Das Residenzschloss Dessau, auch Stadtschloss Dessau, ist ein nur noch teilweise erhaltenes Schlossgebäude im Bereich der früheren Altstadt von Dessau, welches den Fürsten und Herzögen von Anhalt-Dessau als Residenz diente. Von der mehrflügeligen Schlossanlage ist heute nur noch der sogenannte Johannbau, der frühere Westflügel und älteste Teil des Schlosses, erhalten. Er war einer der ersten Renaissancebauten in Mitteldeutschland.[1][2]
Das Dessauer Residenzschloss wurde ursprünglich 1341 aus den Steinen der vom Mulde-Hochwasser zerstörten Burg Waldeser, auch Burg Waldersee, errichtet.[3][4] Das Schloss brannte 1405 und 1467 ab.[2] Ein Neubau erfolgte durch die Dessauer Fürstenbrüder Johann IV., Georg III. und Joachim. An der bislang angenommenen Bauzeit von „um 1530/31“ bis 1533 sind Zweifel entstanden, als Briefe der Fürstenbrüder aufgefunden wurden, welche belegen, dass Baustoffe bereits 1528 und 1529 in Sachsen bestellt und 1529 auf der Elbe per Floß herangeschafft worden sind. Daraus ergibt sich, dass ein Baubeginn des Johannbaus bereits im Jahr 1528 anzusetzen ist.[5] Für den gleichzeitig entstandenen Treppenturm ist eine Bauzeit von 1531 bis 1533 gesichert.[1] Benannt wurde der Schlossflügel nach Fürst Johann IV. von Anhalt.
Lange Zeit galt Ludwig Binder (1512–1556), der nachweislich zwischen 1531 und 1554 als Steinmetz für die Fürsten in Anhalt tätig war, als Baumeister des Johannbaus. Sein Steinmetzzeichen befand sich an sechs prominenten Stellen im und am Treppenturm dieses Baus. Heute wissen wir, dass Ludwig Binder zu Baubeginn erst 17 Jahre alt, also noch zu jung war, um der entwerfende Baumeister zu sein. Nach neuestem Forschungsstand wird daher angenommen, dass der Johannbau ein Gemeinschaftswerk von Bastian Binder und seinem Sohn(?) Ludwig war.[6] Bastian Binder stand u. a. als erzbischöflicher Bau- und Werkmeister in den Diensten des Kardinals Albrecht von Brandenburg. Belegen zufolge hat er sich 1531/32 mehrfach in Dessau aufgehalten.[7]
Von 1571 bis 1580 wurde der Johannbau erstmals ausgebaut. Der Nordflügel, der 1571 erstmals erwähnt wird, wurde 1708 von Fürst Leopold abgebrochen und das Schloss damit zu einer Dreiflügelanlage.[9] Zwischen 1748 und 1753 wurde der Bau nach Entwürfen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff umgestaltet und erweitert. Dabei blieb der Westflügel, anders als im Entwurf geplant, erhalten.[8] Lange Zeit wies der alte Johannbau, in allen Etagen nur langgestreckte Säle auf, in denen die Reiterei und das berittene Gefolge herrschaftlicher Gäste des Hofes untergebracht waren. Eine Aufteilung in kleinere Räume erfolgte erst später. Der Ostflügel mit Blick auf die Mulde und den Tiergarten, einen Auenwald jenseits des Flusses, beherbergte die Gemächer der fürstlichen Familie. Im Südflügel befand sich über der Hofküche der prachtvolle Festsaal.[10]
Am 7. März 1945 wurde das Schloss im Zweiten Weltkrieg beim 19. und schwersten der Luftangriffe auf Dessau durch Spreng- und Brandbomben schwer beschädigt, Ost- und Südflügel nahezu vollständig zerstört. Die schwer beschädigten Flügel wurden später gesprengt. Der Johannbau blieb als schwer beschädigte Ruine erhalten und wurde noch während der DDR-Zeit unter Denkmalschutz gestellt.[8] Er erhielt jedoch erst 1957 ein notdürftiges Dach. Das Landestheater Dessau nutzte viele Jahre Teile der Ruine als Lager für Kulissen.[14]
