St. Joseph (Josephsplatz 1) befindet sich am östlichen Ende des Josephsplatzes an der Nordgrenze der Maxvorstadt zum Stadtbezirk Schwabing-West. Ihr Turm ist Fluchtpunkt der Augustenstraße, einer der wichtigsten Süd-Nord-Verbindungen der Maxvorstadt. Sie nimmt eine dominierende Rolle der nördlichen Maxvorstadt ein.
Geschichte
Nachdem die Maxvorstadt bis 1900 vollständig bebaut war, wurde die Frage nach neuen Pfarreien für die Menschen in den Neubaugebieten akut. Daher regte der Pfarrer von St. Ludwig an, im Bereich des heutigen Josephsplatzes eine weitere Kirche zu errichten. 1896 bat daher das Erzbistum München und Freising das Provinzkapitel der Kapuziner, einen Konvent zu errichten, deren Ordenskirche eine neue Seelsorgestelle angegliedert werden sollte. Bald nach Zusage errichteten die Kapuziner einen Konvent in der nördlichen Maxvorstadt. 1898 wurde der Grundstein zur Pfarrkirche gelegt. Am 15. Juni 1902 erfolgte die Weihe durch Erzbischof Franz Josef von Stein. St. Joseph wurde zugleich Filialkirche von St. Ludwig. Am 19. September 1913 erhob Erzbischof Franz von Bettinger St. Joseph zur Pfarrei und vertraute die Seelsorge den Patres des Kapuzinerordens an, die sie lange Zeit wahrnahmen.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde St. Joseph bei einem Luftangriff am 13. Juni 1944 durch Volltreffer zweier Sprengbomben nahezu zerstört; allein der Turm wies geringe Schäden auf. Dabei ging auch die gesamte Innenausstattung verloren, deren kunsthistorisch bedeutsamste Stücke die 14 monumentalen Kreuzwegstationen von Gebhard Fugel waren.
In der stark zerstörten Maxvorstadt – rund dreiviertel der Bevölkerung war obdachlos – dienten zuerst Kellerräume als Notkirche. 1946 wurde eine hölzerne Notkirche auf dem Josephsplatz errichtet. Nachdem der Wiederaufbau der neobarocken Kirche beschlossen worden war, wurde mit der Beseitigung des Schutts aus dem Kirchenschiff 1950 der Wiederaufbau begonnen. Mit der Weihe des Hochaltars am 6. Juli 1952 durch Weihbischof Anton Scharnagl war er abgeschlossen.
1966 goss Karl Czudnochowsky fünf Glocken. Die Schlagtonfolge a0–cis1–e1–fis1–gis1 ist auf die der evangelischen Kreuzkirche abgestimmt. Die große Dreifaltigkeitsglocke wiegt 2.963 kg. Alle Glocken hängen im Oktogon und erklingen jeden Sonntag im Plenum vor dem Hauptgottesdienst.
1984 bis 1990 erfolgte eine Generalsanierung, die den Nachkriegsbau in seiner Substanz stabilisierte. Gleichzeitig erhielt das Tonnengewölbe zarten Stuck und dekorative Rosetten. Somit ist der neobarocke Raumeindruck in stark reduzierter Form wiederhergestellt.
2022 plant die Erzdiözese München und Freising gemeinsam mit der Kirchenstiftung St. Joseph den Neubau des Pfarrheims, Studierendenwohnungen und Flächen für die katholische Hochschulgemeinde. Als Sieger eines internen Wettbewerbs gingen Bernardo Bader Architekten aus Bregenz hervor. Diese sehen einen klinkerverkleideten Ziegelmassivbau mit Säulenumgang vor, wobei letzterer, entsprechend dem historischen Vorbild, auch entlang des Kirchenschiffes verlaufen soll.[1]
Architektur
Die Kirche wurde als neobarocke, tonnengewölbte Wandpfeilerbasilika mit eingezogenem Polygonchor in beachtlichen Ausmaßen errichtet. Die Länge beträgt 79 Meter, die Breite 31 Meter. Der Gewölbescheitel erhebt sich in 24 Metern Höhe über dem Fußboden der Kirche. Der Turm misst bis hinauf zur Spitze 63 Meter. Der Baukörper steht auf drei Seiten frei. An der Nordseite schließen sich Pfarrhaus bzw. das ehemalige Kapuzinerkloster an. Die nach Kriegszerstörungen im Zweiten Weltkrieg vereinfacht wiederhergestellte Westfassade mit ihrem eingezogenen, dreibogigen Portikus ist von der frühbarocken Fassade des Salzburger Domes inspiriert. Bei der Wiederherstellung wurden die Rundbogenfenster durch Rechteckfenster und der kurvierte Giebel durch einen einfachen Dreiecksgiebel ersetzt. Das vierte Obergeschoss des nördlich abgerückten Turmes ist oktogonal gestaltet und schließt mit Haube und Spitztürmchen nach dem Salzburger Vorbild. Diagonal angeordnet, flankieren gesockelte Voluten als Schmuckformen das tambourartige Turmoktogon. Im Turminneren befindet sich eine Gedenkstätte für die Opfer der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts und für die 21 Mitglieder des katholischen Gesellenvereins der Pfarrei St. Joseph, die aufgrund von „Kommunismusverdacht“ am 6. und 7. Mai 1919 von reaktionären Kräften des FreikorpsBayreuth unter dem Kommando von Wolff von Stutterheim im Keller des Prinz-Georg-Palais gefoltert, ausgeraubt und schließlich ermordet worden waren.
