Wasser zur Trink- und Brauchwasserversorgung sowie zur Wasserkraftnutzung beschaffen und bereitstellen, Wasserabfluss regeln und ausgleichen, Hochwasserabfluss sichern und Abwässer reinigen
Die Trink- und Brauchwasserversorgung von rund 4,6 Millionen Menschen im Sauerland und Ruhrgebiet basiert auf einer ausreichenden Wasserführung der Ruhr und ihrer Nebenflüsse. Dabei dient das Ruhrwasser der künstlichen Grundwasseranreicherung, um erst danach zu Trinkwasser aufbereitet zu werden. Zur Sicherstellung der Wasserversorgung in der ganzen Region auch in Trockenzeiten betreibt der RV acht Talsperren im Sauerland mit einem Stauraumvolumen von insgesamt 463 Millionen Kubikmetern.[2]
Als weitere Hauptaufgabe betreibt der Ruhrverband die Abwasserreinigung für die 2,2 Millionen Menschen und verschiedenen Betriebe im Einzugsgebiet. Das mit Fäkalien, Speiseresten, gelösten Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorverbindungen sowie den Reststoffen vorbehandelter industrieller Abwässer belastete Wasser wird in den gemeindlichen Kanalisationen gesammelt und in einer der 65 Kläranlagen des RV gereinigt.[3] Dadurch kann den Wasserwerken an der Ruhr eine gute Qualität des Ruhrwassers bereitgestellt werden. In den Anfangsjahren des RV, als die Reinigungsleistung der RV-Kläranlagen nicht so hoch wie heute waren, wurden zur Verbesserung der Wasserqualität die Ruhrstauseen angelegt, die heute mehr der Freizeitgestaltung dienen.
Insgesamt betreibt der Ruhrverband im 4.485 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet der Ruhr zur Erfüllung seiner Aufgaben rund 1.000 wasserwirtschaftliche Anlagen. Neben den Talsperren und Kläranlagen sind dies fünf Stauseen und diverse wasserwirtschaftliche Anlagen wie Rückpumpwerke, Gewässerpegel, Niederschlagswasserbehandlungsanlagen, Pumpwerke und Online-Messstationen zur Überwachung der Gewässergüte.[4] Ein Überblick für die Talsperren und Ruhrstauseen findet sich in Navigationsleisten unten. Eine Liste der RV-Kläranlagen (Stand 2018) kann beim Ruhrverband abgerufen werden.[5]
Die Aufgaben sind im Detail im Gesetz über den Ruhrverband (Ruhrverbandsgesetz - RuhrVG) vom 7. Februar 1990 geregelt (§ 2 RuhrVG):
Regelung des Wasserabflusses einschließlich Ausgleich der Wasserführung und Sicherung des Hochwasserabflusses der oberirdischen Gewässer oder Gewässerabschnitte und in deren Einzugsgebieten;
Unterhaltung oberirdischer Gewässer oder Gewässerabschnitte und der mit ihnen in funktionellem Zusammenhang stehenden Anlagen;
Rückführung ausgebauter oberirdischer Gewässer in einen naturnahen Zustand;
Vermeidung, Minderung, Beseitigung und Ausgleich wasserwirtschaftlicher und damit in Zusammenhang stehender ökologischer, durch Einwirkungen auf den Grundwasserstand hervorgerufener oder zu erwartender nachteiliger Veränderungen;
Beschaffung und Bereitstellung von Wasser zur Trink- und Betriebswasserversorgung sowie zur Ausnutzung der Wasserkraft;
Abwasserbeseitigung nach Maßgabe des Landeswassergesetzes;
Entsorgung der bei der Durchführung der Verbandsaufgaben anfallenden Abfälle;
Vermeidung, Minderung, Beseitigung und Ausgleich eingetretener oder zu erwartender, auf Abwassereinleitungen oder sonstige Ursachen zurückzuführender nachteiliger Veränderungen des oberirdischen Wassers;
Ermittlung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse, soweit es die Verbandsaufgaben erfordern.
