gelegentlich schwache gelborange Fluoreszenz unter kurz- und langwelligem UV-Licht
Phosgenit, auch unter seinen bergmännischen Bezeichnungen Bleihornerz oder Hornblei sowie synonym als Cromfordit oder Kerasin bzw. bekannt, ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Carbonate und Nitrate“ mit der chemischen Zusammensetzung Pb2[Cl2|CO3][3]. Das Mineral ist damit chemisch gesehen ein Blei-Carbonat mit zusätzlichen Chlorionen.
Phosgenit kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem und entwickelt meist kurz- bis langprismatische oder tafelige Kristalle, aber auch körnige bis massige Mineral-Aggregate mit diamantähnlichem Glanz auf den Oberflächen. In reiner Form ist Phosgenit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß erscheinen und durch Fremdbeimengungen eine hellrosa, grünliche, gelbliche oder bräunlichgelbe bis braune Farbe annehmen.
Als Erstbeschreibung des Phosgenits gilt die von 1841 durch August Breithaupt (1791–1873), der das Mineral aufgrund seiner Zusammensetzung nach der chemischen Verbindung Phosgen benannte. Es ist allerdings möglich, dass die Erstbeschreibung auch schon um 1800 durch Dietrich Ludwig Gustav Karsten erfolgte, der es in den „Mineralogischen Tabellen“ (Berlin, Erste Edition: 78) als Hornblei beschrieb,[5] aber wohl nicht als eigenständiges Mineral erkannte.
Bereits 1785 wurde durch Charles Grenvill (nach Bridges und Smith, 1983) in England, genauer in der „Bage Mine“ bei Cromford in Derbyshire ein Mineral entdeckt, dass zunächst für eine neue Mineralart gehalten wurde und nach seiner Typlokalität als Cromfordit bezeichnet wurde.[6] Später stellte sich allerdings heraus, dass es sich um Phosgenit handelte.[7]
Klassifikation
In der veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Phosgenit zur gemeinsamen Mineralklasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort zur Abteilung der „Wasserfreien Carbonate mit fremden Anionen“, wo er als Namensgeber zusammen mit Bismutit die „Phosgenit-Bismutit-Gruppe“ mit der System-Nr. V/C.09 und den weiteren Mitgliedern Beyerit und Kettnerit bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Phosgenit in die neu definierte Klasse der „Carbonate und Nitrate“, dort aber ebenfalls in die Abteilung der „Carbonate mit zusätzlichen Anionen; ohne H2O“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit Blei (Pb) und Bismut (Bi)“ zu finden ist, wo es zusammen als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 5.BE.20 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Phosgenit in die Klasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort in die Abteilung der „Carbonate - Hydroxyl oder Halogen“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 16a.03.04 innerhalb der Unterabteilung „Carbonate - Hydroxyl oder Halogen mit (AB)2(XO)3Zq“ zu finden.
Als seltene Mineralbildung konnte Phosgenit nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand 2016) rund 150 Fundorte als bekannt gelten.[8]
In Deutschland trat das Mineral bisher unter anderem auf Schlackenhalden bei Richelsdorf in Hessen, Astfeld in Niedersachsen und der ehemaligen Gemeinde Kall (heute Mechernich) sowie in verschiedenen Gruben bei Selbeck (Ratingen), Velbert, Essen und Marl in Nordrhein-Westfalen und Puderbach in Rheinland-Pfalz auf.
In Österreich fand man Phosgenit auf einer Schlackenhalde bei Waitschach (Gemeinde Hüttenberg) in Kärnten, auf Schlackenhalden in der Gemeinde Kolm-Saigurn im Hüttwinkl-Tal (Hohe Tauern) und bei Schwarzleo in der Gemeinde Leogang in Salzburg und in der Gemeinde Oberzeiring in der Steiermark.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Argentinien, Australien, Brasilien, Chile, Frankreich, Griechenland, Iran, Irland, Italien, Marokko, Mexiko, Namibia, Norwegen, Polen, Russland, Südafrika, Tschechien, Tunesien, im Vereinigten Königreich (UK) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[9]
Verwendung
Als Pigment und in der Medizin
Bei der chemischen Analyse verschiedener Kosmetika und Augenschminke der Alten Ägypter wurden ungewöhnlicherweise auch Gemenganteile von Phosgenit und Laurionit gefunden. Beide Minerale sind überwiegend weiß und kommen nur selten in der Natur vor. Experimente bewiesen, dass die Verbindungen mit geringem Aufwand wenn auch zeitintensiv schon bei Zimmertemperatur synthetisch hergestellt werden kann. Die untersuchenden Forscher stellten die Vermutung auf, dass der Verwendungsgrund nicht allein die Einstellung der gewünschten Schminkfarbe gewesen sein konnte, da dies leichter durch die Verwendung des reichlich natürlich vorkommenden Cerussits zu bewerkstelligen gewesen wäre.
In der Römerzeit wurden diese Substanzen zu therapeutischen, gesundheitsvorbeugenden und kosmetischen Zwecken verwendet. In antiken Texten von Plinius dem Älteren und Pedanios Dioskurides ist zu lesen, dass das hergestellte Puder zu einer Art Augentropfen verarbeitet wurde oder genutzt wurde, um Hautflecken im Gesicht der Frauen zu überdecken.[10]
Als Schmuckstein
Zur kommerziellen Verwendung als Schmuckstein ist der Phosgenit mit einer Mohshärte von nur 2 bis 3 zu weich. Als Sammelobjekte werden sie dennoch gern von Hobby- oder auch professionellen Schleifern in Facettenform geschliffen.[11][12]
Dietrich Ludwig Gustav Karsten: Tabellarische Uebersicht der mineralogisch-einfachen Fossilien [als Hornblei]. In: Mineralogische Tabellen Heinrich August Rottmann, Berlin 1800, S. 50–50
August Breithaupt: Phosgenites plumbosus kürzer Phosgenit. In: Vollständige Charakteristik des Mineral-Systems. Band 2, Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1841, S. 183–184 (137,7 kB)
↑ abcdHugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S.300.
↑ abPhosgenite. in: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org PDF; 63,5 kB).
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J. Jones: Mineralogy of Bage Mine. In: Bulletin Peak District Mines Historical Society. Band 8, Nr. 4, December 1982 (englisch, PDF 150,2 kB (Memento des Originals vom 13. Mai 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.pdmhs.com).
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Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten. 1900 Einzelstücke. 16. überarbeitete Auflage. BLV Verlag, München 2014, ISBN 978-3-8354-1171-5, S.224.