Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam Stahel mit seinem Regiment an der Westfront zum Einsatz, wo er ab dem 1. August 1915 als Kompanieführer fungierte und am 27. Januar 1916 zum Oberleutnant befördert wurde. Am 1. Mai 1916 wurde er zum Ersatz-Bataillon des Regiments versetzt. Ende Mai 1916 wurde Stahel als Chef der Maschinengewehr-Kompanie in das Jäger-Bataillon Nr. 27 (Finnische Jäger) versetzt. Die Finnischen Jäger, die anfänglich im lettischenKurland eingesetzt wurden, bildeten später den Kern der finnischen Armee. Anlässlich des Ausbruchs des Finnischen Bürgerkriegs 1918 wurde er mit seiner Kompanie nach Finnland verlegt.
Im Frühjahr 1918 wechselte Stahel als Hauptmann in die Finnische Armee (auch Weiße Armee), in der er schnell zum Oberstleutnant befördert wurde. Im Sommer 1918 wurde er zum Stabschef der 1. Division, und Anfang September zum Regimentskommandeur ernannt. Im November 1919 wurde er aus der finnischen Armee verabschiedet. Im Frühjahr 1920 trat Stahel seinen Dienst bei der finnischen Grenzschutzpolizei an, wo er für fünf Jahre als Kommandeur des Schutzkorps in Turku an der Südwestküste Finnlands eingesetzt wurde. Von 1922 bis 1934 wurde er auch als Reserveoffizier der Finnischen Armee geführt.
Zum 1. August 1940 erfolgte Stahels Versetzung als Luftwaffen-Kontrolloffizier zur Kontrollkommission I in den unbesetzten Teil Frankreichs nach Bourges, wo er ab Anfang Januar 1941 als Stabschef tätig war. Stahel wurde nun auch im Rang eines Oberstleutnants in den aktiven Dienst übernommen. Als solcher wurde er Ende März 1941 zum Kommandeur des neuen Flakregiments 34 (18. Flak-Division) ernannt, welches zu Beginn des Sommers 1941 im Deutsch-Sowjetischen Krieg beim Angriff auf Mittelrussland eingesetzt wurde. Am 1. März 1942 wurde Stahel zum Oberst befördert und gab Mitte April 1942 sein Kommando an Oberst Hermann Rudhardt ab. Gleichzeitig wurde er als Nachfolger des damaligen Obersten und späteren Generalleutnants Adolf Pirmann zum Kommandeur des Flakregiments 99 im Südabschnitt der Ostfront ernannt. Dieses Kommando gab er im Sommer 1942 an Oberstleutnant Eduard Obergerthmann ab und wurde stattdessen mit der Aufstellung und Führung der 4. Luftwaffen-Felddivision beauftragt.
Bei den Abwehrkämpfen Ende 1942 verteidigte Stahel als Führer einer Luftwaffen-Kampfgruppe im Südabschnitt der Ostfront seinen Frontabschnitt im Raum Stalingrad. Am 21. Januar 1943 wurde er zum Generalmajor befördert und dann in den Bereich der Luftflotte 4 abkommandiert. Ende Mai 1943 wurde er dann zum Kommandeur der neuen 22. Flak-Brigade in Italien ernannt und mit dem Schutz der Straße von Messina betraut.
Von Mitte September bis Ende Oktober 1943 war Stahel Kampfkommandant von Rom.[1] Im Vorfeld der Deportation römischer Juden 1943 versuchte Papst Pius XII. über die Stadtkommandantur, die anstehende Razzia aufzuhalten. Er sandte seinen Verbindungsmann zu den deutschen Dienststellen, so auch zu Stahel. Auch dieser wies das Ansinnen von sich mit der Bemerkung, dass er nichts damit zu schaffen habe; die Aktion sei allein Sache der SS. „Trotzdem habe ich selbstverständlich Ihre Bedenken den zuständigen Stellen umgehend zur Kenntnis gebracht.“[2] Die zahlreichen von Stahel ausgestellten Schutzbriefe verboten Hausdurchsuchungen in römischen Ordenshäusern und retteten so die darin versteckten Juden und Antifaschisten.[3]
Anfang Juli 1944 wurde Stahel zum Kommandanten des Festen PlatzesWilna (Vilnius) in Litauen ernannt.[4] Am 14. Juli 1944 wurde er namentlich im Wehrmachtbericht erwähnt: „Die tapfere Besatzung der alten litauischen Hauptstadt Wilna unter Führung ihres Kommandanten, Generalleutnant Stahel, durchbrach nach fünftägigem Widerstand gegen überlegene feindliche Kräfte befehlsgemäß den sowjetischen Einschließungsring und kämpfte sich zu den westlich unter Oberst Tolsdorff bereitstehenden Truppen durch.“[5] Für die „Bindung starker feindlicher Kräfte vor der Festung“ wurde er im Juli 1944 zum Generalleutnant befördert.
