Léon Blum wurde in eine jüdische, bürgerliche Familie in Paris geboren. Seine Eltern waren Abraham Blum (geboren 22. Juli 1831 in Westhoffen im Elsass) und Adèle Marie Alice Picart (geboren 7. November 1841 in Paris). Blum selbst wurde Agnostiker.
Er besuchte das renommierte Lycée Henri IV. Dort traf er den Schriftsteller André Gide und veröffentlichte seine ersten Gedichte im Alter von 17 in einer Zeitschrift, die sie gemeinsam herausgaben. Ab 1890 absolvierte er ein Studium an der ElitehochschuleÉcole normale supérieure (ENS).
Blum war während dreier kurzer Phasen MinisterpräsidentFrankreichs: 4. Juni 1936 bis 29. Juni 1937, 13. März bis 10. April 1938, 16. Dezember 1946 bis 16. Januar 1947. Sein Name ist mit der Volksfront vor dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Er hatte sich als Jurist schon früh in der politischen Welt betätigt und seit 1904 an der Zeitung L’Humanité mitgearbeitet. 1905 gelang es ihm, die verschiedenen Strömungen der französischen Sozialisten zur Partei Section française de l’Internationale ouvrière, SFIO („Französische Sektion der Arbeiter-Internationale“), zu vereinen. Programmatisch bemühte er sich vor allem um das Eindämmen radikaler kommunistischer Forderungen. Später verhalf er einigen sozialen und wirtschaftlichen Reformen zum Durchbruch.
Er wurde am 4. Juni 1936 (nach Wahlen am 26. April und 3. Mai) der erste sozialistische Premierminister Frankreichs in der Regierung der so genannten Front populaire („Volksfront“). Zum ersten Mal waren damals (drei) Frauen in der Regierung[1] zu einem Zeitpunkt, als Frauen in Frankreich noch kein Wahlrecht besaßen. Eine von ihnen war neben Suzanne Lacore und Cécile Brunschvicg die Physikerin und Nobelpreisträgerin Irène Joliot-Curie, eine Tochter Marie Curies. Die Einführung des Frauenwahlrechts gelang auch der Volksfrontregierung nicht.
Die Kommunisten tolerierten die Regierung, ohne ihr anzugehören. Vincent Auriol war Finanzminister; Charles Spinasse Wirtschaftsminister. Die Regierung wollte – im keynesianischen Sinne – die Wirtschaft durch Konsum ankurbeln. Die Regierung bestand bis zum 29. Juni 1937. Blums Nachfolger wurde Camille Chautemps (22. Juni 1937 bis 14. Januar 1938 und 18. Januar 1938 bis 10. März 1938).
Blums zweite Amtszeit währte vom 13. März bis zum 8. April 1938. Er trat zurück, nachdem der Senat ihm volle finanzielle Freiheiten verweigert hatte. Im Juli 1940 stimmte er in der Nationalversammlung als einer der „quatre-vingts“ gegen die ErmächtigungPhilippe Pétains zum Staatschef.
Nach seiner Rückkehr nach Frankreich war Blum politischer Direktor der Tageszeitung Populaire. Im Dezember 1946 wurde er zum dritten Mal zum Premierminister gewählt. Blums drittes Kabinett war eine provisorische Regierung der Nachkriegszeit, vom 16. Dezember 1946 bis 22. Januar 1947, das politisch von de Gaulle wegführte. Anschließend übernahm Vincent Auriol (Sozialistische Partei) als erster Präsident der Vierten Republik die Regierung.
Am 30. März 1950 starb Blum im Alter von 77 Jahren an einem Infarkt. Er liegt auf dem städtischen Friedhof von Jouy-en-Josas begraben.
Familie
In erster Ehe war Léon Blum mit Lise Bloch (1869–1931) verheiratet. Aus dieser Ehe ging sein einziger Sohn Robert Blum (1902–1975) hervor.[5] 1932 heiratete er Thérèse Pereyra (1881–1938), mit der er bereits seit 1911 eine Beziehung führte. Von 1943 bis zu seinem Tod war Léon Blum in dritter Ehe mit Jeanne Blum verheiratet.
Schriften (Auswahl)
Stendhal et le beylisme. Société d’éditions littéraire et artistique, Paris 1914. Reprint Forgotten Books, 2018, ISBN 978-0-331-33143-1.
Beschwörung der Schatten. Die Affäre Dreyfus. Aus dem Französischen mit einer Einleitung und Anmerkung von Joachim Kalka. Berenberg, Berlin 2005, ISBN 3-937834-07-9.
Lettres de Buchenwald. Hrsg. Ilan Greilsammer. Gallimard, Paris 2003, ISBN 2-07-076335-8.
Auswahl aus dem Werk. Ausgewählt und eingeleitet und aus dem Französischen übersetzt von Grete Helfgott. Europa, Frankfurt 1970.
Dein Weg zum Sozialismus. Eingeleitet von Herbert Wehner, ins Deutsche übertragen von Jean Glöckner. Das Volk, München 1947.
Blick auf die Menschheit. Übertragung ins Deutsche von Willy Vetter. Rowohlt, Hamburg und Europa, Wien 1947.
France at war: sacrifices for victory. Labour Party, London 1940.
Ohne Abrüstung kein Friede. Die französische Sozialdemokratie im Kampf um die Organisation des Friedens. Übersetzung Rosa Hilferding, Einleitung Rudolf Hilferding. Dietz, Berlin 1932.
Regine Arndt: Léon Blum. Ein jüdischer Franzose. Zur Bedeutung von bildhaften Vorstellungen für die antisemitische Propaganda in Frankreich während der 30er Jahre. Dissertation. Universität Hannover, 1996.
Pierre Birnbaum: Léon Blum: Prime Minister, Socialist, Zionist. Yale University Press, New Haven 2015, ISBN 978-0-300-18980-3.
Jean-Michel Gaillard: Les 40 jours de Blum. (Les vrais débuts du Front populaire. 27 avril – 5 juin 1936). Perrin, Paris 2001, ISBN 2-262-01731-X. (frz.)
Dieter Horn: Weil ich Franzose, Sozialist und Jude bin. Leon Blum – Publizist und Staatsmann. Verlag Albers, Rendsburg 2022, ISBN 978-3-945753-09-5.
Jean Lacouture: Léon Blum. Édition du Seuil, Paris 1977, ISBN 2-02-004706-3. Neuauflage. ebenda 1979, ISBN 2-02-005350-0 (Points. Histoire 42, frz.).
Matthias Lemke: Republikanischer Sozialismus. Positionen von Bernstein, Kautsky, Jaurès und Blum. Campus Verlag, Frankfurt u. a. 2008, ISBN 978-3-593-38600-3.
↑Cécile Brunschvicg; Sous-secrétaire d’État à l’Éducation nationale. Suzanne Lacore; Sous-secrétaire d’État à la Santé publique chargé de la Protection de l’Enfance. Irène Joliot-Curie; Sous-secrétaire d’État à l’Éducation nationale chargé(e) de la Recherche scientifique (bis zum 28. September 1936).