Von 1990 bis 1997 und 2001 bis 2005 wurde der Johannbau mit Mitteln der Stadt Dessau, des Bundes, des LandesSachsen-Anhalt und der Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt saniert und in seiner ursprünglichen Gestalt mit den Rundbogengiebeln wiederhergestellt. 1993 wurden von der Südwand Putzreste mit einer Illusionsmalerei aus dem Jahr 1549 abgenommen und konserviert. Das Innere des Johannbaus ist im Krieg vollständig verloren gegangen. Es wurden daher neue Decken und Wände eingezogen und Raumstrukturen geschaffen. Das Innere des Treppenturms war, trotz der starken Brandspuren, in seiner Substanz weitgehend erhalten und konnte rekonstruiert werden. Die Haube des Treppenturms wurde wieder in ihre ursprüngliche Form gebracht. Lediglich der Altan ist noch nicht komplett rekonstruiert.[8]
Dessau war im Jahr 2000 Korrespondenzstandort der Expo 2000 in Hannover. Der EXPO 2000-Pfad mit 25 Stationen verband städtebaugeschichtlich bedeutende Objekte verschiedener Epochen. Zwischen 1998 und 2001 beherbergte der Johannbau die EXPO GmbH Sachsen-Anhalt, das lokale Organisationsbüro.[14]
Im August 2005 wurde der rekonstruierte Johannbau der Öffentlichkeit übergeben. Er wird seitdem als Museum für Stadtgeschichte genutzt.[8]
Ein im September 2019 durchgeführter Bürgerentscheid, der sich für eine rekonstruierte Bebauung in Anlehnung an die historische Bebauung des angrenzenden Dessauer Schlossplatzes einsetzte, scheiterte knapp am Quorum. Es fehlten 432 Stimmen für die Abstimmung. Der Energiekonzern Getec beabsichtigte das Grundstück in zentraler Innenstadtlage sehr günstig zu erwerben und mit einem Low-Budget-Hotel in stark reduzierter Architektursprache zu errichten. Zugleich äußerte Getec bereits vor dem Bürgerentscheid, bei klarer Ablehnung der Dessauer Bevölkerung von diesem Bauvorhaben abzurücken, auch wenn der Bürgerentscheid das Quorum nicht überschreiten sollte.[15]
Literatur
Illo Bußmeyer: Das Residenzschloß der Herzoge von Anhalt in Dessau. In: Burgen und Schlösser. Sonderheft. Jahrgang. Deutsche Burgenvereinigung, Braubach am Rhein 1991, S.33–38.
Barbara Czerannowski: Das Schloss zu Dessau. Eine Baugeschichte. In: Hans Wilderotter (Hrsg.): „Schauplatz vernünftiger Menschen“. Kultur und Geschichte in Anhalt-Dessau. Ausstellungskatalog. Museum für Stadtgeschichte Dessau (herausgebendes Organ). L-und-H-Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-938608-00-5, S. 17–42.
Anke Neugebauer: Cranach in Anhalt Von Alten zum Neuen Glauben – Kataloge der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau. Hrsg.: Norbert Michels. Michael Imhof verlag, 2015, ISBN 978-3-7319-0227-0, Das Dessauer Residenzschloss im Jahrhundert der Reformation, S.93–106.
↑Ulla Jablonowski: Frühe Renaissanceschlösser der Fürsten von Anhalt. In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt. Mitteilungen der Landesgruppe Sachsen-Anhalt der Deutschen Burgenvereinigung e. V. 15 (2006), S. 278–231.
↑Anke Neugebauer: Bastian und Ludwig Binder im Dienste der Fürsten von Anhalt, in: Anke Neugebauer, Franz Jäger (Hrsg.), ‚Auff welsche Manier gebauet’. Zur Architektur der mitteldeutschen Frührenaissance, (Hallesche Beiträge zur Kunstgeschichte 10), Leipzig 2010, S. 217–229 (Volltext auf academia.edu)
↑Anke Neugebauer: Der Werkmeister Bastian Binder aus Magdeburg. Eine Skizze zu Leben und Werk. In: Stefan Bürger, Bruno Klein (Hrsg.): Werkmeister im Konflikt. Der Annaberger Hüttenstreit und andere Streitfälle im Bauwesen des 15. und frühen 16. Jahrhunderts als Spiegel bauorganisatorisch-rechtlicher Verhältnisse großer und kleiner Handwerksverbände der Steinmetze (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philosophisch-historische Klasse 84, 5) Stuttgart/Leipzig 2020, S. 146–176. (Volltext auf academia.edu)