Im Zweiten Weltkrieg war Nürnberg eines der bevorzugten Ziele der alliierten Bomber, geriet wegen seiner Lage im Süden Deutschlands jedoch erst relativ spät in ihren Aktionsradius. Aufgrund der starken Industrie und seiner Funktion als Verkehrsknotenpunkt, aber auch als Wohnstadt und aufgrund der symbolischen Bedeutung als „Stadt der Reichsparteitage“ bot sie für die Alliierten ein wichtiges Ziel.
22 schwere und mittelschwere Luftangriffe auf Nürnberg wurden durch RAF und USAAF durchgeführt. Dabei kamen über 7.800 schwere Bombenflugzeuge zum Einsatz. Die größten Zerstörungen richtete der Angriff vom 2. Januar 1945 an, als 521 Bomber der RAF innerhalb einer halben Stunde 6.000 Sprengbomben und eine Million Brandbomben abwarfen. Die Bevölkerung hatte bei diesem Angriff, der gemäß der britischen Area Bombing Directive erfolgte, über 1.800 Tote und 100.000 Obdachlose zu beklagen. Von 1941 bis 1945 gab es insgesamt über 6.000 Luftkriegstote. Die Nürnberger Altstadt, unter der alte Felsengänge als Luftschutz dienten, wurde fast vollständig zerstört, die Stadt als Ganzes schwer beschädigt. Nürnberg war in Bayern nach Würzburg die im Bombenkrieg meistzerstörte Stadt und nimmt auch in Deutschland einen der vorderen Plätze ein.[1] Die östliche Sebalder Seite (nördlich der Pegnitz) wurde nach der Zerstörung und während der Enttrümmerung als „Steppe“ bezeichnet. Heute besteht Nürnberg zu etwa 25 % aus Bauten von vor dem Zweiten Weltkrieg.[2]
Die Luftangriffe endeten mit dem 11. April 1945. Am 20. April wurde die Stadt nach der Schlacht um Nürnberg mit mehrtägigem Artillerie-Beschuss von Einheiten der 7. US-Armee besetzt.
Nürnberg war wichtiger Produktionsstandort für Rüstungsgüter und die dicht besiedelte mittelalterliche Altstadt ein gut geeignetes Ziel für die Zwecke der britischen Area bombing directive. Auch war Nürnberg, im Nationalsozialismus offiziell mit dem Beinamen „Stadt der Reichsparteitage“ versehen, ein Angriffsziel mit erheblicher Symbolwirkung.
Die Innenstadt wies im Verhältnis zur Gesamtbaumasse einen hohen Anteil an Fachwerkhäusern, also durch hohen Holzanteil gut brennbaren Gebäuden auf und eignete sich deshalb für einen effektiven Angriff mit Kombinationseinsatz von Spreng- und Brandbomben. Zweck war die Entfachung eines Feuersturms zur Steigerung der Wirkung der Brandbomben. Tagesangriffe auf Industrie- und Infrastrukturziele mit dem Bemühen um technologisch nur bedingt mögliche hohe Zielgenauigkeit wurden aufgrund erfolgter Arbeitsteilung der alliierten Luftflotten zumeist durch die technisch besser ausgestatteten US Army Air Forces geflogen, während nächtliche Flächenbombardements meist von der britischen RAF mit ihrer Pathfinder Force geflogen wurden.[3]
Chronologie der Luftangriffe auf Nürnberg und Umgebung
Bis 1942 gab es nur kleinere Angriffe. 1942 bis 1944 wurde um die Luftherrschaft über Deutschland gekämpft. Ab 1944 hatten die Alliierten diese weitgehend errungen. Ab Herbst 1944 waren die Flugplätze der Angreifer so nah herangerückt, dass auch Tiefflieger erschienen. Die Tabelle orientiert sich an den Angaben von G. W. Schramm.[5]
Wegen Wolkendecke fielen die meisten Bomben ins Knoblauchsland, andere trafen nördliche und nordwestliche Stadtteile, das Werk der Dynamit AG in Stadeln/Fürth sowie die Wehrkirche in Kraftshof
27 Tote; 44 große, 8 mittlere und 10 kleine Brände
8./9. März ab 23:00 Uhr
335 viermotorige Bomber der RAF
358 t Spreng- und 412 t Brandbomben
Südliche Altstadt: Dachstuhl der Mauthalle; außerdem Kaiserburg, Siemens-Trafowerk, Rangierbahnhof
