Ein selbstadjungierter Operator ist ein linearer Operator mit besonderen Eigenschaften. Operatoren und insbesondere selbstadjungierte Operatoren werden im mathematischen Teilgebiet der Funktionalanalysis untersucht. Der selbstadjungierte Operator ist eine Verallgemeinerung der selbstadjungierten Matrix.
Definition
In diesem Abschnitt wird die Definition des selbstadjungierten Operators angeführt. Im ersten Abschnitt wird sie nur für beschränkte Operatoren gegeben und im zweiten dann auch für unbeschränkte. Da beschränkte Operatoren immer auf dem ganzen Vektorraum definiert werden können, ist der beschränkte selbstadjungierte Operator ein Spezialfall des unbeschränkten selbstadjungierten Operators.
Beschränkte Operatoren
Sei
ein Hilbertraum bestehend aus dem Vektorraum
und dem Skalarprodukt
und sei
ein beschränkter linearer Operator. Falls
die Gleichung

erfüllt, heißt er selbstadjungiert.[1]
Unbeschränkte Operatoren
Sei
ein Hilbertraum bestehend aus dem Vektorraum
und dem Skalarprodukt
und sei
ein dicht definierter Operator. Sei
der Raum aller
, so dass das lineare Funktional

stetig ist. Dieses Funktional hat den Definitionsbereich
, ist also dicht definiert in
. Folglich besitzt es eine eindeutige stetige Fortsetzung auf ganz
. Nach dem Darstellungssatz von Fréchet-Riesz existiert ein eindeutig bestimmtes Element
, so dass

für alle
gilt. Der Operator
mit dem Definitionsbereich
ist der zu
eindeutig bestimmte adjungierte Operator.
Der Operator
heißt nun selbstadjungiert, falls
und
gelten, also falls der Operator
mit seinem adjungierten Operator
und die entsprechenden Definitionsbereiche übereinstimmen.[2]
Geschichte
John von Neumann, der 1929 die Theorie der unbeschränkten Operatoren begründete, war auch der erste, der die Notwendigkeit erkannte, zwischen symmetrischen und selbstadjungierten Operatoren zu unterscheiden. Denn nur für die letzteren kann eine Spektralzerlegung, wie sie im letzten Abschnitt dieses Artikels beschrieben wird, gezeigt werden. Von Neumann nannte symmetrische Operatoren hermitesch. Er stellte fest, dass es unter anderem für die Spektralzerlegung wichtig sei, dass ein Operator keine symmetrische Erweiterung zulässt und nannte diese Klasse von Operatoren maximal hermitesch. Jedoch ist diese Forderung für den Spektralsatz, der selbstadjungierte Operatoren voraussetzt, noch nicht hinreichend. Von Neumann nannte auf Anregung Erhard Schmidts selbstadjungierte Operatoren hypermaximal. Der Begriff selbstadjungierter Operator wurde von Marshall Harvey Stone geprägt.[3]
Verwandte Objekte
Selbstadjungierte Matrix
Sei
der reelle oder komplexe Zahlenkörper und sei
ein Skalarprodukt auf
dann ist
ein Hilbertraum. Eine Matrix
heißt selbstadjungiert, wenn

für alle
gilt. Die Matrix
wird hier als lineare Abbildung auf dem
aufgefasst. Da
zwischen endlichdimensionalen Vektorräumen abbildet, ist
beschränkt, daher stetig und somit auch dicht definiert. Also ist eine selbstadjungierte Matrix auch ein selbstadjungierter Operator. Betrachtet man den
mit seinem Standardskalarprodukt, so entsprechen die symmetrischen Matrizen den selbstadjungierten. Im Fall des
mit dem entsprechenden kanonischen Skalarprodukt sind die hermiteschen Matrizen die selbstadjungierten.
Symmetrischer Operator
Ein Operator
heißt symmetrisch, falls

