Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Lysin, abgekürzt Lys oder K, ist in seiner natürlichen L-Form eine essentielle proteinogene α-Aminosäure. Es ist benannt nach der Isolierung aus aufgelöstem Casein, von λύσις lysis „Auflösung“.[5]
Der Einbuchstabencode K für Lysin wurde aufgrund der alphabetischen Nähe zugeordnet, nachdem L bereits dem strukturell einfacheren Leucin und M dem Methionin zugeordnet war.[6][7]
In den Proteinen kommt, neben anderen Aminosäuren, ausschließlich L-Lysin [Synonym: (S)-Lysin] peptidisch gebunden vor. Enantiomer dazu ist das spiegelbildliche D-Lysin [Synonym: (R)-Lysin], das in Proteinen nicht vorkommt. Racemisches DL-Lysin [Synonyme: (RS)-Lysin und (±)-Lysin] hat eine geringere Bedeutung als L-Lysin, besitzt jedoch kommerzielle Bedeutung als basische Komponente in Arzneistoff-Salzen, z. B. mit Acetylsalicylsäure.
Wenn in diesem Text oder in der wissenschaftlichen Literatur „Lysin“ ohne weiteren Namenszusatz erwähnt wird, ist L-Lysin gemeint.
Nach der Entdeckung des Phenylalanins äußerte der deutsche Chemiker Ernst Schulze die Vermutung, dass Proteine noch aus weiteren Aminosäuren als den bis dahin bekannten aufgebaut sind. Unter anderem dies veranlasste Edmund Drechsel, erneut die Bestandteile der Salzsäurespaltung von Casein zu untersuchen.[8] Nach der Behandlung mit Phosphorwolframsäure gelang es Drechsel 1889 die Platinsalze von Lysin zu isolieren.[9]
Sein Schüler Max Siegfried veröffentlichte 1891 die richtige Zusammensetzung dieser Aminosäure.[10] 1902 gelang dem Nobelpreisträger Emil Fischer und seinen Assistenten Fritz Weigert die finale Aufklärung der Struktur mit der Synthese von Lysin.[11]
Eigenschaften
Gemeinsam mit L-Arginin und L-Histidin gehört L-Lysin in die Gruppe der basischen und zugleich proteinogenen α-Aminosäuren oder Hexonbasen. Lysin besitzt zwei basische primäre Aminogruppen, eine in α-Position zur Carboxygruppe und eine in der ε-Position der Seitenkette. Die Ladung des Lysins ist – wie bei allen Aminosäuren – vom pH-Wert abhängig.
Lysin liegt überwiegend als „inneres Salz“ bzw. Zwitterion vor, dessen Bildung dadurch zu erklären ist, dass das Proton der Carboxygruppe zum freien Elektronenpaar des Stickstoffatoms der ε-Aminogruppe wandert, die stärker basisch ist als die α-Aminogruppe:[12]
Im elektrischen Feld wandert das Zwitterion nicht, da es als Ganzes ungeladen ist. Genau genommen ist dies am isoelektrischen Punkt (bei einem bestimmten pH-Wert, hier 9,82[13]) der Fall, bei dem das Lysin auch seine geringste Löslichkeit in Wasser besitzt.
Weitere physikochemische Daten für Lysin sind:[14]
Industriell werden mehrere 100.000 Tonnen L-Lysin pro Jahr hergestellt. L-Lysin wird heute ausschließlich nach der Fermentationsmethode hergestellt, obgleich organisch-chemische Syntheserouten entwickelt wurden.[15]
Vorkommen
Lysin ist eine für den Menschen und andere Säugetiere, wie beispielsweise Schweine, essentielle Aminosäure und muss mit der Nahrung zugeführt werden. Die folgenden Beispiele für den Gehalt an Lysin beziehen sich jeweils auf 100 g des Lebensmittels, zusätzlich ist der prozentuale Anteil am Gesamtprotein angegeben:[16][17]
Alle diese Nahrungsmittel enthalten praktisch ausschließlich chemisch gebundenes L-Lysin als Proteinbestandteil, jedoch kein freies L-Lysin. Getreide enthalten meist geringere L-Lysin-Anteile unter den Aminosäuren des Proteinbestandteils, als es für die menschliche Ernährung optimal ist.[19]
Die Einschätzungen des Tagesbedarfs für gesunde Erwachsene reichen, je nach verwendeter Methode, von 8 bis 45 mg Lysin pro Kilogramm Körpergewicht. Eine Expertenkommission der FAO/WHO/UNU ging im Jahr 2002 von einem täglichen Bedarf zwischen 30 mg und 64 mg pro Kilogramm Körpergewicht für Säuglinge und Erwachsene aus.[20]
Eine herausragende Bedeutung haben die Aminosäure Lysin und ihre methylierten Formen bei der Histonmodifikation. Speziell die Lysin-Reste am Histon 3 und 4 sind die bevorzugten Substrate von Histon-modifizierenden Enzymen (Histon-Acetyltransferasen, Histon-Deacetylasen, Histon-Methyltransferasen, Histon-Demethylasen). Durch die dadurch erfolgte Lysin-Acetylierung oder Lysin-Methylierung (oft an mehreren Stellen im Molekül) ändert sich die elektrostatische Wechselwirkung zwischen den Histonen und der genomischen DNA, wodurch bei letzterer der Zugang von Transkriptionsfaktoren und DNA-modifizierenden Enzymen reguliert wird. Diese Histon-Lysin-Modifikationen sind damit ein wesentlicher, molekularer Mechanismus der epigenetischen Gen-Regulation.
Eine weitere Modifikation ist die Ubiquitinierung in Proteinen, die damit für den Abbau durch das Proteasom markiert werden.
In der Natur wurden zwei Wege für die Synthese von Lysin identifiziert. Der Diaminopimelat (DAP)-Weg gehört zur Familie der von Aspartat abgeleiteten Biosynthese, die auch an der Synthese von Threonin, Methionin und Isoleucin beteiligt ist.[21][22] Der α-Aminoadipat (AAA)-Weg hingegen ist Teil der Glutamat-Biosynthese-Familie.[23][24]
Der DAP-Weg findet sich sowohl in Prokaryoten als auch in Pflanzen und beginnt mit der durch Dihydrodipicolinat-Synthase (DHDPS) (E.C 4.3.3.7) katalysierten Kondensationsreaktion zwischen dem von Aspartat abgeleiteten L-Aspartat-Semialdehyd und Pyruvat zur Bildung von (4S)-4-Hydroxy- 2,3,4,5-Tetrahydro-(2S)-dipicolinsäure (HTPA).[25][26][27][28][29] Das Produkt wird dann durch Dihydrodipicolinat-Reduktase (DHDPR) (E.C 1.3.1.26) mit NAD(P)H als Protonendonorreduziert, um 2,3,4,5-Tetrahydrodipicolinat (THDP) zu erhalten.[30]
Verwendung
Die Hauptmengen des industriell erzeugten L-Lysins werden in der Futtermittelsupplementierung eingesetzt, um den Nährwert natürlicher Futtermittel (Getreide) mit einem geringen Gehalt an L-Lysin deutlich zu steigern.[15][31]
Racemisches DL-Lysin besitzt kommerzielle Bedeutung als basische Komponente in Arzneistoff-Salzen, z. B. mit Acetylsalicylsäure (ASS).
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