Die Ortschaft bestand seit 909[1] bis 1487 unter dem Namen Comps. Danach wurde sie umbenannt in Lavaudieu, was von „Tal Gottes“ abgeleitet ist und vermutlich auf das hier ansässige Kloster zurückzuführen ist.
Geographie
Lavaudieu liegt am Rande des Tals der Senouire, einem Nebenfluss des Allier.
Der Südostrand der Siedlung, der überwiegend von den Abteigebäuden eingenommen wird, liegt unmittelbar an der Kante des steil abfallenden Talhangs.
Das im 11. Jahrhundert für Nonnen gegründete ehemalige PrioratSaint -André von Comps (später von Lavaudieu) wurde 1718 zur Abtei ernannt. Sie blieb als einzige romanische Abtei in der Auvergne von den Verwüstungen der Französischen Revolution (1789 und danach) weitgehend verschont. Der Ostflügel der Abtei ist allerdings nur unvollständig erhalten. Der rustikal wirkende Kreuzgang mit seinen Holzbalkendecken und den hölzernen Galerien des zweiten Geschosses ist bekannt für seine schlichte archaischeKapitellskulptur. Von Bedeutung sind die Wandmalereien der italienischen Schule des 14. Jahrhunderts in der Kirche, die von 1965 bis 1980 freigelegt worden sind. Den höchsten kunsthistorischen Rang nimmt das Fresko auf der Ostwand des so genannten Refektoriums ein, das größte zusammenhängende in der Auvergne. Auf Grund besonderer Eigenheiten in der Stilisierung der Malerei, die aus dem 13. Jahrhundert bekannt sind, wird die Entstehung diesem zugeordnet.[2]
Die Ortschaft war im Mittelalter ein Castrum, ein befestigtes Dorf, das von einer mächtigen Wehrmauer eingeschlossen war, von der noch beachtliche Überreste erhalten sind, vor allem auf der südöstlichen, zur Senouire weisenden Seite des Dorfes. Die „Hauptstraße“ der Siedlung führte durch befestigte Portale, die sicher mit Fallgattern ausgestattet waren. Le Portail Bas (Das untere Portal) wurde 1953 entfernt und im Jahr 2000 wieder rekonstruiert.
Auf der Südostseite des Castrums reichen die höchsten Teile der Wehrmauern bis hinab auf den Talgrund und bilden dort – auch heute noch – eine Absturzsicherung des steilen Talhangs und der Gebäude der Abtei und verhindern deren Unterspülung im Falle von Hochwasser des Flüsschens.
Diese heute noch gewaltig und hoch erscheinende Wehrmauer wird im Teilabschnitt gegenüber dem östlichen Giebel des Refektoriums, noch ein beachtliches Stück höher und reicht fast bis zur Höhenlage der Traufen der Kreuzgangostgalerie. Die untere Hälfte dieses höheren Teils der Wand ist mit drei kräftigen Strebepfeilern verstärkt, in der stark überwachsenen oberen Hälfte sind rechteckige Fensteröffnungen ausgespart. Dieses hohe Gebilde erinnert sehr an die Außenwand eines ehemaligen Donjons. Im Bereich zwischen Wehrmauer und dem ehemaligen Ostflügels der Abtei trifft man auf Grundmauern und Keller verschiedener verwinkelter Räumlichkeiten, die teilweise noch hoch aufragen. Diese beachtlichen Überreste lassen an ein kleines Chateau fort im Kontakt zur nahen Abtei denken. Es bestand im Mittelalter für die Bewohner der Abtei und deren Bedienstete sicher ein Bedürfnis sich im Falle kriegerischer Belagerungen in den Schutz eines Donjons zurückziehen und dabei ihrem Gotteshaus nahe sein zu können.
Wehrmauern, Befestigungsanlagen
Le Portail Bas
Abteigarten hinter Wehrmauer
Wehrmauern im Talgrund
Wehrmauern im Talgrund, vielleicht Reste eines Donjon
Wehrmauern vor dem Refektorium
Wehrmauer südlich der Abtei
Tür in der Wehrmauer
Hinter der Wehrmauer rechts, führt eine Treppe zum Dorfplatz
Ortschaft
Die Bebauung weist zwei unterschiedliche Bauweisen auf. Die ältere besteht aus der geschlossenen meist zweigeschossigen Bebauung, die sich innerhalb der ehemaligen Wehrmauern um die Abteigebäude herum entwickelt hat, deren älteste Gebäude bis ins Mittelalter zurückreichen. Da nahezu jede Familie in der Landwirtschaft tätig war, gab es für Gärten und gar Felder keinen Platz. Die bestellten Felder lagen außerhalb der Wehrmauer. Die zu den Sträßchen und Gassen weisenden Fassaden wurden aus örtlichem Bruchstein gemauert.
Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts schloss sich daran im Süden und Westen eine freistehende, leicht aufgelockerte meist zweigeschossige Bebauung an. Straßenseitig befand sich das Wohngebäude, an das sich winkelförmig die Nutzgebäude anschlossen. Hier gab es auch landwirtschaftlich genutzte Gärten und Felder.
Beide Bauweisen sind heute noch erhalten und unterliegen den Auflagen des Denkmalschutzes. Allerdings befanden sich die alten Bauten und Gassen Ende der 1980er Jahre in verwahrlostem Zustand. Bei jedem Anwesen gab es noch an der Straße den in der ersten Hälfte des Jahrhunderts obligatorischen „Misthaufen“ (Dungstätte), und das Kleinvieh wie Hühner, Gänse und Ziegen liefen frei auf den Dorfgassen umher. Die Kühe wurden auf die Weiden der Talauen getrieben. Man konnte damals in Lavaudieu sogar noch Ochsengespanne bei ihrer Arbeit beobachten. All diese damals an ein Freilichtmuseum erinnernden Begebenheiten sind heute von der Bildfläche verschwunden.
Im Südosten der Abtei schließt sich ein geräumiger Dorfplatz an, von dem die „Hauptstraßen“ des Dorfes abgehen. Auf ihm steht noch der ehemalige öffentlichen Dorfbrunnen, das Gestell zum Beschlagen der Pferde, Ochsen und Kühe, ein Missionskreuz von 1779, und die Bäckerei, alles heute noch erhalten. Die Größe des Dorfplatzes lässt auf das Abhalten von Wochenmärkten schließen.
Dorfszenen
Dorfplatz, Anschlussgebäude an die Abtei
Dorfstraße im Zentrum
Dorfgasse mit Wehrturm
Alte Holztür
Gepflegter Garten, Wohnturm
Glocke an einem Laden
Altes Gemäuer, Gebälk und Balkon
Typischer Balkon
Bäuerliches Museum
Im ehemaligen Gebäude der Dorfbäckerei ist seit 1968 das Musée paysan untergebracht, welches den Alltag der Landbevölkerung der Region gegen Ende des 20. Jahrhunderts mit einer umfangreichen Sammlung von Gebrauchsgegenständen erläutert. Im Erdgeschoss gruppiert sich alles um den großen Backofen. Auf demselben Niveau schließt sich ein Stall an, was darauf hindeutet, dass auch der Bäcker einige Nutztiere hielt. Hier sieht man eine Sammlung landwirtschaftlicher Gerätschaften und Werkzeuge. Gibt es drei Räume, darunter ein Schlafzimmer der Eltern und ein Kinderzimmer, wo verschiedene Sammlungen von Kleidern und Spitzen gezeigt werden.
Renoviertes Wohnhaus
Renoviertes Wohnhaus
Kunst lebt in altem Gemäuer
Wohnhäuser südwestlich der Abtei
Literatur
Marcel Durliat: Romanische Kunst (= Große Epochen der Weltkunst. Serie 3, 2). Herder, Freiburg (Breisgau) 1983, ISBN 3-451-19402-3, Abb. 354.
Ulrich Rosenbaum: Auvergne und Zentralmassiv. Entdeckungsreisen von Clermont-Ferrand über die Vulkane und Schluchten des Zentralmassivs zum Cevennen-Nationalpark. 7. Auflage. DuMont, Köln 1989, ISBN 3-7701-1111-7, S. 166–167, Abb. 76–78, Farbtafel 21.
Bernhard Craplet: Romanische Auvergne. Zodiaque-Echter, Würzburg 1992, ISBN 3-429-01463-8, S. 335–331, Bildseiten 124–130.
Broschüre: „laissez-vous conter le village de Chanteuges“; Conception LM communiquer: Laurence Madrelle, Emanuelle Robin. 6 Seiten