für alle
gilt. Im Gegensatz zum selbstadjungierten Operator wird hier nicht gefordert, dass der Operator
dicht definiert sein muss (das ist in der Literatur aber nicht einheitlich). Ist
dicht definiert (und damit der adjungierte Operator wohl definiert), so ist
genau dann symmetrisch, wenn
gilt. Für beschränkte Operatoren fallen die Begriffe selbstadjungiert und symmetrisch zusammen. Daher sind symmetrische, nicht selbstadjungierte Operatoren immer unbeschränkt. Außerdem besagt der Satz von Hellinger-Toeplitz, dass jeder symmetrische Operator, der auf ganz
definiert ist, stetig und damit selbstadjungiert ist.
Wesentlich selbstadjungierter Operator
Ein Operator
heißt wesentlich selbstadjungiert, falls
symmetrisch, dicht definiert und seine Abschließung selbstadjungiert ist. Einen wesentlich selbstadjungierten Operator kann man also immer zu einem selbstadjungierten Operator fortsetzen.
Beispiele
Symmetrische Matrix
Eine symmetrische Matrix
kann als Operator
verstanden werden. Bezüglich des Standardskalarproduktes ist jede symmetrische Matrix eine selbstadjungierte Matrix beziehungsweise ein selbstadjungierter Operator.
Der Operator -i d/dx
Ist ein Operator beschränkt, so sind die Begriffe symmetrischer Operator, wesentlich selbstadjungierter Operator und selbstadjungierter Operator wie erwähnt äquivalent. Bei unbeschränkten Operatoren impliziert zwar die Selbstadjungiertheit die Symmetrie, aber die Umkehrung gilt nicht. Ein Gegenbeispiel gibt das folgende Paar:
- Im Folgenden wird der Hilbertraum
und der Differentialoperator
mit den dirichletschen Randbedingungen
betrachtet.
- Und dessen Erweiterung
bei der man nur „Periodizität“ fordert,
.
Aus der Gleichungskette

folgt, dass die Operatoren
für
symmetrisch sind. Jedoch ist nur der Operator
selbstadjungiert, denn im ersten Fall wird der Definitionsbereich in unnötiger Weise eingeschränkt. Er besitzt dann gar keine Eigenfunktionen mehr, weil diese alle von der Form
sind, also die geforderte Bedingung
verletzen würden.
Laplace-Operator
Der Laplace-Operator
ist ein unbeschränkter Operator. Er ist bezüglich des
-Skalarproduktes selbstadjungiert. Das heißt, er ist symmetrisch bezüglich dieses Skalarprodukts, was

für alle
bedeutet, und ist dicht definiert. Die Ableitung ist hier im schwachen Sinn zu verstehen. Somit gilt für den Definitionsbereich

Dies entspricht dem Sobolev-Raum
der quadratintegierbaren und zweimal schwach differenzierbaren Funktionen, dieser liegt dicht in
. Die Symmetrie des Laplace-Operators folgt aus der greenschen Formel.
Multiplikationsoperator
Sei
ein Maßraum und
eine messbare Funktion. Der Multiplikationsoperator
mit
ist definiert durch

Dieser Operator ist unbeschränkt und dicht definiert, denn für
enthält
alle
-Klassen, die außerhalb von
verschwinden und wegen
ist
dicht. Außerdem ist
bezüglich des
-Skalarproduktes symmetrisch. Der Operator ist auch selbstadjungiert. Da für einen symmetrischen Operator nämlich
gilt, was
und
bedeutet, muss für die Selbstadjungiertheit nur noch
gezeigt werden. Sei
die charakteristische Funktion von
, für
und
gilt

Das heißt,
gilt fast überall. Da
punktweise konvergiert, gilt
fast überall. Da nun
in
liegt ist
, was
zeigt und somit die Selbstadjungiertheit beweist.
Kriterien
Für einen in einem Hilbertraum
dicht definierten Operator
gibt es hinsichtlich der Frage der Selbstadjungiertheit folgende immer wieder genannte Kriterien[4][5][6].
Erstes Kriterium
ist dann und nur dann selbstadjungierter Operator in
, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:
- Es gilt
.
Zweites Kriterium
ist dann und nur dann selbstadjungierter Operator in
, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
ist symmetrisch.
ist abgeschlossen.
- Die Nullräume der beiden Operatoren
und
sind gleich
.
Für die in der zuletzt genannten Bedingung auftretenden Nullräume betrachtet man oft deren Hilbertraumdimensionen. Diese nennt man im Falle eines symmetrischen Operators
auch dessen Defektindizes. Die zuletzt genannte Bedingung lässt sich daher auch so ausdrücken, dass die Defektindizes von
gleich 0 sind.
Drittes Kriterium
Die Bedingungen 2 und 3 des zweiten Kriteriums lassen sich zu einer einzigen umdeuten und auf diesem Wege erhält man hinsichtlich der Frage der Selbstadjungiertheit von
ein weiteres gleichwertiges Kriterium:
ist dann und nur dann selbstadjungierter Operator in
, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
ist symmetrisch.
- Die Bildräume der beiden Operatoren
und
sind gleich
.
Viertes Kriterium
Das vierte Kriterium zeigt, dass die Selbstadjungiertheit eines dicht definierten Operators im Wesentlichen durch die Lage seines Spektrums innerhalb der reellen Zahlen bestimmt wird:
ist dann und nur dann selbstadjungierter Operator in
, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
ist symmetrisch.
- Das Spektrum von
besteht allein aus reellen Zahlen, also
.
Eigenschaften
Sei
ein dicht definierter Operator auf dem Hilbertraum
- dann ist
ein selbstadjungierter Operator mit 
Sei
ein selbstadjungierter Operator auf dem Hilbertraum
- Für das Spektrum
von
gilt
Es gibt also keine Spektralwerte, die echte komplexe Zahlen sind. Insbesondere hat eine selbstadjungierte Matrix nur reelle Spektral- beziehungsweise Eigenwerte.
- Ein Operator
ist positiv, das heißt, es gilt
für alle
genau dann, wenn für das Spektrum
die Inklusion
gilt.
- Falls
für alle
gilt, so existiert ein selbstadjungierter Operator
mit
für alle
, so dass
gilt.
Friedrichssche Erweiterung
Sei
ein Hilbertraum und
ein dicht definierter halbbeschränkter Operator. Für einen Operator
bedeutet halbbeschränkt zu sein, dass der Operator entweder die Ungleichung
oder die Ungleichung
für ein
und für alle
erfüllt. Dann existiert zu
eine selbstadjungierte Erweiterung von
, die derselben Abschätzung genügt.
Zu beachten ist, dass bei einem halbbeschränkten Operator
der Ausdruck
reellwertig sein muss, da sonst die Ordnungsrelationen
und
nicht definiert sind; und Operatoren, für die
für alle
gilt, sind symmetrisch.
Sei
ein abgeschlossener und dicht definierter Operator. Dann lässt sich aus der Friedrichsschen Erweiterung folgern, dass
dicht definiert und selbstadjungiert ist.
Spektralsatz für unbeschränkte Operatoren
Spektralzerlegung
Sei
ein Hilbertraum und
die borelsche σ-Algebra. Für jeden selbstadjungierten Operator
existiert ein eindeutiges Spektralmaß
, so dass

