Ein Leitungsschutzschalter, kurz LS-Schalter bzw. englisch Miniature Circuit Breaker (MCB), umgangssprachlich auch Sicherungsautomat oder kurz Automat bzw. Sicherung genannt, ist eine Überstromschutzeinrichtung in der Elektroinstallation. Leitungsschutzschalter werden in Niederspannungsnetzen eingesetzt, um Leitungen vor Beschädigung durch Erwärmung infolge zu hohen Stroms zu schützen. Sie können – ebenso wie eine Schmelzsicherung oder ein Leistungsschalter – einen Stromkreis bei Überlast und Kurzschluss selbsttätig abschalten. Der Leitungsschutzschalter ist ein wiederverwendbares, nicht selbsttätig rückstellendes Sicherungselement. Erfunden wurde er im Jahr 1924 in der Firma von Hugo Stotz in Mannheim.
Eine Kombination aus einem Leitungsschutzschalter (MCB) mit einem Fehlerstrom-Schutzschalter (RCCB) wird als RCBO (englischResidual current operated Circuit-Breaker with Overcurrent protection) bezeichnet; deutsch als FI-LS (FI: Fehlerstrom, das I als Formelzeichen für den elektrischen Strom, LS für den Leitungsschutzschalter).
Anders als in der Elektroinstallation, in der die Abkürzung LS Standard ist, ist bei der Bahn die Abkürzung LSS gebräuchlich.
Leitungsschutzschalter haben ein Kunststoffgehäuse. Ältere Ausführungen waren zylindrisch und wurden anstelle der bis dahin üblichen Schraubsicherungen in die Edison-Schraubgewinde eingesetzt oder mit einer dünnen Metallschiene verschraubt. Moderne Leitungsschutzschalter haben rechteckige Gehäuse und können dicht nebeneinander auf eine Tragschiene (Hutschiene) montiert werden.
Einpolige Leitungsschutzschalter sind heute meistens 1 Teilungseinheit (TE) breit. Die Breite einer Teilungseinheit beträgt 18 mm. Die Einbaubreite der Geräte soll nach der Norm DIN 43880:1988-12 zwischen 17,5 und 18,0 mm liegen.
Zweipolige Ausführungen werden mit 2 TE, 1,5 TE oder auch 1 TE Breite hergestellt. Drei- und vierpolige Automaten sind entsprechend breiter.
Daneben gibt es auch Leitungsschutzschalter mit 1,5 TE Breite pro Pol. Meist sind diese für Nennströme von 80 A bis 125 A und/oder mit sehr hohem Abschaltvermögen ausgelegt. Ein selektiver Leitungsschutzschalter ist 1,5 TE breit, ältere Typen 2 TE. Sie werden auf einer Sammelschiene mit 40 mm Schienenmittenabstand montiert.
Alternativ werden die selektiven Leitungsschutzschalter auch auf normalen Hutschienen montiert, sie passen jedoch nicht in herkömmliche Kleinverteiler.
Soll ein Leitungsschutzschalter auch den Neutralleiter schalten, sind spezielle Automaten zu verwenden, da der Kontakt für den Neutralleiter nacheilend öffnen und voreilend schließen muss. Dadurch wird sichergestellt, dass die Phase nie ohne Neutralleiter durchgeschaltet wird.
Aufbau
Schalthebel zum manuellen Ein- und Ausschalten. Umfasst auch die optische Anzeige des Schaltzustandes
Kalibrierungsschraube, welche herstellerseitig zur Festlegung des thermischen Abschaltverhaltens verwendet wird (Teil der Charakteristik).
Spule zur elektromagnetischen Auslösung für hohe Ströme, typischerweise Kurzschlussströme
Deionkammer zur Lichtbogenlöschung bei Trennung eines Kurzschlussstromes. Der Lichtbogen wandert thermisch bedingt vom öffnenden Schaltkontakt (3) in den Bereich der Deionkammer, wo er durch die Aufteilung und Kühlung erlischt
Abschaltmechanismus
Der Abschaltmechanismus kann auf vier Arten ausgelöst werden:
Auslösung bei Überlast
Wenn der vorgegebene Nennwert des durch den Leitungsschutzschalter fließenden Stromes längere Zeit erheblich überschritten wird, erfolgt die Abschaltung. Die Zeit bis zur Auslösung hängt von der Stärke des Überstroms ab; bei hohem Überstrom ist sie kürzer als bei geringer Überschreitung des Nennstromes. Zur Auslösung wird ein Bimetall verwendet, das sich bei Erwärmung durch den durchfließenden Strom biegt und den Abschaltmechanismus auslöst (thermische Auslösung).
Für Wartungsarbeiten oder zur vorübergehenden Stilllegung können Stromkreise am Leitungsschutzschalter manuell abgeschaltet werden. Dazu befindet sich ein Kippschalter oder ein Auslöseknopf auf der Frontseite.
