Leopold Engleitner wuchs in Bad Ischl auf und hatte als Kind auch aus der Ferne Begegnungen mit Kaiser Franz Joseph. Anfang der 1930er Jahre beschäftigte er sich intensiv mit der Bibel, wechselte seine Religion und ließ sich 1932 als Zeuge Jehovas taufen. In der Zeit des Austrofaschismus hatte er von Seiten seiner Umgebung und der Behörden mit religiöser Intoleranz bzw. Verfolgung zu kämpfen.
1938 kam er nach dem „Anschluss Österreichs“ aufgrund seiner Weigerung, seinen Glauben aufzugeben sowie in Hitlers Armee Kriegsdienst zu leisten, mit der Ideologie des Nationalsozialismus in Konflikt.
Gefangenschaft und Kriegsende
Am 4. April 1939 wurde er in Bad Ischl von der Gestapo verhaftet und in Linz und Wels in Untersuchungshaft genommen. Vom 9. Oktober 1939 bis zum 15. Juli 1943 wurde er in den KonzentrationslagernBuchenwald, Niederhagen und Ravensbrück inhaftiert. Der einfache Bauernknecht brachte den Mut auf, seinem Gewissen zu folgen und den Dienst in Hitlers Armee zu verweigern. Er grüßte nicht mit „Heil Hitler!“. Im KZ Niederhagen lehnte es Leopold Engleitner ab, den „Revers“ (Erklärung) zu unterschreiben und damit seinem Glauben abzuschwören, obwohl ihm dies die Entlassung aus dem Konzentrationslager ermöglicht hätte. Engleitner kaufte sich im KZ einen Koffer für die unmöglich scheinende Heimreise. Trotz brutaler Behandlung in den Konzentrationslagern blieb sein Wille ungebrochen, für seine Grundsätze einzutreten und den Kriegsdienst abzulehnen. Im Juli 1943 wurde er, nur noch 28 Kilogramm wiegend, aus dem Konzentrationslager Ravensbrück unter der Bedingung entlassen, sich zur „lebenslangen Zwangsarbeit in der Landwirtschaft“ zu verpflichten.
Nach seiner Rückkehr in die Heimat arbeitete er auf einem Bauernhof in St. Wolfgang. Drei Wochen vor Kriegsende, am 17. April 1945, erhielt Engleitner allerdings doch noch den Einberufungsbefehl in die deutsche Wehrmacht zugestellt. Er leistete der Einberufung nicht Folge und entschloss sich zur Flucht in das Gebirge des Salzkammerguts. Dort versteckte er sich in der Meistereben Almhütte und in einer Höhle.
Am 5. Mai 1945 konnte Leopold Engleitner von seiner Flucht nach Hause zurückkehren und arbeitete zunächst weiter als Knecht auf dem Bauernhof in St. Wolfgang. Als er 1946 nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten wollte, wurde ihm dies vom Arbeitsamt Bad Ischl mit der Begründung, dass seine „Zwangsverpflichtung“ aus der NS-Zeit immer noch gültig sei, verweigert. Erst Interventionen von Seiten der amerikanischen Besatzungsmacht führten dazu, dass er im April 1946 von der Zwangsverpflichtung entbunden wurde.
Die Jahre nach dem Krieg waren für Leopold Engleitner von Ausgrenzung und Unverständnis geprägt.
Biografie und Dokumentarfilme – Aktivitäten als Zeitzeuge in Europa und in den USA
Erst nachdem der Autor und Filmproduzent Bernhard Rammerstorfer sein Leben 1999 in dem Buch und dem Dokumentarfilm „Nein statt Ja und Amen“ dokumentiert hatte, wurde die Öffentlichkeit auf ihn aufmerksam. In der Zwischenzeit hielten Engleitner und Rammerstorfer Vorträge an Universitäten, Schulen und Gedenkstätten in Deutschland, Italien, Österreich, Russland, der Schweiz und den USA.
2006 unternahmen Engleitner und Rammerstorfer eine zweite Vortragstour durch die Vereinigten Staaten, wo sie Vorträge in Washington D. C. (Georgetown University), New York (Columbia University), Chicago (Harold Washington College), Skokie (Holocaust Memorial Foundation of Illinois), Palo Alto, San Francisco Bay (Stanford University) und Los Angeles (Los Angeles Museum of the Holocaust) hielten. Mittlerweile war Engleitner der älteste Überlebende der Konzentrationslager Buchenwald, Niederhagen und Ravensbrück.
2007 wurde das Buch in der französischen Fassung „Une volonté de fer“ veröffentlicht.