mit
und
gilt. Diese Aussage ist der Spektralsatz für unbeschränkte selbstadjungierte Operatoren. Fordert man, dass die Operatoren beschränkt und selbstadjungiert oder gar kompakt und selbstadjungiert sind, so vereinfacht sich das Resultat. Das wird im Artikel Spektralsatz näher erläutert.
Multiplikationsoperator
Sei
ebenfalls wieder ein Hilbertraum und sei
ein selbstadjungierter Operator. Dann existiert ein (im separablen Fall ein
-endlicher) Maßraum
, eine messbare Funktion
sowie ein unitärer Operator
mit
und
für
.
Im Wesentlichen ist also der Multiplikationsoperator
das einzige Beispiel eines selbstadjungierten Operators.
Literatur
- Hans Cycon, Richard G. Froese, Werner Kirsch, Barry Simon: Schrödinger Operators. Springer, 1987
- Friedrich Hirzebruch, Winfried Scharlau: Einführung in die Funktionalanalysis. (= B. I.-Hochschultaschenbücher. Band 296). Bibliographisches Institut, Mannheim [u. a.] 1971, ISBN 3-411-00296-4. MR0463864
- Reinhold Meise, Dietmar Vogt: Einführung in die Funktionalanalysis (= Vieweg Studium – Aufbaukurs Mathematik. Band 62). Vieweg Verlag, Braunschweig [u. a.] 1992, ISBN 3-528-07262-8. MR1195130
- Michael Reed, Barry Simon: Methods of Modern Mathematical Physics. 4 Bände. Academic Press, 1978, 1980
- Walter Rudin: Functional Analysis. McGraw-Hill, New York 1991, ISBN 0-07-054236-8. Kap. 13
- Gerald Teschl: Mathematical Methods in Quantum Mechanics; With Applications to Schrödinger Operators. American Mathematical Society, Providence RI 2009, ISBN 978-0-8218-4660-5, mat.univie.ac.at
- Dirk Werner: Funktionalanalysis. 6., korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-72533-6, S. 342–347.
Einzelnachweise
- ↑ Dirk Werner: Funktionalanalysis. 6., korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-72533-6, S. 236–237.
- ↑ Walter Rudin: Functional Analysis. McGraw-Hill, New York 1991, ISBN 0-07-054236-8, S. 347–348.
- ↑ Dirk Werner: Funktionalanalysis. 6., korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-72533-6, Kapitel VII.6.
- ↑ Dirk Werner: Funktionalanalysis. 6., korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-72533-6, S. 342–347.
- ↑ Friedrich Hirzebruch, Winfried Scharlau: Einführung in die Funktionalanalysis. (= B. I.-Hochschultaschenbücher. Band 296). Bibliographisches Institut, Mannheim [u. a.] 1971, ISBN 3-411-00296-4, S. 158–159.
- ↑ Reinhold Meise, Dietmar Vogt: Einführung in die Funktionalanalysis (= Vieweg Studium – Aufbaukurs Mathematik. Band 62). Vieweg Verlag, Braunschweig [u. a.] 1992, ISBN 3-528-07262-8, S. 204 ff.