Als 1970 Herbert W. Franke, ein Sachbuchautor der Verlagsgruppe, dem Haus einen Science-Fiction-Roman anbot, erinnerte man sich daran, dass Jeschke sich seit Jahren mit SF beschäftigte, und bat ihn um ein Urteil.[3] Daraus entstand die von Jeschke herausgegebene Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Lichtenberg Verlag, in der nicht nur Frankes Roman Zone Null erschien, sondern auch Jeschkes eigene Kurzgeschichtensammlung Der Zeiter. In der Edition wurden einige bedeutende Autoren erstmals in Deutschland in vollständigen, nicht aufs Heftchenformat heruntergekürzten Ausgaben zugänglich gemacht, wie Robert Silverberg, Thomas M. Disch und Brian W. Aldiss. Als am Jahresende 1972 die Stelle des SF-Lektors und -Herausgebers im Heyne-Verlag frei wurde, übernahm Jeschke – anfangs zusammen mit Herbert W. Franke – diese Position, zunächst als freier Mitarbeiter.
Jeschke trug ab den 1970er Jahren maßgeblich dazu bei, dass wichtige Texte der Science Fiction in Deutschland ungekürzt in deutscher Übersetzung erschienen. Er hatte großen Anteil an der Etablierung der Gattung, unter anderem auch als Herausgeber zahlreicher Anthologien.
„Er holte die Science Fiction aus dem Ghetto der »Schundliteratur«, ließ sie reifen und erwachsen werden.“
Der Erfolg der Reihe Heyne Science Fiction und Fantasy führte zu einer steigenden Zahl von Titeln, so dass Jeschke 1978 seinen Abschied bei Kindler nahm und ausschließlich Lektor bei Heyne wurde. Nach dem Weggang Frankes 1979 war er alleinverantwortlicher Redakteur für Science Fiction bei Heyne und blieb es bis 2002, als er in den Ruhestand ging. In dieser Zeit brachte er Texte weiterer Autoren nach Deutschland, wie Der stählerne Traum von Norman Spinrad, den er auch intensiv während des Rechtsstreits aufgrund der Indizierung des Romans betreute.[5]
Jeschke interessierte sich bereits seit den 1950er Jahren für Science-Fiction und gehörte zu den ersten Mitgliedern des 1955 gegründeten SFCD. Erste Kurzgeschichten erschienen in Fan-Magazinen und semiprofessionellen Publikationen, und mit Ad astra gab er, zusammen mit Peter Noga, auch ein eigenes Fanzine heraus. In den Jahren seiner Tätigkeit als Redakteur und Herausgeber kam er wenig zum Schreiben, so dass sein Werk relativ schmal blieb. Es wurde jedoch stark beachtet und etliche seiner Texte wurden ausgezeichnet. Kennzeichnend für seine SF-Texte ist die atmosphärische Dichte der geschilderten Szenarien, die psychologischen Dimensionen der Protagonisten und das Thema „Zeitreise“ in allen Variationen. Dabei verlässt er auch die Konventionen des Erzählens und montiert fiktive Dokumente zusammen (Dokumente über den Zustand des Landes vor der Verheerung) oder liefert eine Liste, die aus ebenso fiktiven geschichtlichen Ereignissen besteht (Die cusanische Acceleratio). Sein erster Roman Der letzte Tag der Schöpfung wurde mehrfach übersetzt und immer wieder nachaufgelegt; er schildert den Versuch, die Geschichte zu korrigieren, und sein grandioses Scheitern. Jeschke ist auch als Hörspielautor hervorgetreten, wobei es einige dieser Stoffe auch als Erzählungen gibt.
