Thea von Harbou wurde als Tochter des Rittergutsbesitzers Baron Theodor von Harbou (1848–1913) und dessen Frau Clotilde Constance, geb. d’Alinge (1857–1938), in Tauperlitz (Kreis Hof) geboren.[2] Ihr älterer Bruder war der Standfotograf und Schauspieler Horst von Harbou. Thea von Harbou unternahm ihre ersten literarischen und schauspielerischen Gehversuche schon in früher Jugend im Luisenstift[3] in Niederlößnitz bei Dresden.[4] Im Laufe der Jahrzehnte wurde sie eine der bekanntesten Unterhaltungsschriftstellerinnen des späten Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Ihre Schauspielkarriere führte sie unter anderem an Theater in Aachen, Chemnitz, Düsseldorf und München.
Sie begann ihre Arbeit beim Film als Drehbuchautorin nach dem Ersten Weltkrieg und entwickelte sich schnell zur bedeutendsten Vertreterin ihrer Branche. Sie schrieb für Joe May, Carl Theodor Dreyer, Arthur von Gerlach, Friedrich Wilhelm Murnau und Fritz Lang. Von 1914 bis 1921 war sie mit dem Schauspieler Rudolf Klein-Rogge verheiratet. Bereits 1918 trennte sie sich von ihm, unterstützte ihn jedoch weiterhin durch die Beschaffung von Engagements in ihren Filmen. Klein-Rogge übernahm die Hauptrolle in dem Zweiteiler Dr. Mabuse, der Spieler (1921), zu dem Harbou das Drehbuch verfasste. Am 26. August 1922 heiratete Harbou Fritz Lang, den Regisseur dieses Films, den sie 1919 durch ihre Drehbuchtätigkeit kennengelernt hatte, und schrieb von nun an alle seine Drehbücher bis zu dessen Emigration 1933. Als weitere, auch heute noch bekannte, gemeinsame Filmprojekte sind der Zweiteiler Die Nibelungen (1924) oder M (1931) zu nennen. Im Gedächtnis bleibt Thea von Harbou vor allem durch den Film Metropolis, für den sie parallel zu ihrem gleichnamigen Roman das Drehbuch verfasste.
Die Arbeitsgemeinschaft zwischen Fritz Lang und Thea von Harbou hielt zwar bis zum Jahr 1933, die Ehe brach aber viel früher auseinander. Ein Auslöser für die Trennung war die Liaison von Fritz Lang mit der Schauspielerin Gerda Maurus. Zudem lernte Thea von Harbou beim Schnitt des Films Das Testament des Dr. Mabuse den Inder Ayi Tendulkar kennen, mit dem sie in den folgenden Jahren zusammenlebte. Die Scheidung von Lang und Harbou erfolgte im April 1933. Harbou führte 1933 und 1934 bei zwei Filmen Regie (Verfilmung von Gerhart Hauptmanns Drama Hanneles Himmelfahrt[5] und des Films Elisabeth und der Narr[6]), kehrte jedoch zu ihrem eigentlichen Metier zurück. In der Zeit des Nationalsozialismus war sie eine vielbeschäftigte Autorin. Anfang 1933, nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, wurde sie Vorsitzende des offiziellen, gleichgeschalteten Verbandes deutscher Tonfilmautoren. Am 8. Januar 1940 beantragte sie die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 1. April desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 8.015.334).[7][8]Rolf Italiaander berichtet in seinem Tagebucheintrag vom 19. April 1945, wie er sie am Bahnhof Zoo antrifft, unter dem Parteiabzeichen ein Kriegsverdienstkreuz tragend. Sie sei zu diesem Zeitpunkt noch voller Siegeszuversicht gewesen. „Diese Dame ist jedenfalls ihrem Führer noch immer verfallen.“[9] Im Zuge der Entnazifizierung war sie 1945 kurz im Lager Staumühle interniert; hier soll sie Theateraufführungen für die Insassen geleitet haben.[10] Ab 1948 war Harbou in Deutschland wieder für den Film im Bereich Synchronisation ausländischer Filme tätig.