Die Süd- und Nordseite der Kirche wird durch gestelzte Halbkreisöffnungen durchfenstert. Der Ostteil der Kirche schließt mit einem vorspringenden 5/8-Chor mit Rundfenstern. Die teilzerstörte, reiche neobarocke Ausstattung mit zahlreichen Kapellenaltären wurde in der Nachkriegszeit nicht wiederhergestellt.
Vom raumgreifenden Neobarockaltar mit dem Altarbild „Die Verehrung des heiligen Josef mit dem Jesuskind“ von Gebhard Fugel aus dem Jahr 1905 hat sich nur noch die Ölskizze erhalten. Die Komposition ist inspiriert von der Malerei Giovanni Bellinis.
Die Kirche ist der erste große neofrühbarocke Kirchenbau Münchens. Der Innenraum schließt sich gestalterisch an die Münchener St. Michaelskirche in der Neuhauser Straße an und wirkte für die ebenfalls neobarocke Sendlinger Margaretenkirche am Margaretenplatz beispielgebend. Der 63 Meter hohe Turm setzt einen städtebaulichen Schwerpunkt, der sich auf die Sichtachsen der Augusten-, Adalbert- und Adelheidstraße bezieht.[2]
Die Chororgel wurde 1964 als Opus 2087 ursprünglich für St. Gertrud in München von der Firma Steinmeyer gefertigt. Nach zwei Transferierungen über die Bürgersaalkirche (Unterkirche) fungiert das Instrument jetzt hier als Chororgel. Die Disposition lautet wie folgt:
Seit 1965 war an St. Joseph auch das Provinzialat der Bayerischen Provinz der Kapuziner angegliedert. Es befindet sich seit 2013 in den Remisen des Kapuzinerklosters St. Anton in der Isarvorstadt.[5] Mit der Aufgabe des Klosters zogen sich die Kapuziner auch aus der Pfarreiverantwortung für die Pfarrei St. Josef zurück und legten die Pfarreiverantwortung in die Hände der Diözese München und Freising[6].
Das Pfarrgebiet reicht bis nach Schwabing; die Bauerstraße in Norden ist die Grenze zur Schwabinger Pfarrei St. Ursula. Daher wird St. Joseph in öffentlichen Bewusstsein häufiger als Schwabinger Pfarrkirche angesehen, obwohl die Pfarrgemeinde zum größten Teil in der Maxvorstadt liegt. Diese Verwechselung geschieht selbst im Pfarramt (vgl. Festschriften, s. u. Literatur).
Literatur
Friedrich Kobler (Bearb.): Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern IV, München und Oberbayern. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 2006, S. 767 f.
Klaus Gallas: München. Von der welfischen Gründung Heinrichs des Löwen bis zur Gegenwart. Kunst, Kultur, Geschichte. (= DuMont-Kunst-Reiseführer) DuMont, Köln 1979, ISBN 3-7701-1094-3.
Karlheinz Hemmeter: „Wenn’s erst einmal Josephi is’, so endet auch der Winter g’wiss“. Josephstag am 19. März. St. Joseph in der Münchner Maxvorstadt. In: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Denkmalpflege Informationen, Nr. 160 (vom März 2015), S. 114–120.
Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat von St. Joseph (Hrsg.): 75 Jahre Pfarrei St. Joseph München-Schwabing. Selbstverlag, München o. J. (1988?).
P. Karl Kleiner: Pfarrkirche St. Joseph, München-Schwabing. hrsg. vom Kath. Pfarramt St. Joseph, München 1991.
Franz Lurz: Leben im Umkreis von St. Joseph. 100 Jahre Pfarrkirche, 90 Jahre Pfarrei St. Joseph. München 2002.
P. Marinus Parzinger, Elke Reichert: Kirchenführer Sankt Joseph für Kinder und Familien. hrsg. vom Kath. Stadtpfarramt St. Joseph, München 2012.