntal ein. Außerdem bildet es einen bedeutenden Naherholungsraum und hat mit Hungerburgbahn (zum Hafelekar), Patscherkofelbahn und Muttereralmbahn (mit Anschluss an die Axamer Lizum) auch überregional bedeutende Tourismuseinrichtungen. Das südöstliche Plateau ist bei Innsbruck durch die Mittelgebirgsbahn (Straßenbahnlinie 6) erschlossen.
Tiroler Mittelgebirge (Detail aus Franzisco-Josephinische Landesaufnahme, um 1898–1905, Blatt 29–47 Innsbruck; Talboden grau, Terrassenland lindgrün)
Literatur
Günter Krewedl: Die Vegetation von Naßstandorten im Inntal zwischen Telfs und Wörgl Grundlagen für den Schutz bedrohter Lebensräume (= Berichte des Naturwissenschaftlich-Medizinischen Vereins in Innsbruck. Supplementum 9). Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1992, Kapitel 2.4. Das Inntal und seine Terrassen, S. 9 ff (zobodat.at [PDF], dort S. 19 ff).
↑ abdie Terrassencharakteristik setzt sich auch in das untere Wipptal hinein fort, siehe etwa diese Ansicht von Patsch taleinwärts (Bild der Wikimedia).
↑ abHans Bobek: Die jüngere Geschichte der Inntalterrasse und der Rückzug der letzten Vergletscherung im Inntal. In: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt. Jahrgang 85, Wien 1935, S. 135–189 (zobodat.at [PDF]); Darstellung folgt Rudolf Oberhauser, Franz Karl Bauer: Der Geologische Aufbau Österreichs. Springer, 1980, ISBN 3-211-81556-2, Kapitel 3.13.2.2. Das Tiroler Inntal. S. 490, Sp. 2 ff.
↑vergl. zum aktuellen Wissensstand: Werner Bätzing: Die Alpen. Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft. 2. Auflage. C.H. Beck, 2003, ISBN 3-406-50185-0, Kapitel 2. Frühe Formen der menschlichen Alpennutzung, S. 44 ff. Frühe Datierung etwa: Klaus Oeggl, Kurt Nicolussi: Prähistorische Besiedlung von zentralen Alpentälern in Bezug zur Klimaentwicklung. alpine space - man & environment, vol. 6: Klimawandel in Österreich, iup • innsbruck university press 2009, ISBN 978-3-902571-89-2 (@1@2Vorlage:Toter Link/www.uibk.ac.at (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) pdf, uibk.ac.at).