1961 Pater Ramseys Totenmessen, in Munich Round-Up, Nr. 56 (Beilage)
1974 I Love Bombay 1980 (Gedicht)
1975 Denkmodelle (Gedicht)
1976 Seveso (Gedicht)
1976 Sterne (Gedicht)
1976 Aufbruch (Gedicht)
1979 Begegnung, in Gedankenkontrolle (o. Hrsg., Das Neue Berlin, Auszug aus Unweit Toulouse)
1980 Nackt zum Gipfel, auch Yeti, in Playboy, Nr. 4/1980
1980 Anachronismen, oder Die Flöte des heiligen Veit, in: Frank Flügge (Hrsg.): Utopia. SFCD-Sonderdruck 2/1980 (Auszug aus Der letzte Tag der Schöpfung)
1981 Dokumente über den Zustand des Landes vor der Verheerung, in Science Fiction Story Reader 15
1982 Osiris Land, in Arcane (hrsg. zus. mit Helmut Wenske)
1988 Lexikon der Science Fiction Literatur, erweiterte und aktualisierte Neuausgabe in einem Band. Mit Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs und Ronald M. Hahn, Heyne Verlag, ISBN 3-453-02453-2
Jeschke verantwortete als Herausgeber bzw. Redakteur einen Teil der deutschen Übersetzungen der Sammelbände an SF-Stories, die den Nebula Award erhalten hatten.
US-Erscheinungs- datum
US-Titel
Deutsche Äquivalenz- veröffentlichungen
1966
Nebula Award Stories 1965 (auch als: Nebula Award Stories 1)
Teil 1:
Computer streiten nicht (Lichtenberg 1970, Heyne 1973)
Teil 2:
Der Gigant (Lichtenberg 1971)
Panne in der Hölle (Heyne 1973; leicht gekürzt)
1967
Nebula Award Stories Two
Der Tag Milion (Lichtenberg 1971, Heyne 1974)
1968
Nebula Award Stories 3
Eispiloten (Lichtenberg 1971)
Der vierte US-Band der Reihe hatte keine direkte Entsprechung, allerdings erschien 1972 eine eigene deutsche Auswahl aus dem zweiten und vierten Band unter dem Titel Steigen Sie um auf Science Fiction im Kindler Verlag, bei dem Jeschke bis zu seinem 1972 erfolgenden Wechsel zu Heyne wirkte. Die Bände 5–10 der US-Reihe erschienen erst Anfang der 1980er Jahre ohne Beteiligung Jeschkes auf Deutsch im Rahmen der Reihe Playboy Science Fiction im Moewig Verlag.
Bei den Bänden 1–5 handelte es sich um eine deutsche Übersetzung der von 1953 bis 1959 von Frederik Pohl in den USA herausgegebenen Anthologie Star Science Fiction mit damals aktuellen SF-Stories.
Bei den Bänden 6–16 handelte es sich um eine Übersetzung der im US-Original zweibändigen, 1970 und 1973 erschienenen The Science Fiction Hall of Fame. Das Konzept der US-amerikanischen Bände bestand darin, klassische SF-Stories zu versammeln, die extra für diese Veröffentlichung von offiziellen Mitgliedern der Science Fiction Writers of America (SFWA) per Abstimmung als die besten, vor 1965 erschienenen SF-Werke bestimmt worden waren. Das Jahr 1965 war hierbei bewusst gewählt, da erst ab diesem Jahr der Nebula Award als erster seriöser SF-Preis für aktuelle Werke vergeben wurde.
Die von Robert Silverberg herausgegebenen Bände der deutschen Reihe entsprachen dem 1970 herausgegebenen ersten US-Band, der sich den besten SF-Kurzgeschichten widmete, die zwischen 1929 und 1964 erschienen waren.
Die von Ben Bova herausgegebenen Bände der deutschen Reihe entsprachen dem 1973 herausgegebenen zweiten US-Band, der sich den besten SF-Novellen und -Kurzromanen widmete, die zwischen 1895 und 1962 erschienen waren.
Beim Band 17 handelte es sich um eine eigene Zusammenstellung von Jeschke und Ronald M. Hahn an Stories, die 1926–29 in Amazing Stories erschienen waren, dem ersten US-amerikanischen Magazin, das ausschließlich der SF gewidmet war. (Eine der hier enthaltenen Stories, Der verrückte Planet von Murray Leinster, war allerdings vor der Veröffentlichung in Amazing bereits zuvor schon 1920 im Pulpmagazin Argosy erschienen, das sich allgemein auf Abenteuergeschichten spezialisiert hatte.) Der Untertitel dieses Bandes lautete "Die berühmtesten SF-Erzählungen der 20er Jahre".
Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan. beste Kurzgeschichte 1993
Das Cusanus-Spiel. bester Roman 2006
Orte der Erinnerung. beste Kurzgeschichte 2011
Dschiheads. bester Roman 2014
Kritik
„Was sich in der Inhaltsangabe wie ein gradliniger und spannungsgeladener Thriller ohne Haken und Ösen ausmacht, erweist sich in der literarischen Form als ein subtiler, nicht auf vordergründige Effekte setzender Roman mit einem humanistischen Anliegen. Wie Menschen benützt werden, wie Menschen mit Menschen umgehen, ist das eigentliche Thema. Die Frage, was eigentlich den 'echten' Menschen ausmacht, wirft Jeschke in der genialen Schlüsselszene auf …“
– Thomas Tilsner über Midas oder Die Auferstehung des Fleisches[10]
„Romantisch in ihrer Mischung aus Exotik, Zivilisationsskepsis und melancholischer, gleichwohl trostverheißender Symbolik ist schließlich auch die Grundstimmung des Buches. Wolfgang Jeschke ist einer der wenigen zeitgenössischen deutschen Autoren, die den SF-spezifischen Sense of wonder zu evozieren vermögen, durchaus auch mit jener Spur Eskapismus, der doch wie mit Gummischnüren an der Wirklichkeit haftet. Ganz ähnlich wirkte seinerzeit sein – narrativ freilich anders strukturiertes und wohl auch optimistischeres – Osiris Land, desgleichen finden sich in Der letzte Tag der Schöpfung… solche visionären Entwürfe und Szenen.“
Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn, Wolfgang Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-02453-2, S. 582–585.
Hartmut Kasper, Alexander Seibold: Warum sollte ich es dem Leser leicht machen? Ein Gespräch mit Wolfgang Jeschke. In: Das Science Fiction Jahr 2006. München 2006, ISBN 3-453-52183-8, S. 735–769.
Waldtraut Lewin: Der reproduzierbare Mensch. In: Berliner Lesezeichen. Band 4, Heft 7, 1996, ISSN0945-0106, S. 37–39 (über Midas oder Die Auferstehung des Fleisches).
Michael Matzer: Science Fiction von innen. In: Flugasche. Nr. 24, 1987 (Interview mit Wolfgang Jeschke).
Hartmut Panskus: Interview mit Wolfgang Jeschke und Rolf Heyne. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Nr. 37, 1985.
Anja Rebhann: Von Außen- und Innenräumen. Eine Analyse zeitgenössischer deutschsprachiger Science-Fiction-Literatur. [Zu: Das Cusanus-Spiel] Aisthesis, Bielefeld 2013, ISBN 978-3-89528-974-3.
Franz Rottensteiner: Wolfgang Jeschkes Kurzprosa. In: Franz Rottensteiner: Im Labor der Visionen. Anmerkungen zur phantastischen Literatur. 19 Aufsätze und Vorträge aus den Jahren 2000–2012. Verlag Dieter van Reeken, Lüneburg 2013, ISBN 978-3-940679-72-7, S. 199–204.
Franz Rottensteiner: Dschiheads. In: Quarber Merkur. Franz Rottensteiners Literaturzeitschrift für Science Fiction und Phantastik. Band 115, 2014, ISBN 978-3-934273-94-8, S. 194–196.
Franz Rottensteiner: Jeschke, Wolfgang. In: Lexikon der Science Fiction-Literatur seit 1900. Mit einem Blick auf Osteuropa, herausgegeben von Christoph F. Lorenz, Peter Lang, Frankfurt/Main 2016, ISBN 978-3-631-67236-5, S. 359–366.
Christina Stange-Fayos: Spécificités et difficultés de la traduction de textes de science-fiction. À l’exemple du roman de Wolfgang Jeschke, Das Cusanus-Spiel. In: Traduire, adapter, transposer (= Cahiers d’études germaniques. Nr. 56). 2009, ISSN0751-4239, S. 153–166 (französisch).
↑Vgl. Der Golem. Jahrbuch zur phantastischen Literatur 1989, hrsg. von Harald Junker, Udo Klotz und Gerd Rottenecker, Freiberg 1990, ISSN0937-5880, S. 94.
↑Vgl. Das Science Fiction Jahr 1997, Wilhelm Heyne Verlag, München, ISBN 3-453-11896-0, S. 786.