2008 veröffentlichte Rammerstorfer die Neufassung der Biografie Engleitners Ungebrochener Wille, die im Oktober 2008 auch auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wurde. Fast 60 Jahre lang verschollene Briefe Engleitners aus der Gefangenschaft, Originalprotokolle und KZ-Tatsachenberichte sowie beinahe 100 Jahre zurückliegende traumatische Kindheitserlebnisse vereinen sich zu einem beeindruckenden Zeitzeugnis.
Eine berührende Kurzbiografie des deutschen Kriegsdienstverweigerers Joachim Escher zeichnet ein noch genaueres Bild jener Zeit. Escher war von 1937 bis 1945 in diversen Gefängnissen und den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Niederhagen und Buchenwald inhaftiert. Im KZ Buchenwald musste er die als Geiseln inhaftierten früheren französischen Regierungsmitglieder Georges Mandel und Léon Blum bedienen.
2009 wurde das neue englische Buch Unbroken Will anlässlich der dritten Vortragstour durch die Vereinigten Staaten, an der Harvard University veröffentlicht. Engleitner und Rammerstorfer hielten Vorträge an folgenden Universitäten und Institutionen:
Harvard University, Cambridge, Massachusetts; Florida Holocaust Museum, St. Petersburg, Florida; Palladium Theater at St. Petersburg College, Florida; Los Angeles Museum of the Holocaust, California; University of California, Los Angeles (UCLA); Moorpark College, California; Ronald Reagan Presidential Library, California.
Die russische Übersetzung des Buches Ungebrochener Wille („Несломленная воля“) wurde 2009 in Russland veröffentlicht. Engleitner und Rammerstorfer präsentierten das Buch im September 2009 in Moskau im Central Journalist House und in der Buchhandlung „BIBLIO-GLOBUS“.
Selbst im hohen Alter scheute Leopold Engleitner keine Mühen und reiste als Zeitzeuge gegen das Vergessen von 1999 bis 2012 mit seinem Freund und Biografen Bernhard Rammerstorfer über 150.000 Kilometer zu Vorträgen an Schulen, Universitäten und Gedenkstätten in Europa, Russland und den USA.
Im November 2012 war er mit 107 Jahren sogar noch in den USA gereist, um im Laemmle's Town Center 5 in Encino, Los Angeles den neuen Dokumentarfilm "LADDER in the LIONS' DEN" (LEITER in der LÖWENGRUBE) über seine Lebensgeschichte persönlich vorzustellen.
Der Film "LADDER in the LIONS' DEN" wurde im April 2013 bei den Filmfestivals „Fallbrook International Filmfestival 2013“ in Kalifornien, USA, und „Rincòn International Film Festival 2013“ in Puerto Rico mit internationalen Filmpreisen ausgezeichnet.
Übersicht über die Verfolgung im Austrofaschismus von 1934 bis 1938
Frühjahr 1934 – 48 Std. Haft: Gefängnis Bad Ischl
Winter 1934/35 – 48 Std. Haft: Gefängnis Bad Ischl
5. Januar 1936 bis 30. März 1936: Gefängnisse St. Gilgen und Salzburg
19. September 1937 bis 14. Oktober 1937: Gefängnis Bad Aussee
Übersicht über die Verfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus
4. April 1939 bis 5. Oktober 1939: Gefängnisse Bad Ischl, Linz und Wels
5. Oktober 1939 bis 9. Oktober 1939: Transport ins Konzentrationslager (Gefängnisse Salzburg und München)
9. Oktober 1939 bis 7. März 1941: Konzentrationslager Buchenwald
7. März 1941 bis April 1943: Konzentrationslager Niederhagen in Wewelsburg
April 1943 bis 15. Juli 1943: Konzentrationslager Ravensbrück
22. Juli 1943 bis 10. April 1946 (!): Zwangsarbeit in der Landwirtschaft
17. April 1945 bis 5. Mai 1945: Flucht ins Gebirge nach Einberufungsbefehl
Der Song „Unbroken Will“
Im Mai 2009 schrieben die Songwriter Mark David Smith und Rex Salas aus Kalifornien den Song Unbroken Will für Leopold Engleitner. Ihm wurde dieses Lied, gesungen vom Sänger Phillip Ingram, am 22. Mai 2009 während einer Veranstaltung im Moorpark College in Kalifornien präsentiert. Der Song steht samt Text auf der Webseite www.rammerstorfer.cc als Download zur Verfügung.