343 Tote; 171 große, 339 mittlere und 1746 kleine Brände; Zeitzünderbomben
Dunkelheit, starke Flak und Nachtjäger störten den Zielanflug, viele Bomben fielen auf südliche Vororte. In Nürnberg: Maxfeld, Nordostbahnhof, südliche Altstadt, Laufamholz; die Unternehmen Neumeyer und MAN
56 Tote; 458 zerstörte, 361 mittelschwer und 1704 wenig beschädigte Häuser
795 Bomber der RAF: 572 Lancaster, 214 Halifax, 9 Mosquitos
910 t Spreng- und 1176 t Brandbomben
Die Angreifer hatten große Verluste: 95 Bomber wurden abgeschossen (siehe Kölner Loch). In Nürnberg wurde der Angriff als „mittelschwer“ eingestuft, in den östlichen Nachbarorten (Röthenbach an der Pegnitz, Behringersdorf, Lauf an der Pegnitz) entstanden weitere Schäden
In Nürnberg: 74 Tote und 122 Verletzte; 130 zerstörte, 879 mittelschwer und 2505 wenig beschädigte Häuser
Ziel war die MAN, wegen Wolkendecke war aber kein genaues Zielen möglich. Getroffen wurde auch die nördliche Altstadt: Weinstadel, Viatishaus, 62 Patrizierhäuser, nördlich der Sebalduskirche die Moritzkapelle zusammen mit dem Bratwurstglöcklein vernichtet, ebenso die Walburgiskapelle neben weiteren Gebäuden der Burg. Die Fassade des Dürerhauses durch eine Sprengbombe aufgerissen, Innenhof und Rückgebäude des Pellerhauses durch Sprengbombenvolltreffer schwer beschädigt. Sebalduskirche erhielt erstmals schwere Treffer am Hallenchor und vor dem Brautportal; Brandschäden geringeren Ausmaßes erlitten die Kirchen St. Lorenz , St. Klara , St. Martha , St. Jakob und , außerhalb der Altstadt , die Rochuskapelle. Auch das Rathaus und erneut die Mauthalle beschädigt durch Spreng- oder Brandbomben, ebenso die Stadtbefestigung (Fronveste, der Frauentorturm, das Vestnertor und der Laufer Schlagturm).[6]
Süd- und Altstadt. Gustav-Adolf-Kirche, MAN, Siemens, Rangierbahnhof
237 Tote, 10.383 Obdachlose
62 Fliegeralarme und öffentliche Luftwarnungen
25./26. November
Mosquitos der RAF
Kleiner Störangriff, ein Zug und mehrere Gebäude wurden getroffen
über 60 Tote
bis 24. Dezember
Mosquitos der RAF
Weitere kleine Störangriffe; in England „Mosquitos on siren tours“ genannt
1945
2. Januar, abends
514 Lancaster und 7 Mosquitos der RAF
1825 t Spreng- und 479 t Brandbomben
Völlige Zerstörung der Nürnberger Altstadt mit unersetzlichen Schäden an der historischen Bausubstanz. Außerdem wurden Rüstungsfirmen getroffen: MAN, TEKADE, Nüral, Nürnberger Schraubenfabrik
1835 Tote[7], mehr als 3000 Verletzte, 100.000 Obdachlose; 4553 zerstörte, 2047 schwer, 2993 mittelschwer und 7000 leicht beschädigte Häuser; Feuersturm und 2 Blockbrände, 1194 Groß-, 851 Mittel- und 1070 Kleinbrände
Januar und Februar
Mosquitos der RAF
Weitere kleine Störangriffe
20. Februar 12:30 Uhr
831 B-17 und 360 B-24 der USAAF
Bereits auf dem Anflug mussten die B-24 wegen Unwetter umkehren. Wegen Wolkendecke über dem Ziel wurden die Bomben blind geworfen und über die ganze Stadt verteilt; Häufungen bei Bahnanlagen und in der Südstadt
Durch die RAF wurden 14, durch die USAAF 8 schwere bis mittelschwere Angriffe auf Nürnberg durchgeführt. Dabei wurden über 7.800 schwere Bombenflugzeuge eingesetzt, dazu Schnellbomber Mosquito und ungezählte Begleitjäger. Die Addition der Opfer aus der Tabelle ergibt über 6.000 Luftkriegstote.
Todesopfer, Begräbnis- und Gedenkstätten
Die Hauptbegräbnisstätte für die Bombenopfer war der Nürnberger Südfriedhof. Dort liest man am Südturm: „ALS MAHNUNG UND ZUM GEDENKEN AN 6.621 MÄNNER, FRAUEN UND KINDER, OPFER DES BOMBENKRIEGES UND DER KÄMPFE IN DER HEIMAT IN DEN JAHREN 1941–1945“.
