Dehio ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Weitere Bedeutungen sind unter Dehio (Begriffsklärung) aufgeführt.
Das Dehio-Handbuch (auch „Der Dehio“) ist ein anlässlich des Tags der Denkmalpflege von 1900 von dem deutschen Kunsthistoriker Georg Dehio geschaffenes, beschreibendes Verzeichnis (Kunstführer) der kunsthistorisch bedeutendsten Kunstdenkmäler und ihrer Ausstattung im deutschsprachigen Raum. Dabei orientiert sich die Auswahl bei den deutschen Bänden (anders in Österreich, wo der „Dehio“ als Denkmälerinventar bezeichnet wird) als – Stand 2005 – „wertende Gesamtübersicht über das qualitativ oberste Drittel des Denkmalbestandes“.[1] Die Ausgabe der ersten, fünfbändigen Ausgabe begann 1905. Die nicht baugebundenen Werke der Bildenden Kunst werden insoweit mit erfasst, als sie sich nicht in Museen und Galerien befinden. Die Baudenkmäler werden in territorial abgegrenzten Einzelbänden und dort bei den darin alphabetisch geordneten Belegenheitsorten abgehandelt. Eine in zwischenzeitlichen Ausgaben abweichende, regionale Untergliederung der Einzelbände wurde seit 1964 zugunsten der ursprünglichen, alphabetischen Reihung wieder aufgegeben. Seit den 1980er Jahren werden auch zeitgenössische Bauwerke aufgenommen. Das Dehio-Handbuch soll sowohl Nachschlagewerk sein als auch handlicher Begleiter bei Ausflügen und Reisen, so die bis heute gültige Programmatik des Handbuchs.
Hinter dem Sammelbegriff „Der Dehio“ verbergen sich die ReihenGeorg Dehio – Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler (seit 1905, erster Bearbeiter: Georg Dehio), Dehio-Handbuch – Die Kunstdenkmäler Österreichs (seit 1933/1953) und Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler Polens (seit 1993).
Der deutsche Kunsthistoriker Georg Dehio hatte 1899 die Idee zu einem Handbuch der deutschen Denkmäler. Im Jahr 1900 verfasste er dann ein „Programm zu einem Handbuche der deutschen Denkmäler“ und stellte es dem im selben Jahr in Dresden tagenden ersten deutschen Tag für Denkmalpflege vor. Nach dessen positivem Votum wurde Dehio durch eine Kommission, die aus Cornelius Gurlitt, Hugo Loersch und Adolf von Oechelhaeuser bestand, mit der Erstellung eines Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler beauftragt.[2] Zumindest die Herausgabe des Bands I, Mitteldeutschland, wurde mit Mitteln des kaiserlichenDispositionsfonds’ gefördert.[2]
Dehio griff auf das Textschema zurück, das Wilhelm Lotz für seine 1862/1863 in zwei Bänden erschienene Kunst-Topographie Deutschlands entwickelt hatte, nämlich die Denkmale nach der alphabetischen Ordnung ihrer Standorte vorzustellen und in einer sehr verknappten und formelhaften Sprache zu beschreiben. In Anbetracht der seit der Arbeit von Lotz sprunghaft angewachsenen kunsthistorischen Literatur verzichtete er aber auf Literaturangaben in den Objektartikeln und verwies nur noch auf das den jeweiligen Standort betreffende offizielle Inventar der Kunstdenkmale, wenn ein solches schon vorlag. Dabei ist es bis heute geblieben, wenn auch die Denkmalsbeschreibungen an Umfang zunahmen und auf die meisten der von Lotz eingeführten und noch von Dehio für die Beschreibung der Denkmale verwendeten Abkürzungen[3] verzichtet wurde.
Bei der ersten, von Georg Dehio erarbeiteten Ausgabe, zwischen 1905 und 1912 erschienen, war das Gebiet des Deutschen Reiches in fünf Teilbearbeitungsgebiete eingeteilt, für die jeweils ein Band herausgegeben wurde (siehe: Übersicht über alle erschienenen Ausgaben). Nachdrucke und Neubearbeitungen dieser Bände erschienen zwischen 1914 und 1944. Bis 1928 wurde das Dehio-Handbuch im Verlag Ernst Wasmuth, danach im Deutschen Kunstverlag veröffentlicht. Die Betreuung des Handbuchs oblag seit 1941 der Dehio-Vereinigung, nachdem Georg Dehio bereits 1932 verstorben war.