In Gefangenschaft wurde er im August 1951 vom Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR (MGB) als Kriegsverbrecher festgenommen. Im Februar 1952 verurteilte ihn das Militärtribunal des MGB zu 25 Jahren Gefängnishaft.[10]
Rainer Stahel verstarb am 30. November 1955 im Kriegsgefangenenlager 5110/48 Woikowo bei Iwanowo an einem Herzanfall und wurde auf dem nahegelegenen Soldatenfriedhof Tschernzy beigesetzt.
Das 1. Lothringische Infanterie-Regiment Nr 130 : Nach d. amtl. Kriegstagebüchern u. persönl. Aufzeichngn ; Mit 4 Kt., 7 vom Verf. gezeichn. Skizzen (auf 3 Bl.), Band 99 der Erinnerungsblätter deutscher Regimenter. Gerh. Stalling, Oldenburg in Oldenburg 1924, S.115 S. ; 8 + u. 7 Anlagen.
Der Nachtangriff auf Heippes am 9./10. Sept. 1914. Verein der ehemaligen Offiziere des 1. Lothringischen Infanterie Regiments Nr. 130, 1937.
Literatur
Samuel W. Mitcham: The German Defeat in the East, 1944–45. Stackpole Books, Stackpole Military History, 2007, ISBN 0-8117-3371-8, S.296, hier S. 57, S. 89 mit Biografie, S. 191.
↑Saul Friedländer, Martin Pfeiffer: Das Dritte Reich und die Juden, Band 2: Die Jahre der Vernichtung, 1939–1945. C.H.Beck, München 2006, ISBN 3-406-54966-7, S.869, hier S. 591.
↑E. M. Jung-Inglessis: Ein deutscher General als Beschützer des Vatikans. In: Osservatore Romano. Wochenausgabe in deutscher Sprache. Nr.6, 5. Februar, 1982.
↑Joachim Tauber, Ralph Tuchtenhagen: Vilnius: kleine Geschichte der Stadt. Böhlau Verlag, Köln, Weimar 2007, ISBN 3-412-20204-5, S.284, hier S. 204.
↑Erich Murawski (Hrsg.), Oberkommando der Wehrmacht: Der deutsche Wehrmachtbericht, 1939–1945. Band 9 von Schriften des Bundesarchivs, Sn. 1962, S. 194.
↑Włodzimierz Borodziej: Der Warschauer Aufstand 1944. Fischer, 2001, ISBN 3-10-007806-3, S.251, hier S. 142–144.
↑Norman Davies: Rising '44: the battle for Warsaw. Viking, London 2004, ISBN 0-670-03284-0, S.752, hier S. 249 und 249.
↑Hans Kissel: Die Katastrophe in Rumänien 1944, Bände 5-6 von Beiträge zur Wehrforschung. Wehr und Wissen, Koblenz 1964, S.287, hier S. 143–144.
↑Eugen Bantea, Constantin Nicolae, Gheorghe Zaharia: Romania in the war against Hitler’s Germany, August 1944-May 1945. Meridiane Publishing House, 1970, S.291 , hier S. 46 und 47.
↑Veit Scherzer: Ritterkreuzträger 1939–1945. Die Inhaber des Eisernen Kreuzes von Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine, Waffen-SS, Volkssturm sowie mit Deutschland verbündete Streitkräfte nach den Unterlagen des Bundesarchivs. 2. Auflage. Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S. 716.