Zerstörungen
Die Nürnberger Altstadt war großteils zerstört, wozu der Feuersturm am 2. Januar 1945 erheblich beigetragen hat. Auch die Südstadt, St. Johannis und andere Stadtteile waren schwer getroffen. Nürnberg hatte unter den deutschen Großstädten nach Köln, Dortmund und Kassel die größte Menge Trümmerschutt je Einwohner.[8] Die Bevölkerung Nürnbergs war von über 420.000 im Jahre 1939 bis zum Kriegsende auf 195.000 zurückgegangen[9], die Hälfte der Wohnungen war zerstört, die restlichen oft beschädigt.
Wiederaufbau
In einem städtebaulichen Wettbewerb wurden 1947 Ideen zum Wiederaufbau gesammelt. Das „Kuratorium für den Wiederaufbau Nürnbergs“ beriet die Stadtverwaltung in den Fragen des Wiederaufbaus. Man einigte sich auf eine vereinfachende Rekonstruktion.[SL 2]
Um 1955 waren die meisten Wiederaufbauarbeiten abgeschlossen oder zumindest begonnen. Von 1956 bis 1960 wurde das Nürnberger Rathaus (Wolffscher Bau, Rathaussaalbau) wiedererrichtet. Bis 1957 wurde die Sebalduskirche instand gesetzt. Das größte Restaurierungsprojekt bildete die Stadtbefestigung mit ihrer 4 km langen Doppelmauer und dem Graben.[10]
Mahnmal
Das bei den Luftangriffen 1945 vollständig zerstörte Katharinenkloster Nürnberg, heute „Katharinenruine“ genannt, wurde nicht wieder aufgebaut, sondern 1970/71 als Ruine gesichert und dient seitdem als Mahnmal des Krieges sowie als Veranstaltungsort.[11]
Bombenfunde nach dem Zweiten Weltkrieg
Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden (und werden noch) Blindgänger im Nürnberger Stadtgebiet gefunden. Häufig werden sie zufällig bei Baumaßnahmen entdeckt, seltener wird gezielt nach ihnen gesucht. Für die Entschärfung und Sicherung der Fliegerbomben ist der Kampfmittelräumdienst zuständig. Dabei können großflächige Evakuierungen notwendig werden.
Georg W. Schramm: Die Zerstörung. In: 3 x Nürnberg: eine Bilderfolge aus unserem Jahrhundert. 2. Auflage. Verlag A. Hofmann, Nürnberg 1990, ISBN 3-87191-124-0.
Georg W. Schramm: Bomben auf Nürnberg. Luftangriffe 1940–1945. Hugendubel Heinrich, München 1988, ISBN 978-3-88034-394-8.
Georg Wolfgang Schramm: Der zivile Luftschutz in Nürnberg 1933–1945. Nürnberg: Stadtarchiv.
Michael Diefenbacher, Wiltrud Fischer-Pache (Hrsg.): Der Luftkrieg gegen Nürnberg. Stadt Nürnberg, Nürnberg 2004, ISBN 3-87707-634-3.
Martin Middlebrook: Die Nacht, in der die Bomber starben. Der Angriff auf Nürnberg und seine Folgen für den Luftkrieg (“The Nuremberg raid”), Ullstein Verlag, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-548-33005-3.
Peter Schneider: 30./31. März 1944. Tod am Meisbach: Absturz der Lancaster ND441 bei Dotzlar. In: Wittgenstein. Blätter des Wittgensteiner Heimatvereins, 2007, S. 130 ff.
↑Vgl. Friedrich, Jörg: Der Brand. 11. Auflage. Ullstein Verlag, München 2002, S. 113 ff.
↑Vgl. Friedrich, Jörg: Der Brand. 11. Auflage. Ullstein Verlag, München 2002, S. 115; ISBN 3-549-07165-5.
↑G. W. Schramm: Die Zerstörung. In: 3 x Nürnberg. Verlag A. Hofmann, Nürnberg 1990, S. 66 ff.
↑Georg Seiderer: Effizienz der Maßnahmen. In: Michael Diefenbacher, Wiltrud Fischer-Pache (Hrsg.): Der Luftkrieg gegen Nürnberg: der Angriff am 2. Januar 1945 und die zerstörte Stadt. Stadt Nürnberg, 2004, ISBN 978-3-87707-634-7, S.73–74.