Auslösung durch Zusatzmodule
Für die meisten Leitungsschutzschalter namhafter Hersteller gibt es neben Hilfsschaltern auch ansteckbare Unterspannungs- und Arbeitsstromauslöser, Fehlerstrom-Schutzschalter (englisch Residual Current Device, kurz RCD), Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (englisch Arc Fault Detection Device, kurz AFDD) und motorische Antriebe (Wiedereinschaltgeräte), mit deren Hilfe der Leitungsschutzschalter geschaltet werden kann. Die Zusatzmodule werden je nach Leitungsschutzschalter rechts oder links angesteckt, oder in der Verteilung entsprechend verdrahtet.
Freiauslösung
Ein wichtiges Merkmal von Leitungsschutzschaltern ist die unbeeinflussbare Freiauslösung. Sie stellt sicher, dass bei Kurzschluss eine sofortige Auslösung auch dann erfolgt, wenn der Schalthebel betätigt oder in der Ein-Stellung festgehalten wird.
Wiedereinschalten
Nach Überlastauslösung muss der Bimetallstreifen erst abgekühlt sein, bevor ein Wiedereinschalten möglich ist. Die zum Wiedereinschalten notwendige manuelle Schalthandlung macht den Anwender auf einen möglichen Fehler aufmerksam und verhindert das automatische Wiedereinschalten (Fail-Safe). Somit ist das unkontrollierte Wiederanlaufen überlasteter Anlagen oder das unkontrollierte erneute Einschalten defekter Geräte/Installationen ausgeschlossen.
Auslösecharakteristik
Man unterscheidet Leitungsschutzschalter neben Nennstrom und Bauform nach der Auslösecharakteristik. Die aktuell genormten Charakteristik-Typen B, C, D, E, K und Z sind in der Tabelle hervorgehoben. Die beiden Werte für Überlastauslösung bezeichnen jeweils den Nichtauslösestrom (kleiner Prüfstrom) und den Auslösestrom (großer Prüfstrom). Die maximale Auslösezeit gilt für den Auslösestrom. Einige Hersteller geben für die Auslöseströme bei Überlast und Kurzschluss engere Toleranzen an.
„Kraft“, für hohen Einschaltstrom, sensible Überlastauslösung
8–14
S
Moeller (nicht genormt); „Steuertransformatoren“; ähnlich D
13–17
H
„Haushalt“, bis ca. 1977; bei hoher Netzimpedanz; ähnlich A oder Z; Ersatztyp im Haushalt: B
1,5–2,1 (bis 4 A) 1,5–1,9 (6–10 A) 1,4–1,75 (12–25 A) 1,3–1,6 (über 25 A) [25 °C, 1 Stunde]
2–3
3–5
L
„Leitungsschutz“ (ursprünglich „Licht“), bis 1990; Ersatztyp: B; als Schraubautomat noch genormt
ca. 3,5–5
max. 8
U
„universal“, bis ca. 1993 (z. B. ABB, Moeller, Schrack); oft in Österreich, Vorläufer: HG; Ersatztyp: C
5,5–12
U
zweite Variante (seltener, z. B. AEG): Überlastauslösung ähnlich G
1,05–1,35 [1 Stunde]
6–10
× 1,5
G
„Geräteschutz“ (international „general“), veraltet; Ersatztyp: C
V
„Verbraucher“, bis ca. 1990 (z. B. CMC, Weber, ABB); oft in der Schweiz, veraltet; Ersatztyp: C
1,5–1,9 (10 A) 1,4–1,75 (16–25 A) 1,3–1,6 (32 A)
7 - 12
Für Deutschland gilt bei Neuinstallation (nach den TAB in Verbindung mit DIN 18015-1):
Im Stromkreisverteiler von Wohnungen dürfen für Beleuchtungs- und Steckdosenstromkreise nur laienbedienbare Leitungsschutzschalter verwendet werden. Schmelzsicherungen sind nur noch zulässig für fest angeschlossene Geräte (z. B. Durchlauferhitzer) oder als Vorsicherung für Unterverteilungen.
Zur Absicherung im Vorzählerbereich werden selektive Leitungsschutzschalter (SLS) verwendet. NH-Sicherungen sind in diesem Anwendungsbereich nur dann zulässig, wenn eine andere „laienbedienbare Freischaltmöglichkeit der Kundenanlage“, z. B. als Nachzählersicherung mit einem Neozed-Lasttrenner, gegeben ist.
In der Regel werden in Wohn- oder Büroräumen Leitungsschutzschalter der B-Charakteristik eingesetzt. Die C-Charakteristik wird als Leitungs- und Geräteschutz für Zuleitungen zu Verbrauchern mit hohem Einschaltstrom verwendet, da es bei B-Charakteristik im Anlaufmoment zu Fehlauslösungen kommen kann. Bei der Absicherung von Stromkreisen mit elektronischen Verbrauchern (EVG, Schaltnetzteile) mit Leitungsschutzschaltern ist besonderes Augenmerk nötig, da deren hohe Einschaltströme zu beachten sind.
