Marianna Kijanowska stammt aus einer galizischen Familie, eine Großmutter war Polin, ein Großvater lehrte der Universität Lemberg. Sie studierte nach ihrem Schulabschluss ukrainische Philologie und beendete 1997 an der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw ihr philologisches Studium. In den Studienjahren gehörte sie zu einer Gruppierung angehender Schriftsteller, die sich mit einem aus den Anfangsbuchstaben ihrer Mitglieder erstellten Akronym MMJuNNA (Marjana Sawka, Marianna Kijanowska, Julija Mischtschenko, Natalka Sniadanko, Natalja Tomiv, Anna Sereda) TUHA (Gesellschaft einsamer Graphomanen – Товариство усамітнених ГРАФОМАНОК) benannte.
Ihr organisatorisches Talent ließ sie zur Koordinatorin des Lwiwer Zirkels der Vereinigung ukrainischer Schriftsteller und später zur Direktorin des ab 2011 verliehenen ukrainischen Kinderbuchpreises „Großer Igel“ werden. Seit 2000 ist sie Mitglied der beiden ukrainischen Schriftstellerverbände.
Kijanowska lebt und wirkt in Lwiw, ist verheiratet mit einem Übersetzer und Mutter einer erwachsenen Tochter.
Auszeichnungen
1999 Bohdan-Ihor-Antonytsch-Preis Diplom II
2006 Nestor-Preis für die beste literarische Publikation in der Zeitschrift „Kyjiwska Rus“
Das Werk Kijanowskas ist vor allem konzentriert auf Gedichte und Übersetzungen.
Seit 1997 sind in regelmäßigen Abständen über ein Dutzend Bände mit tiefsinnigen, oftmals metaphysisch akzentuierten Gedichten der Autorin erschienen. Ihr Stil wird beschrieben als von Neoromantik und Neobarock geprägt. Für ihren Band „Babyn Jar. Stimmen“ von 2017, der ein wichtiger literarischer Beitrag zur Diskussion über den Holocaust in der Ukraine ist, erhielt sie den Taras-Schewtschenko-Preis 2020.
Eine besondere Verbindung pflegt die Autorin zur polnischen Literatur. Nachdem Kijanowska 2003 wie viele andere Lwiwer Autoren und Übersetzer Stipendiatin des „Gaude Polonia“-Programms des polnischen Kulturministeriums war, leitete sie von 2004 bis 2006 die Rubrik „Neue polnische Literatur“ in der Literaturzeitschrift „Kurʼjer Kryvbasu“. Anschließend legte sie mehrere Bände polnischer Autoren in ukrainischer Übersetzung vor. 2014 wurde sie daher vom polnischen Staat geehrt.
Seit langem übersetzt Kijanowska außerdem Texte und Bücher, und zwar vornehmlich Gedichtbände aus dem Englischen und dem Russischen. Einen Gedichtband übersetzte sie auch dem Aserbaidschanischen. In Artikeln, Rezensionen und Interviews ist Kijanowska in ukrainischen und polnischen Zeitungen und Zeitschriften präsent.
Beim Band „Babyn Jar. Stimmen“ von 2017, übersetzt ins Deutsche von Claudia Dathe, erschienen in Berlin 2024, handelt es sich um den erste Band einer Trilogie. Der zweite Band erschien 2023 unter dem Titel „Der Blitz begegnet Wind und Wasser“ und handelt vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der dritte Band soll die zersetzende Wirkung des Krieges auf alle Lebensbereiche thematisieren.[1]
Gedichtbände
Inkarnation (Інкарнація). Lwiw-Kiew 1997.
Sonettenkränze (Вінки сонетів). Paris u. a. 1999.
Mythopraxis (Міфотворення). Kiew 2000.
Liebe und Krieg (Кохання і війна), in Gemeinschaft mit Marjana Sawka. Lwiw 2002.
Buch Adam (Книга Адама). Iwano-Frankiwsk 2004.
Gewöhnliche Sprache (Звичайна мова). Kiew 2005.
Etwas Tag für Tag (Дещо щоденне). Kiew 2008.
Der Weg entlang des Flusses (Стежка вздовж ріки), Kiew 2008.
An ER (ДО ЕР), Lwiw 2014.
373 (373), Lwiw 2014.
Briefe aus Litauen/ Briefe aus Lwiw (Листи з Литви /Листи зі Львова), in Gemeinschaft mit Marjana Sawka. Lwiw 2016.
Gedichte und Erzählungen Kijanowskas sind unter anderem ins Belarussische, Deutsche, Englische, Hebräische, Polnische, Russische, Schwedische, Serbische und Tschechische übersetzt. Oftmals erschienen die Übersetzungen in Anthologien.
Erzählungen
In der Sammlung Skype Mama erschien Kijanowskas Erzählung „Kirschen“.
Übersetzungen
Sälim Babullaoğlu, Hymne maskierter Menschen. Gedichte, übers. aus dem Aserbaidschanischen. Kiew 2009.
Julian Tuwim, Vogelradio, übers. aus dem Polnischen. Kiew 2010.
Tadeusz Dąbrowski, Das schwarze Quadrat, übers. aus dem Polnischen. Czernowitz 2013.
Julian Tuwim, Elefant Trąbalski, übers. aus dem Polnischen. Lwiw 2016.
↑Ilma Rakusa, Sie lässt die Toten sprechen. Marianna Kijanowska schreibt einen berühmten Gedichtezyklus über das Massaker von Babin Jahr während des Holocaust, Neue Zürcher Zeitung, 26. Juni 2024, S. 30
↑Jens Uthoff: Gedichte von Marianna Kijanowska: Schmerz ist ein Ort im Morgen. In: Die Tageszeitung: taz. 11. August 2024, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 8. Dezember 2024]).