Internationale Filmpreise
Für den Film LADDER in the LIONS‘ DEN
Gewinner: „Best Documentary Short“ beim Filmfestival „Fallbrook International Film Festival 2013“, Fallbrook, Kalifornien, USA
Gewinner: „Best Short Documentary“ beim Filmfestival „Rincón International Film Festival 2013“, Rincón, Puerto Rico
Gewinner: „Audience Choice Award for a Documentary“ beim Filmfestival „Marina del Rey Film Festival 2013“, Los Angeles County, Kalifornien, USA
Gewinner: „Best International Feature Documentary“ beim Filmfestival „Laughlin International Film Festival 2013“, Nevada, USA
Offizielle Auswahl: „Festival of Tolerance: 7th Zagreb International Jewish Film Festival 2013“, Kroatien
Offizielle Auswahl: „Festival of Tolerance: 1st Rijeka International Jewish Film Festival 2013“, Kroatien
Offizielle Auswahl: „Chagrin Documentary Film Festival 2013“, Chagrin Falls, Ohio, USA
Offizielle Auswahl: „Life Fest Film Festival 2014“, Hollywood, Kalifornien, USA
Nominierung: "Alan Fortunoff Humanitarian Award" beim Filmfestival "Long Island International Film Expo 2014", Long Island, New York, USA
Nominierung: "Best Documentary" beim Filmfestival "Long Island International Film Expo 2014", Long Island, New York, USA
Offizielle Auswahl: „Green Bay Film Festival 2015“, Green Bay, Wisconsin, USA
Gewinner: "Special Jury Mention" beim "European International Film Festival 2016", St. Petersburg, Russland
Gewinner: "Best Documentary Short" beim Filmfestival "Cutting Edge International Film Festival 2016", Florida, USA
Gewinner: "Audience Award" beim Filmfestival "Cutting Edge International Film Festival 2016", Florida, USA
Gewinner: „Best Religious/Spiritual Film“ beim Filmfestival „Erie International Film Festival 2016“, Pennsylvania, USA
Offizielle Auswahl: „GardenCity International Film Festival 2017“, Bangalore, Indien
Gewinner: „Best Documentary Film“ beim Filmfestival „Switzerland International Film Festival 2018“, Schweiz, Europa
Semi-Finalist: „Best Documentary“ beim Filmfestival "Film for Peace 2020", Toronto, Kanada
Für den Film TAKING THE STAND
Gewinner: "Alan Fortunoff Humanitarian Award" beim Filmfestival "Long Island International Film Expo 2016", Long Island, New York, USA
Nominierung: "Best Documentary" beim Filmfestival "Long Island International Film Expo 2016", Long Island, New York, USA
Gewinner: "Best Short Documentary Film" beim Filmfestival "Laughlin International Film Festival 2016", Laughlin, Nevada, USA
Finalist: European International Film Festival 2017, St. Petersburg, Russland
Finalist: Golden Hollywood International Film Festival 2019, Hollywood, Kalifornien, USA
Filme
Bernhard Rammerstorfer (Produzent und Regisseur): Nein statt Ja und Amen. Leopold Engleitner: 100 Jahre ungebrochener Wille, 180 Min., 2005, ISBN 3-200-00279-4. Auch auf Englisch: Unbroken Will (2004).
Bernhard Rammerstorfer (Produzent und Regisseur): Ungebrochener Wille auf USA-Vortragstour: Leopold Engleitners unermüdlicher Einsatz für Toleranz, Menschlichkeit und Frieden im 101. Lebensjahr, 50 Min., 2008
Bernhard Rammerstorfer (Produzent und Regisseur): Im Zeugenstand: Was wir noch sagen sollten, 100 Fragen – 900 Antworten, Interviews mit Holocaust Überlebenden, 128 Min., 2012
Bernhard Rammerstorfer (Produzent und Regisseur) mit Co-Produzent A. Ferenc Gutai: Ladder in the Lions' Den – Freedom Is a Choice, Nazi Concentration Camp Survivor Leopold Engleitner: A 107-Year-Old Eyewitness Tells His Story, 40 Min., 2012
Bernhard Rammerstorfer (Produzent und Regisseur): LEITER in der LÖWENGRUBE – Was bedeutet Freiheit? KZ-Überlebender Leopold Engleitner: Ein 107-jähriger Zeitzeuge erzählt seine Geschichte, 44 Min., 2013
Bernhard Rammerstorfer, Leopold Engleitner: Ungebrochener Wille – Der außergewöhnliche Mut eines einfachen Mannes, Leopold Engleitner, geb. 1905. Herzogsdorf 2008, ISBN 978-3-9502462-0-9,
Bernhard Rammerstorfer: Im Zeugenstand: Was wir noch sagen sollten, 100 Fragen – 900 Antworten, Interviews mit Holocaust Überlebenden und NS-Opfern. Herzogsdorf 2012, ISBN 978-3-9502462-3-0.
Leopold Engleitner: Ein willensstarker Zeuge Jehovas. In: Christian Angerer, Maria Ecker: Nationalsozialismus in Oberösterreich. Opfer, Täter, Gegner. 2. Auflage, Studien Verlag, Innsbruck 2018 (Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern; 6), ISBN 978-3-7065-5212-7, S. 325f.