Einige dieser Aufgaben sind (noch) nicht dem Ruhrverband zugewiesen und werden von den bisher dazu Verpflichteten weiter erfüllt, bis der Verband sie übernimmt.
Durch einen Zusatz im RuhrVG werden Zielgrößen für die Wasserführung der Ruhr beziffert. Danach soll das fortschreitende arithmetische Mittel aus fünf aufeinander folgenden Tageswerten am Pegel Hattingen einen Wert von 15 m³/s und am Pegel Villigst einen Wert von 8,4 m³/s nicht unterschreiten. Zusätzlich wird vorgegeben, dass der niedrigste Tageswert für den Abfluss unterhalb des Pegels Hattingen 13 m³/s und am Pegel Villigst 7,5 m³/s nicht unterschreiten soll. Im Einzelfall können in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde – so geschehen in den letzten Trockenwetterjahren – Ausnahmen zugelassen werden. Dadurch kann die Wasserabgabe der Talsperren reduziert werden, um die gespeicherten Wasservorräte zu schonen bzw. zu strecken.
Zur Erfüllung dieser Vorgaben und zur Begrenzung der Auswirkungen von Hochwässern hat der RV in Essen die Talsperrenleitzentrale Ruhr eingerichtet. Von dort aus erfolgt die Steuerung und Bewirtschaftung des Talsperrensystems auf Grundlage von RV-eigenen Gewässerpegeln und Niederschlagsmessstationen. Die stets aktuellen Daten werden Online nach Essen übertragen und finden Eingang in wasserwirtschaftliche Vorhersagemodelle. Diese bilden die Entscheidungsgrundlage für die operationelle Talsperrensteuerung.
Verbandsgebiet
Das Verbandsgebiet umfasst das im Land Nordrhein-Westfalen gelegene oberirdische Einzugsgebiet der Ruhr, die im Hochsauerland ihre Quelle hat. Es reicht von Duisburg im Westen bis nach Brilon im Osten. Die nördliche Grenze verläuft durch die Südteile der großen Ruhrgebietsstädte, die direkt am Nordhang des Ruhrtals liegen, und entlang des Südrands des Haarstrangs in Westfalen. Nach Süden reicht das Verbandsgebiet bis an eine Linie von Olpe nach Winterberg. Wasserreichster Nebenfluss ist die Lenne, die ebenfalls im Rothaargebirge ihren Ursprung hat und bei Hagen in die Ruhr mündet.
Mitglieder
Nach dem Genossenschaftsprinzip sind alle Städte, Gemeinden und Kreise im Verbandsgebiet Mitglied des Verbandes. Des Weiteren gehören dazu Unternehmen und sonstige Träger der öffentlichen Wasserversorgung im Verbandsgebiet, die zum Zweck der Nutzung Wasser als Grundwasser fördern, aus oberirdischen Gewässern entnehmen oder aus Anlagen des Verbandes übernehmen. Auch gewerbliche Unternehmen, Grundstückseigentümer und Träger von Verkehrsanlagen mit relevantem Nutzen aus der Arbeit des RV sind Mitglieder.
Derzeit besteht der Ruhrverband aus 559 Verbandsmitgliedern (60 Gemeinden, 80 Wasserentnehmern sowie 419 gewerblichen Unternehmen)[4] im Flussgebiet der Ruhr. Sie verwalten den unter der Rechtsaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen stehenden RV. Die Verbandsversammlung mit 152 Delegierten ist das oberste Gremium. Aus zehn Verbandsmitgliedern und fünf Arbeitnehmervertretern wird der Verbandsrat gebildet, der die Aufsichtsfunktion über die Geschäftsführung des 2-köpfigen Vorstands übernimmt.