Am 26. Juni 1954 nahm Thea von Harbou an einer nächtlichen Aufführung des Films Der müde Tod (1921) teil, der auf einem ihrer Drehbücher basierte und im Rahmen der Berlinale gezeigt wurde, und sprach dort über das Werk. Beim Verlassen des Filmtheaters stürzte sie auf einer Treppe und zog sich so schwere innere Verletzungen zu, dass sie fünf Tage später im Alter von 65 Jahren in einem Berliner Krankenhaus verstarb.[12] Die bereits vorgesehene Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an sie kam so nicht mehr zustande.[13]
Die Beisetzung erfolgte auf dem landeseigenen Friedhof Heerstraße im heutigen Ortsteil Berlin-Westend.[14] Auf Beschluss des Berliner Senats ist die letzte Ruhestätte von Thea von Harbou (Grablage: 6-H-10) seit 1980 als Ehrengrab des Landes Berlin gewidmet. Die Widmung wurde 2001 um die übliche Frist von zwanzig Jahren verlängert.[15]
Die nach uns kommen. Roman. Cotta, Stuttgart u. a. 1910.
Der Krieg und die Frauen. Novellen. Cotta, Stuttgart u. a. 1913.
Von Engeln und Teufelchen. Märchen. Cotta, Stuttgart u. a. 1913.
Der unsterbliche Acker. Ein Kriegsroman. Cotta, Stuttgart u. a. 1915.
Die Masken des Todes. Sieben Geschichten in einer. Cotta, Stuttgart u. a. 1915.
Du junge Wacht am Rhein! Cotta u. a. 1915.
Deutsche Frauen. Bilder stillen Heldentums. Erzählungen, Leipzig 1915.
Aus Abend und Morgen ein neuer Tag. Erzählungen. Salzer, Heilbronn 1916.
Die deutsche Frau im Weltkrieg. Einblicke und Ausblicke. Hesse & Becker, Leipzig 1916.
Das Mondscheinprinzeßchen. Levy & Müller, Stuttgart 1916.
Die Flucht der Beate Hoyermann. Roman. Cotta, Stuttgart u. a. 1916.
Der belagerte Tempel. Roman. (= Ullstein-Bücher. Bd. 88, ZDB-ID 2591030-9). Ullstein, Berlin u. a. 1917.
Adrian Drost und sein Land. Roman. (= Ullstein 3 M.-Romane. Bd. 61). Ullstein, Berlin u. a. 1918.
Das indische Grabmal. Roman. (= Ullstein 3 M.-Romane. Bd. 54). Ullstein, Berlin u. a. 1918.
Das indische Grabmal. Roman (= Fischer 2705 Bibliothek der phantastischen Abenteuer). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-596-22705-4.
Legenden. Ullstein, Berlin 1919.
Sonderbare Heilige – zehn Novellen. Scherl, Berlin 1919.
Die unheilige Dreifaltigkeit. Salzer, Heilbronn 1920.
Gold im Feuer. Levy & Müller, Stuttgart ca. 1920.
Das Haus ohne Tür und Fenster. Roman. Ullstein, Berlin 1920.
Das Nibelungenbuch. Mit 24 Bildbeilagen aus dem Decla-Ufa-Film „Die Nibelungen“. Drei Masken, München 1923.
Die Insel der Unsterblichen. Roman. Scherl, Berlin 1926.
Mann zwischen Frauen. Novellen. Eichblatt, Leipzig 1927.
Frau im Mond. Roman. Scherl, Berlin 1928.
Frau im Mond. Roman (= Heyne-Bücher 06, Heyne-Science-fiction & Fantasy 4676). Neuausgabe, Taschenbuchausgabe. Mit einem Bildteil und einem Nachwort anlässlich des 20. Jahrestages der 1. Mondlandung am 20. Juli 1969. Heyne, München 1989, ISBN 3-453-03620-4.