In Deutschland erschienen zwischen 1935 und 1964 von Ernst Gall neu bearbeitete Bände („Dehio-Gall-Bände“). Gall, den Dehio als Nachfolger für die Projektleitung vorgeschlagen hatte, rückte von einer streng alphabetischen Auflistung der Orte ab und gruppierte den Stoff der einzelnen Bände nach Regionen, um Exkursionen bequemer planen zu können.
Nach dem Tod Galls 1958 gründete sich die Dehio-Vereinigung neu. Sie orientierte sich bei den nun folgenden, seit 1964 erscheinenden und bis heute weitergeführten Neubearbeitungen des Dehio-Handbuchs an den Bundesländern und kehrte wieder zur alphabetischen Auflistung der Orte zurück. Auch hier erscheinen in der Regel unregelmäßig Neuauflagen. Manchmal wurde das Bearbeitungsgebiet der Bände neu zugeschnitten.
Von 1965 bis 1988 erschienen im Einvernehmen mit der Dehio-Vereinigung und mit Genehmigung des Deutschen Kunstverlages für das Gebiet der DDR – mit Ausnahme des nicht mehr fertiggestellten Bandes über die Bezirke Erfurt, Gera und Suhl – sechs Bände im Akademie-Verlag Berlin, bearbeitet von der Arbeitsstelle für Kunstgeschichte bei der Akademie der Wissenschaften, später beim Institut für Denkmalpflege der DDR. Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 erschienen die ersten Neuausgaben des Handbuchs für die neuen, ostdeutschen Bundesländer 1996–2003.
Österreich
Das Dehio-Handbuch wird seit 1933 auch für Österreich herausgegeben. Federführend tätig für die österreichischen Bände waren anfangs Dagobert Frey und Karl Ginhart. Für die österreichischen Bände lautete der Titel der Reihe 1933–1938 Georg Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, 1938–1941 Georg Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler in der Ostmark, 1943 Handbuch der Kunstdenkmäler in den Donau- und Alpengauen und seit 1945 Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Die Bände erscheinen im Verlag Berger (früher im Verlag Anton Schroll & Co.). Sie werden seit 1953 vom Österreichischen Bundesdenkmalamt herausgegeben. Anders als in Deutschland stellen die österreichischen Dehio-Bände dem eigenen Anspruch nach „ein nahezu vollständiges Inventar der Baudenkmale“ dar.[5]
Polen
Seit 1993 erscheinen Bände für Polen. Als Reihenname wurde zunächst Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler Polens, später Dehio-Handbuch Kunstdenkmäler in Polen gewählt.
Aktuelle Ausgaben
Deutschland
Mit Stand 2012 deckten insgesamt 24 Bände das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ab. Die Bände werden regelmäßig überarbeitet und bei Bedarf auch neu verfasst.
Baden-Württemberg I. Die Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe. Deutscher Kunstverlag, München 1993, ISBN 3-422-03024-7.
Baden-Württemberg II. Die Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen. Deutscher Kunstverlag, München 1997, ISBN 3-422-03030-1.
Bayern I. Franken. 2. Aufl. Deutscher Kunstverlag, München 1999, ISBN 3-422-03051-4.
Bayern II. Niederbayern. 2. Aufl. Deutscher Kunstverlag, München 2008, ISBN 978-3-422-03122-7.
Bayern III. Schwaben. 2. Aufl. Deutscher Kunstverlag, München 2008, ISBN 978-3-422-03116-6.
Bayern IV. München und Oberbayern. 3. Aufl. Deutscher Kunstverlag, München 2006, ISBN 3-422-03115-4.
Bayern V. Regensburg und die Oberpfalz. 2. Aufl. Deutscher Kunstverlag, München 2008, ISBN 978-3-422-03118-0.
Berlin. 3. Aufl. Deutscher Kunstverlag, München 2006, ISBN 3-422-03111-1.
