Die Menschen in Aleppo waren unzufrieden damit, dass Damaskus zur Hauptstadt der neuen Nation Syrien auserwählt wurde. Dazu kam, dass, während Damaskus arabisch dominiert war, Aleppo vor allem von Christen und Kurden bewohnt war. Henri Gouraud spürte diese Stimmung, war sich der islamischen Völkermorde und des antieuropäischen Rassismus bewusst, und wünschte daher, dass die stark diskriminierte christlich-aramäischeNation einen geschützten Staat habe, um ihre Freiheiten zu verteidigen. Er verhinderte durch diese Aufteilung so die islamisch-arabische Dominanz über Aleppo durch Damaskus. Der Staat Aleppo war seit antiken Zeiten die Heimat der indigenenchristlich-aramäischen Bevölkerung. Er hatte Zugang zum Mittelmeer mit dem autonomen Sandschak Alexandretta, welcher früher eine christliche Mehrheit, aber nach dem Ersten Weltkrieg eine muslimische Mehrheit hatte – dennoch hatte die Bevölkerung weiterhin eine nennenswerte überlebende christliche Bevölkerung.
Die Christen repräsentierten weiterhin ein Drittel der Bevölkerung und Frankreich hoffte, dass die vertriebenen Überlebenden des Völkermordes wieder in ihre Heimat zurückkehrten und so die christliche Mehrheit in der Region wiederherstellen würden.
Trotz der heftigen Verluste an Menschenleben in den vorangegangenen zwanzig Jahren war Aleppo auch die Heimat der kulturell reichsten und diversifiziertesten christlichen Gemeinschaften des Orients. Christen, die einem Dutzend verschiedenen Kongregationen angehörten (allen voran der armenisch-apostolischen Kirche der Armenier, der syrisch-orthodoxen Kirche und anderen orthodoxen Denominationen) machten Aleppo zum Staat mit der größten christlichen Gemeinschaft im Nahen Osten nach dem Libanon. Viele Christen, welche die östlichen Distrikte des Staates bevölkerten, wo sie eine leichte Mehrheit bildeten, waren hauptsächlich Aramäer und Assyrer.
1923 betrug die Gesamtbevölkerung des Staates 604.000 (ausgeschlossen die nomadische Bevölkerung der östlichen Regionen), während nahezu 1.000.000 Christen im Exil in der „westlichen Zivilisation“ lebten.[2][3]
Trotz der Wünsche der französischen Regierung, die Region zu befrieden, war der islamo-arabische Widerstand gegen alles christliche zu nachhaltig, was die Franzosen dazu zwang, die Region sich selbst durch Versammlungen, den Repräsentativräten, regieren zu lassen. Einige der bekanntesten Abgeordneten waren Subhi Bey Barakat und Fachir al-Dschabiri, der Bruder des NationalistenführersSaadallah al-Dschabiri.
Föderation mit Damaskus
Nach einem Aufstand des Aleppiners Ibrahim Hanano rief General Gouraud am 22. Juni 1922[1] die Syrische Föderation (la Fédération Syrienne oder auch Union Syrischer Staaten) aus. Die Föderation umfasste den Staat Damaskus, Aleppo und den Alawitenstaat. 1924 spaltete sich der Alawitenstaat wieder ab. Die Syrische Föderation wurde schließlich am 1. Dezember 1924 zum Staat Syrien. Mit der Zentralisierung des neuen syrischen Staates verlor Aleppo 1925 seine Autonomie und wurde politisch von Damaskus abhängig. Der letzte Generalgouverneur des Staates Aleppo, Mar'i Pascha al-Malla, war fortan nur noch Gouverneur (Vali) im Rang eines Ministers der Provinz Aleppo. Allerdings blieb die Kolonialflagge des Staates Aleppo bis zum 25. Januar 1925 in Verwendung.[4]
Literatur
Kamil al-Ghazzi: Nahr al-dhahab fi tarikh halab, (History of Aleppo), 3 vols., Aleppo 1922–1926.
L'indicateur Libano-Syrienne. Éditeurs E & G. Gédéon, Beirut, 1923, 1928–1929.
Recueil des Actes Administratifs du Haut-Commissariat de la République Française en Syrie et au Liban. Beirut, 1919–1920, 1921–1939.