Bei der Umsetzung der wasserwirtschaftlichen Aufgaben ist der RV gleichzeitig Partner und Dienstleister für seine Mitglieder. Die Mitglieder haben dem Verband die Beiträge zu leisten, die zur Erfüllung seiner Aufgaben und Pflichten, seiner Verbindlichkeiten und zu einer ordentlichen Wirtschaftsführung erforderlich sind, soweit andere Einnahmen zur Deckung der Ausgaben des Verbandes nicht ausreichen. Die Höhe der zu entrichtenden Beiträge richtet sich nach der entnommenen Wassermenge bzw. nach den eingeleiteten Schmutzfrachten.
Die Geschichte des Ruhrverbands
Historisch waren die beiden Hauptaufgaben – Wasserabflussregelung und Abwasserreinigung – getrennt und in zwei eigenen Verbänden organisiert. Die Notwendigkeit zur Gründung der Wasserverbände war entstanden aus der im 19. Jahrhundert eingesetzten Entwicklung der Region zwischen Ruhr und Emscher von einem ländlich geprägten Gebiet mit geringer Siedlungsdichte zum Zentrum der deutschen Schwerindustrie. Die expandierende Industrie und die rasant wachsende Bevölkerungszahl führte zu einem sprunghaft ansteigenden Wasserverbrauch entlang der Ruhr, sodass es in trockenen Sommern vor allem in den unterhalb liegenden Flussabschnitten zu bedrohlichem Wassermangel kam, der teilweise sogar die Industrieproduktion zum Erliegen brachte.
Aus dem Wassernotstand heraus entstand als erster Verband 1899 der zunächst privatwirtschaftlich organisierte Ruhrtalsperrenverein (RTV) als Zusammenschluss von Wasser- und Triebwerksbetreibern, für die eine ausreichende Wasserführung der Ruhr Voraussetzung war. Bereits fünf Jahre später hatte der RTV bei vier Talsperren beträchtliche Zuschüsse geleistet, die einen Gesamtstauraum von 16 Millionen Kubikmetern aufwiesen. Jedoch reichte dies bei Weitem nicht aus zur Lösung der großen Probleme und man begann mit der Planung der ersten eigenen Talsperre im Möhnetal. 1913 ging die Möhnetalsperre mit 130 Millionen m³ Stauinhalt in Betrieb.
Der steigende industrielle und häusliche Wasserverbrauch brachte zwangsläufig auch einen höheren Abwasseranfall, der den Flüssen ungeklärt zugeleitet wurde. Diese mangelhafte Abwasserbeseitigung und daraus infiziertes Trinkwasser führte zu einer Verschlechterung der hygienischen Zustände und es kam im Ruhrgebiet immer wieder zur Ausbreitung von Seuchen. Die administrativen Zuständigkeiten behinderten jedoch eine umfassende Bekämpfung der Ursachen. Als übergreifende Lösung bot sich das 1904 erlassene „Gesetz betreffend Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Vorflut und zur Abwässerreinigung im Emschergebiet“ an.[6]
Auf dieser Grundlage wurde 1913 das Sondergesetz zur Schaffung des Ruhrverbands erlassen. Als ein öffentlich-rechtlicher Wasserverband hatte er damit die Aufgabe, Kläranlagen zur Reinhaltung der Ruhr zu bauen und zu betreiben. Durch dasselbe Gesetz erhielt der Ruhrtalsperrenverein ebenfalls den öffentlich-rechtlichen Status und die Aufgabe, durch den Bau und Betrieb von Talsperren einen ausreichenden Wasserabfluss in der Ruhr zu gewährleisten. Die öffentlich-rechtliche Organisationsform hat zum Ziel, alle „Wassernutzer“ gleichermaßen an den kostenwirksamen Maßnahmen zu beteiligen.
Am 1. Juli 1990 wurden der Ruhrtalsperrenverein und der Ruhrverband zu einem Wasserwirtschaftsverband vereinigt, der den Namen Ruhrverband trägt.
↑Gesetzentwurf betreffend Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Vorflut und zur Abwässerreinigung im Emschergebiet nebst Begründung. Essen 1903, urn:nbn:de:hbz:6:1-199528 (Download von Uni Münster [PDF; abgerufen am 25. Januar 2020]).