Für Polen ist als erster Band einer neuen Reihe Dehio – Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen in Zusammenarbeit mit dem Herder-Institut und dem Krajowy Ośrodek Badań i Dokumentacji Zabytków, Warschau, erschienen:
Band 4: Südwestdeutschland, 1. Aufl. 1911, 2. Aufl. 1926 (ergänzt durch die Deutsche Schweiz und Elsass-Lothringen), unveränderte Nachdrucke (ohne Deutsche Schweiz und ohne Elsass-Lothringen) 1933, 1935, 1937, 1942
Band 4b: Elsass-Lothringen, unveränderte Nachdrucke aus der Auflage 1926 des Bandes 4, 1940, 1942
Sachsen-Anhalt II: Regierungsbezirke Dessau und Halle, 1999
Thüringen, 1998, 2. Auflage, 2003
Sonderbände
Dresden, 2005
Mitteldeutschland, Nachdruck der Erstausgabe von 1905, 2005
Stadtkreis Potsdam, Nachdruck aus der Ausgabe „Die Bezirke Berlin und Potsdam“ von 1988, 1993
Polen ab 1993
Westpreußen und Ostpreußen, 1993
Schlesien, 2005
Kleinpolen (3 Bde.), 2020
Digitale Version der modernen Ausgaben
Eine digitale Version der modernen Ausgaben des Dehio-Handbuchs zu den Bundesländern Deutschlands, mit einer integrierten Bilddatenbank, wurde am Bildarchiv Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte in Zusammenarbeit mit der Dehio-Vereinigung als dem Herausgeberkreis seit 2020 vorbereitet.[9][10] Stand Dezember 2024 sind die Texte sämtlicher Bände mit Ausnahme von Berlin und Hamburgonline. Teilbebilderte Datensätze der Bände Hessen I und Hessen II sowie Schleswig-Holstein sind über Metadaten recherchierbar.[11]
Vergleichbare nationale und internationale Werke (Beispiele)
Kunstführer durch die Schweiz
Für das Gebiet der Schweiz erscheint seit 1934 in immer wieder überarbeiteten Auflagen der Kunstführer durch die Schweiz, der zuerst von Hans Jenny bearbeitet wurde und nunmehr in fünf Bänden in Neuauflage (2005 ff.) von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte herausgegeben wird. Ebenso wie das Dehio-Handbuch liefert er eine wesentliche Grundlage für die allgemeine Kunsttopografie.
The Buildings of England (Pevsner Architectural Guides)
Von 1951 bis 1974 wurde die von dem Kunsthistoriker Nikolaus Pevsner begründete, nach Grafschaften gegliederte Architekturführerreihe The Buildings of England (Die Bauten Englands) im Penguin Verlag herausgegeben. Die mit einer Startauflage von 30.000 Exemplaren begonnene Serie erreichte 46 Bände. Nachdem die ersten Titel im Taschenbuchformat erschienen waren, folgten später auch Festeinbände mit Schutzumschlag.[12] Ende der 1970er Jahre wurde die Reihe mit Bearbeitungen für Schottland, Wales und Irland ergänzt. Während Wales mit dem Band für Gwynedd 2009 und Schottland mit den Bänden für Lanarkshire und Renfrewshire im November 2016 abgeschlossen wurde, liegt für Irland, dessen erste Bände bereits 1979 erschienen waren, noch keine abschließende Bearbeitung vor, ja wurde für einzelne Gebiete noch nicht einmal mit den erforderlichen Forschungsarbeiten begonnen. Die meisten Bände erfuhren Folgeauflagen, die überwiegend von anderen Autoren verfasst wurden.[13] Die Bände werden nunmehr vom Verlag Yale University Press verlegt.
Le Guide du Patrimoine
In Frankreich hat der Verlag Hachette zwischen 1992 und 1996 fünf Bände (Île-de-France, 1992; Paris, 1994; Centre – Val de Loire, 1995; Champagne Ardenne, 1995; Languedoc-Roussillon, 1996) des unter Leitung von Jean-Marie Pérouse de Montclos veröffentlichten Guide du Patrimoine herausgebracht.
