Die Landvogtei Schliengen war eine Verwaltungseinheit des Fürstbistums Basel, die die rechtsrheinischen Hoheitsgebiete des Fürstbistums umfasste und von 1719 bis zur Säkularisation 1803 existierte. Sie ist benannt nach ihrem Sitz, der Gemeinde Schliengen.
Schliengen, Mauchen und Steinenstadt wurden um 1170 vom Hochstift Basel den Herren von Üsenberg als Lehen gegeben.
1238 gelangten die Orte als Afterlehen an den Ritter Rudolf Schaler, den Basler Schultheiß. Von Schaler gingen sie dann 1337 an den Ritter Jakob von Neuenfels, und 1343 löste Fürstbischof Johann II. Senn von Münsingen das Lehen ab und übernahm die Ortschaften in eigene Verwaltung, wobei das Gebiet der ObervogteiBirseck zugeordnet wurde.
Markgraf Rudolf III. von Hachberg-Sausenberg tauschte 1365 mit dem Fürstbischof von Basel das Dorf Huttingen gegen Höllstein. Von 1467 bis 1719 waren rechtsrheinischen Dörfern des Fürstbistums Basel (Untervogtei Schliengen = "Niederes Amt") der ObervogteiBirseck zugeordnet.[1] 1546 erließ Fürstbischof Philipp von Gundelsheim eine Dorfordnung für Schliengen.[2]
Zwischen dem Hochstift Basel und der Markgrafschaft Baden-Durlach gab es beständig Auseinandersetzungen um die hohe Gerichtsbarkeit, die zeitweise so beigelegt wurden, dass der Fürstbischof von Basel die hohe Gerichtsbarkeit nur für den Ortsetter von Schliengen wahrnehmen durfte – für das übrige Gebiet verblieb dieses Recht beim Markgrafen. Der Bischof hatte also lange nicht die volle Landeshoheit, sondern konnte diese erst 1769 durchsetzen.[3] Gleichwohl zählte das Gebiet des Hochstifts im Reich zum oberrheinischen Reichskreis, während die umliegenden Dörfer der Markgrafschaft zum schwäbischen Reichskreis und die Dörfer Vorderösterreichs zum österreichischen Reichskreis gehörten – da Kaiser und Reichskreise teilweise ihre eigene Außenpolitik betrieben und eigene Militärstrukturen aufbauten, war die Rechtslage in diesem Gebiet komplex. Die Gemengelage führte auch beständig zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit Vorderösterreich und den Johannitern die im benachbarten Neuenburg Besitzungen hatten.
Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) litten die Dörfer der späteren Landvogtei (damals noch Unteramt) Schliengen unter Truppendurchzügen, Einquartierungen, Plünderungen und Kontributionen, wobei es für die Bevölkerung kaum eine Rolle spielte, ob es sich um feindliche schwedische und französische Truppen oder um die mit dem Hochstift politisch verbundenen Truppen des Kaisers und der katholischen Liga handelte. Die Bevölkerungszahl nahm um ca. 80 % ab, und nach dem Krieg kam es zu einem Zuzug von auswärts – insbesondere aus der Schweiz- in die fruchtbaren Dörfer der Rheinebene.
1704 verlieh Fürstbischof Wilhelm Jakob Rinck von Baldenstein der Gemeinde Schliengen das Marktrecht, nachdem durch die Zerstörung von Neuenburg ein für die Region wichtiger Handelsplatz ausgefallen war. Neben einem Wochenmarkt umfasste das Recht vier Jahrmärkte.[4]
Die Säkularisation des Fürstbistums vollzog sich in Etappen. Nachdem bereits 1790 Einkünfte und das Diözesangebiet im Elsass verloren gingen, besetzte Frankreich 1792 alle linksrheinischen Reichsgebiete und damit den Hauptteil des Hochstifts. 1797 besetzte Frankreich dann auch die bisher der Eidgenossenschaft zugerechneten Gebiete des Hochstifts, und 1798 verlor man die zugehörigen Einnahmen, d. h. ab 1798 bestand das Hochstift de facto nur noch aus der Landvogtei Schliengen und bezog nur noch von hier seine Einnahmen.[6] Mit dem Frieden von Lunéville vom 9. Februar 1801 zwischen Österreich und der französischen Republik und der dabei vorgesehenen Entschädigung weltlicher Reichsstände für linksrheinische Gebietsverluste waren die politischen Würfel bereits gefallen. Fürstbischof Franz Xaver von Neveu versuchte noch bis in den Herbst 1801, eine Union der geistlichen Reichsfürsten zu schmieden, um einen Teil des Territoriums und die Reichsstandschaft zu sichern. Der Plan scheiterte jedoch, und von da ab konzentrierte sich das Hochstift auf die Aushandlung der Pensionen und Entschädigungen für den Fürstbischof und die Mitglieder des Domkapitels.
