Nikolaus trat um 1300 in den Franziskanerorden ein. Er studierte Theologie an der Universität von Paris, wo er in einer Urkunde von 1307 als Bakkalaureus bezeugt ist.[1] 1319 wurde er Ordensprovinzial von Frankreich und 1326 von Burgund. Er starb am 23. Oktober 1349 im Franziskanerkonvent in Paris.
Wegen seiner hebräischen und rabbinischen Kenntnisse glaubte man, Nikolaus sei jüdischer Herkunft gewesen. Er schrieb seinen fortlaufenden Kommentar zur Bibel Postillae perpetuae zwischen 1322 und 1331.[2] Mehr als dies sonst im Mittelalter der Fall war, ging es Nikolaus in seinem Kommentar um den Wortsinn (sensus litteralis).[3] Dabei ging er insbesondere auf jüdische exegetische Traditionen ein, unter anderem auf Raschi.[4] Im Druck erschien sein Bibelkommentar erstmals in fünf Bänden 1471 in Rom, dies war der erste gedruckte Bibelkommentar überhaupt. Zahlreiche weitere Ausgaben folgten. Auch Martin Luther benutzte Nikolaus von Lyras Bibelkommentar, siehe das schon zu seinen Lebzeiten verbreitete geflügelte Wort: „Si Lyra non lyrasset, Lutherus non saltasset“ („Hätte Lyra nicht gespielt, so hätte Luther nicht getanzt“).[5]
Werke
Der Postillae perpetuae wurde ab dem 15. Jahrhundert zusammen mit Kommentaren anderer Autoren sowie mit einer Übersetzung der Bibel in mehrbändigen Werksammlungen gedruckt.
Seite aus der Biblia cum postillis Nicolai de Lyra, gedruckt in Straßburg 1492.
Nikolaus von Lyra, Postilla super Pentateuchum. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 1518, fol. 1r. Die Handschrift wurde im Jahr 1430 geschrieben.
Literatur
in der Reihenfolge des Erscheinens
Henri Labrosse: Sources de la biographie de Nicolas de Lyre. In: Études franciscaines, Jg. 16 (1906), S. 383–404.
Klaus Reinhardt: Das Werk des Nikolaus von Lyra im mittelalterlichen Spanien. In: Traditio, Jg. 43 (1987), S. 321–358.
Philippe Bobichon: Nicolas de Lyre dans la littérature hébraïque et juive. XIVe-XVIIe siècles. In: Gilbert Dahan (Hrsg.): Nicolas de Lyre, franciscain du XIVe siècle exégète et théologien (= Collection des études Augustiniennes. Série Moyen Âge et Temps modernes, Bd. 48). Institut d’Études Augustiniennes, Paris 2011, S. 281–312 (online).
Digitalisat der Bibel mit Glossen der Werksammlung von Lyon 1545
Einzelnachweise
↑Philip D. W. Krey, Lesley Smith (Hrsg.): Nicholas of Lyra. The Senses of Scripture. Brill, Leiden 2000, S.1f.
↑Martin Anton Schmidt: Art. Nikolaus von Lyra. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 24, S. 564–566, hier S. 564.
↑Kurt Ruh: Art. Nikolaus von Lyra. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 6. de Gruyter, Berlin 1987, Sp. 1117–1122.
↑Albert van der Heide: Art. Salomo ben Isaak (Raschi). In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 29: Religionspsychologie – Samaritaner, 1998, S. 736–740, hier S. 739.
↑Max Nordau: Vortrag, gehalten in Amsterdam, 17. April 1899. In: Reden und Schriften zum Zionismus. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Karin Tebben. de Gruyter Oldenbourg, Berlin 2018, ISBN 978-3-11-056186-9, S. 495–505, hier S. 503.