Reclams Kunstführer
Zwischen 1957 und 1994 erschien im Reclam-Verlag nach dem Vorbild des Dehio die mehrere Bände umfassende Reihe Reclams Kunstführer. Im Gegensatz zum Dehio-Handbuch behandelte dieser Kunstführer auch zahlreiche Nachbarstaaten, wie beispielsweise Frankreich, Österreich, Italien und die Schweiz. Außerdem enthielten die einzelnen Bände auch Abbildungen.
Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR
Von 1978 bis 1990 edierte der Henschelverlag die vom Institut für Denkmalpflege der DDR herausgegebene Reihe Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR.[14] Die Bände waren mit reichlich s/w-Fotos ausgestattet, die den Bauzustand vieler Innenstädte in der DDR-Zeit unter denkmalpflegerischem Gesichtspunkt anschaulich dokumentieren. Grundsätzlich sollte jedem Bezirk ein nach Stadt- und Landkreisen, für Berlin nach Stadtbezirken, geordneter Band gewidmet werden; für Berlin gab es jedoch eine zweibändige Ausgabe.
Die Reihe begann 1978 mit dem Band für den Bezirk Potsdam, dessen 2. Auflage bereits 1979 folgte. Aufgrund der im Ergebnis der Grenzöffnung 1989 veränderten politischen Lage wurde 1990 kurzfristig ein Auszug nur für den Stadt- und Landkreis Potsdam mit leicht verändertem Layout des Schutzumschlags publiziert. Dieser Ausgabe war neben dem erläuternden Vorwort zusätzlich ein 20-seitiger Fototeil mit Messbildaufnahmen von 1911/12 vorangestellt, die das alte, unzerstörte Potsdam, u. a. der Alte Markt mit Rathaus und Palast Barberini, die Garnisonkirche, die Heiligengeistkirche, den Stadtkanal oder das Stadtschloss nebst Innenräumen, zeigten.
Es folgten 1980 Frankfurt/Oder, 1982 Neubrandenburg (2. Auflage 1986) und 1983/1987 Berlin (Hauptstadt der DDR); der erste Band von Berlin erlebte 1984 eine Nachauflage. Der letzte Band in der DDR erschien 1990 unter dem Titel Mecklenburgische Küstenregion. Mit den Städten Rostock und Wismar; die östliche Küstenregion bis zur polnischen Grenze fehlte also zunächst.
Erst 1995 folgte noch in derselben Gestaltung der bereits in der DDR-Zeit geplante Titel Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern: Vorpommersche Küstenregion. Mit dem nun vom Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern wiederum im Henschel Verlag herausgegebenen Band wurde die Bearbeitung der ehemaligen DDR-Küstenregion vervollständigt und auch eine Beschreibung des Denkmalbestandes der Hansestädte Stralsund und Greifswald sowie der Insel Rügen und der Halbinsel Usedom vorgelegt.
Die Reihe erreichte damit insgesamt nur sechs Titel in sieben Bänden und deckte so nur den größten Teil der Fläche der mittleren und nördlichen Bezirke der DDR ab. Der Nord-Bezirk Schwerin und der gesamte Süden des ehemaligen DDR-Gebiets mussten aufgrund der Wiedervereinigung, die die Weiterführung des Projekts obsolet werden ließ, unbearbeitet bleiben.
Literatur
Ralph Paschke: Über die Fortschreibung des Dehio. Ein persönlicher Erfahrungsbericht. In: Florian Abe, Christine Beese (Hrsg.): Bauten – Bilder – Geschichten. Kunsthistorische Perspektiven auf Architektur. Festschrift für Christian Freigang. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2024, ISBN 978-3-7861-2917-2, S. 291–312. (Digitalisat)
Markus Weis: Zur Entstehungsgeschichte des Dehio-Handbuchs. In: Volker Himmelein (Hrsg.): Georg Dehio (1850–1932). 100 Jahre Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2000, ISBN 978-3-422-03072-5, S. 49–119.
↑DEHIO digital Deutschland. In: de.dehio.org. Philipps-Universität Marburg, Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg, abgerufen am 24. Dezember 2024.