Leitungsschutzschalter mit Charakteristik B sind entsprechend der Renard-Serie für folgende Bemessungsströme verfügbar: 6 | 10 | 13 | 16 | 20 | 25 | 32 | 35 | 40 | 50 | 63 Ampere. Herstellerabhängig sind auch andere Werte lieferbar. Typ C- und D- sowie Typ K- und Z-Leitungsschutzschalter gibt es in größerer Typenvielfalt mit Werten bis unter 1 A. In Deutschland werden in Wohnräumen die einzelnen Stromkreise meist mit B-16-Leitungsschutzschalter (16 A) gesichert.[1]
Die H-Charakteristik wurde seit den 1950er-Jahren für Haushaltsstromkreise eingesetzt, um bei Kurzschluss in den vorhandenen Netzen mit hoher Impedanz oder bei Schutzerdung zuverlässig Schnellauslösung zu erreichen. Bei den heutigen Netzverhältnissen kann die empfindliche Kurzschlussauslösung unerwünscht ansprechen. Davon betroffen sind etwa Verbraucher mit Schaltnetzteil (z. B. Computer, Fernseher) oder Motoren (z. B. in Staubsaugern). In solchen Fällen ist der Austausch durch B-Leitungsschutzschalter empfehlenswert. Ein Leitungsschutzschalter H10 kann üblicherweise durch B13 ersetzt werden, da diese die gleiche Überlastcharakteristik besitzen.
Schaltvermögen
Leitungsschutzschalter müssen hohe Kurzschlussströme abschalten können. Das Abschaltvermögen, als Bemessungs-Kurzschluss-Ausschaltvermögen bezeichnet, wird normativ wie folgt abgestuft:
Schaltvermögen (230/400 V AC 50 Hz)
Bemerkung
03.000 A
In Deutschland und Österreich nicht zugelassen, in Belgien Standard für Wohnungen
04.500 A
In Italien für einphasige Abnehmer
06.000 A
Mindestwert in Deutschland (nach TAB) und Österreich. Üblich für Wohn- und Bürogebäude, Kleingewerbe
Daneben gibt es Anforderungen an die Kurzschlussstrombegrenzung. In Deutschland gilt nach den technischen Anschlussbedingungen für Leitungsschutzschalter bis 32 A ausschließlich die Energiebegrenzungsklasse 3 (Selektivitätsklasse 3, „hohe Anforderungen“), welche die größte Kurzschlussstrombegrenzung nach VDE 0641 aufweist.
Im Kurzschlussfall ist der nur durch die Netzimpedanz (Innenwiderstand) bestimmte Strom („prospektiver Kurzschlussstrom“) sehr hoch. Der Leitungsschutzschalter begrenzt den Kurzschlussstrom konstruktionsbedingt auf einen niedrigeren Wert. Eine hohe Energiebegrenzung bewirkt eine hohe Selektivität zu vorgeschalteten Schmelzsicherungen und schützt die Anlage vor elektromagnetischen Einwirkungen.
Normen und Vorschriften
DIN VDE 0100-430: Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-43: Schutzmaßnahmen – Schutz bei Überstrom
DIN EN 60898-1 (VDE 0641-11): Elektrisches Installationsmaterial – Leitungsschutzschalter für Hausinstallationen und ähnliche Zwecke, Teil 1: Leitungsschutzschalter für Wechselstrom (AC)
Günter Springer (Hrsg.): Fachkunde Elektrotechnik. 20. Auflage. Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten 1993, ISBN 3-8085-3020-0, S. 90.
Theodor Schmelcher: Handbuch der Niederspannung, Projektierungshinweise für Schaltgeräte Schaltanlagen und Verteiler. 1. Auflage. Siemens Aktiengesellschaft (Abt. Verlag), Berlin und München 1982, ISBN 3-8009-1358-5.
Ernst Hörnemann, Heinrich Hübscher: Elektrotechnik Fachbildung Industrieelektronik. 1. Auflage. Westermann Schulbuchverlag GmbH, Braunschweig 1998, ISBN 3-14-221730-4.
Alfred Hösl, Roland Ayx, Hans Werner Busch: Die vorschriftsmäßige Elektroinstallation, Wohnungsbau-Gewerbe-Industrie. 18. Auflage. Hüthig-Verlag, Heidelberg 2003, ISBN 3-7785-2909-9.
↑Kabelquerschnitt Hausinstallation - Auf das Kabel kommt es an. In: selbst.de. Bauer Xcel Media Deutschland KG, 11. Oktober 2022, abgerufen am 9. März 2023: „Bei üblichen Hausinstallationen muss jede Ader einen Querschnitt von mindestens 1,5 mm² haben, derartige Leitungen werden dann mit einer Sicherung von 16 Ampere (A) abgesichert.“