Rhodostannit kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem, konnte bisher jedoch nur in Form von sehr feinkörnigen, porösen Massen entdeckt werden. Das Mineral ist in jeder Form undurchsichtig (opak) und zeigt auf den Oberflächen der rötlichen bis rötlichbraunen Aggregate einen metallischen Glanz.
Entdeckt wurde Rhodostannit in einer Mineralprobe (Nr. 12124), die bei Vila Apacheta in der bolivianischen Provinz Rafael Bustillo gesammelt wurde. Die Erstbeschreibung erfolgte durch G. Springer, der das Mineral aufgrund seiner rötlichen Farbe nach dem altgriechischen Wort ῥόδον [rhodon] für Rose und seiner Verwandtschaft mit Stannit, der wiederum nach seinem Zinngehalt (lateinischstannum) benannt wurde.
Springer reichte seine Analyseergebnisse und den gewählten Namen 1968 zur Prüfung bei der International Mineralogical Association ein (interne Eingangs-Nr. der IMA: 1968-018[1]), die den Rhodostannit als eigenständige Mineralart anerkannte. Die Publikation der Erstbeschreibung erfolgte im gleichen Jahr im Fachmagazin Mineralogical Magazine unter dem Titel Electronprobe analyses of stannite and related tin minerals.[8]
Die bekannten und zunächst nach chemischer Zusammensetzung ordnenden Mineralsystematiken sortieren den Rhodostannit in die Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ ein.
In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Rhodostannit dort zur Abteilung der „Sulfide mit [dem Stoffmengenverhältnis] M(etall) : S(chwefel) = 1 : 1“, wo er zusammen mit Cadmoselit, Greenockit, dem inzwischen diskreditierten Hexastannit und Wurtzit die „Wurtzit-Reihe“ mit der System-Nr. II/B.06 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der IMA zuletzt 2009 aktualisierte 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Rhodostannit dagegen in die Abteilung der „Metallsulfide mit M : S = 3 : 4 und 2 : 3“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach dem genauen Stoffmengenverhältnis, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „M : S = 3 : 4“ zu finden ist, wo es zusammen mit Toyohait die „Rhodostannitgruppe“ mit der System-Nr. 2.DA.10 bildet.[11]
In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana ist Rhodostannit zusammen mit Toyohait in der unbenannten Gruppe 02.10.03 innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m + n) : p = 3 : 4“ zu finden.
Chemismus
In Endgliedzusammensetzung von Rhodostannit – Cu1+(Fe2+0,5Sn4+1,5)S4 – besteht das Mineral im Verhältnis aus zwei Teilen Kupfer (Cu), einem Teil Eisen (Fe), drei Teilen Zinn (Sn) und acht Teilen Schwefel (S). Zusammengenommen besteht also ein Stoffmengenverhältnis aller Metalle zum Schwefel von 6 : 8 oder auch 3 : 4. Dies entspricht einem Massenanteil (Gewichtsprozent) von 15,97 Gew.-% Cu, 7,02 Gew.-% Fe, 44,77 Gew.-% Sn und 32,24 Gew.-% S.
Die analysierten Mineralproben aus der Typlokalität Vila Apacheta in Bolivien hatten mit durchschnittlich 15,9 bis 16,0 Gew.-% Cu, 6,5 bis 6,8 Gew.-% Fe, 45,4 bis 45,5 Gew.-% Sn und 31,3 bis 32,8 Gew.-% S[8] nur eine geringe Abweichung von der Idealzusammensetzung.
Die Kristallstruktur von Rhodostannit entspricht der Spinellstruktur, wobei das Cu1+-Ion die T-Stelle einnimmt, während Fe2+ und Sn4+ zufällig über die äquivalenten M-Stellen verteilt sind.[3]
Kristallstruktur von Rhodostannit
mit Blickrichtung parallel zur a-Achse
mit Blickrichtung parallel zur b-Achse
mit Blickrichtung parallel zur c-Achse
räumliche Darstellung in der kristallographischen Standardausrichtung
als Polyeder-Modell in der kristallographischen Standardausrichtung
Weltweit sind bisher (Stand: 2012) nur etwas mehr als 10 Fundorte für Rhodostannit dokumentiert.[12] Neben seiner Typlokalität Vila Apacheta in der Provinz Rafael Bustillo (Departamento Potosí) trat das Mineral in Bolivien noch in der „San José Mine“ bei Oruro, der „Huanuni Mine“ nahe der gleichnamigen Stadt und der „Santa Cruz Mine“ bei Poopó im Departamento Oruro auf.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in der argentinischen Provinz Jujuy (Mina Pirquitas und Cusi Cusi), in der „Tongkeng-Changpo Mine“ im Kreis Nandan im Chinesisch Autonomen Gebiet Guangxi, auf den japanischen Inseln Hokkaidō (Toyoha Mine) und Shikoku (Besshi Mine) sowie in den US-Bundesstaaten Arizona (Campbell Mine, Bisbee) und Nevada (Dean Mine und Lucky Rocks Claim, Lander County).
G. Springer: Electronprobe analyses of stannite and related tin minerals. In: Mineralogical Magazine. Band36, 1968, S.1045–1051 (englisch, rruff.info [PDF; 521kB; abgerufen am 11. Mai 2021] Rhodostannit ab S. 2050).
Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band54, 1969, S.1218–1223 (englisch, rruff.info [PDF; 388kB; abgerufen am 14. Mai 2021]).
J. C. Jumas, E. Philippot, M. Maurin: Structure du rhodostannite synthetique. In: Acta Crystallographica. B35, 1979, S.2195–2197, doi:10.1107/S0567740879008761 (französisch).
Rhodostannite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy; abgerufen am 11. Mai 2021 (englisch).
Rhodostannite search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF); abgerufen am 11. Mai 2021 (englisch).
↑ abcde
Ferdinando Bosi, Cristian Biagioni, Marco Pasero: Nomenclature and classification of the spinel supergroup. In: European Journal of Mineralogy. Band31, Nr.1, 12. September 2018, S.183–192, doi:10.1127/ejm/2019/0031-2788 (englisch).
↑ abcdHugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S.94 (englisch).
↑ abcd
Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
↑ abcdefg
Rhodostannite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 63kB; abgerufen am 11. Mai 2021]).
↑ ab
G. Springer: Electronprobe analyses of stannite and related tin minerals. In: Mineralogical Magazine. Band36, 1968, S.1045–1051 (englisch, rruff.info [PDF; 521kB; abgerufen am 11. Mai 2021] Rhodostannit ab S. 2050).