Spione. Roman. Mit 16 Bildern aus dem gleichnamigen Film. Scherl, Berlin 1928.
Karin Bruns: Kinomythen 1920–1945. Die Filmentwürfe der Thea von Harbou. Metzler, Stuttgart u. a. 1995, ISBN 3-476-01278-6 (Zugleich: Essen, Universität, Dissertation, 1993: Thea von Harbou.).
Karin Bruns: Talking Film. Writing Skills and Film Aesthetics in the Work of Thea von Harbou. In: Christiane Schönfeld, Carmel Finnan (Hrsg.): Practicing Modernity. Female Creativity in the Weimar Republic. Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-3241-1, S. 139–152.
Nicole Giannotti: Die Drehbuchautorin Thea von Harbou (1888–1954) : eine Biografie, Berlin : Peter Lang, 2022, ISBN 978-3-631-89115-5
Ernst Gortner: Schattenmund. Die kinematographischen Visionen der Thea Gabriele von Harbou. In: Bernd Flessner (Hrsg.): Visionäre aus Franken. Sechs phantastische Biographien. Schmidt, Neustadt an der Aisch 2000, ISBN 3-87707-542-8, S. 65–99.
Andre Kagelmann: Der Krieg und die Frau. Thea von Harbous Erzählwerk zum Ersten Weltkrieg. Media Net-Edition, Kassel 2009, ISBN 978-3-939988-04-5 (Zugleich: Köln, Universität, Dissertation, 2008).
Reinhold Keiner (Hg.): Thea von Harbou. Die Frau, die METROPOLIS schrieb. Texte & Interviews. Kassel: MEDIA Net-Edition 2021. ISBN 978-3-939988-25-0
Reinhold Keiner: „Lady Kitschener“ und ihr Autor. Walter Reimanns Filmmanuskripte. In: Hans-Peter Reichmann (Red.): Walter Reimann – Maler und Filmarchitekt (= Kinematograph. Nr. 11). Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-88799-055-2, S. 134–143.
Reinhold Keiner: Thea von Harbou und der deutsche Film bis 1933 (= Studien zur Filmgeschichte. Bd. 2). Olms, Hildesheim u. a. 1984, ISBN 3-487-07467-2.
Stefan Schaaf: Thea von Harbou Skizzenbuch – Frühe Werke und Quellen. BoD – Books on Demand, Norderstedt 2020, ISBN 978-3-7519-8339-6. Mehr auf Thea-von-Harbou.de.
Anna Maria Sigmund: Thea von Harbou. Die Königin der NS-Drehbücher. 27. Dezember 1888 – 2. Juli 1954. In: Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis. Die drei Bestseller vollständig aktualisiert in einem Band Aktualisierte Taschenbuch-Gesamtausgabe. Heyne, München 2005, ISBN 3-453-60016-9, S. 865–924.
Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn, Wolfgang Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-02453-2, S. 522.
Ernst Klee: Thea von Harbou. In: Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5.
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 3: F – H. John Barry Fitzgerald – Ernst Hofbauer. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 522 f.
↑Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 215–216.
↑Rolf Italiaander, Arnold Bauer, Herbert Krafft: Berlins Stunde Null 1945. Droste, Düsseldorf 1979, ISBN 3-7700-0549-X, S.16.
↑Walter Steinecke: Auf der Insel Staumühle. Abraxas-Verlag, Lemgo 1955, S.74f.
↑Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone: Liste der auszusondernden Literatur. 2., Nachtrag. Deutscher Zentralverlag, Berlin 1948, S. 104–134, Nr. 2881.
↑eine romanhafte Unterstützung der zu dieser Zeit angepeilten NS-Indienpolitik gegen den britischen Kolonialismus. Zu dieser Zeit waren die Deutschen der Ansicht, dass nicht nur Persien, wegen der „Arier“, zu ihrem Machtbereich gehört, sondern auch das anschließende Indien. Erst dahinter sollte dann die japanische Machtsphäre bei der Neuaufteilung der Welt beginnen