Nachdem andere Reichsstände (Preußen und Österreich) mit der Besetzung der zur Säkularisation vorgesehenen geistlichen Gebiete begonnen hatten und zudem Napoleon diesbezüglich Druck auf Baden ausübte, besetzte der badische Landvogt von Rötteln, Johann Christian August von Kalm, am 23. September 1802 die Landvogtei Schliengen mit einer kleinen Militärabteilung. Am 30. November 1802 erfolgte die Übergabe in einem feierlichen Akt, und am 12. Dezember entband der letzte Basler Fürstbischof von Neveu den letzten fürstbischöflichen Landvogt, Ignaz Sigismund von Rotberg, von seinem Treueid.[7]
Der Reichsdeputationshauptschluss vom 24. März 1803 und dessen Ratifikation durch den Kaiser am 27. April 1803 bildeten nur noch den formalen reichsrechtlichen Abschluss der Abschaffung nahezu aller geistlichen Fürstentümer im Reich.
Der Übergang der gesamten Landvogtei an die Markgrafschaft Baden ist demnach am besten mit dem 30. November 1802 zu datieren. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss wurde die Markgrafschaft zum Kurfürstentum Baden, das dann mit der Unterzeichnung der Rheinbundakte 1806 aus dem Reichsverband ausschied und zum Großherzogtum Baden wurde. Bis 1809 gab es noch ein Amt Schliengen, das dann im Rahmen der Verwaltungsreform des Großherzogtums aufgelöst und größtenteils dem Bezirksamt Kandern zugeordnet wurde. Istein und Huttingen kamen zum Bezirksamt Lörrach.
Der Weg zur Säkularisation
Datum
Ereignis
Anmerkungen
Link auf Dokument
22. August 1796
Badisch-französischer Separatfriede
erstmals wird die hochstift-baselische Landvogtei Schliengen als mögliches Entschädigungsobjekt genannt
Österreich und Frankreich bestätigen das Prinzip der Entschädigung von Reichsständen für den Verlust linksrheinischer Gebiete an Frankreich; durch kaiserliches Dekret vom 9. März 1801 ratifiziert
Entschädigungsvereinbarung für das Deutsche Reich zwischen den „vermittelnden Mächten“ Frankreich und Russland
Frankreich und Russland vereinbaren, wie die Entschädigung für den Verlust linksrheinischer Gebiete erfolgen soll und lassen der Reichsdeputation kaum noch Entscheidungsspielraum
Dieses Gebiet des katholischen Fürstbischofs von Basel war katholisch[22] – kirchlich gehörte die Landvogtei Schliengen allerdings nicht zum Bistum Basel, sondern zum Bistum Konstanz.
Juden sind im Gebiet der späteren Landvogtei Schliengen seit 1542 nachgewiesen. Allerdings scheint es nie eine jüdische Gemeinde gegeben zu haben, sondern mehr oder weniger einzelne Kaufmannsfamilien, die gegen Geldzahlungen Schutzbriefe der Fürstbischöfe erhielten.
Schulwesen
Urkundlich nachgewiesen ist in Schliengen ein Lehrer bereits 1587, wobei aus dem Zusammenhang zu schließen ist, dass bereits seit längerer Zeit eine Schule bestand. In Istein wurde 1764 die erste Schule eingerichtet.
Das Schulwesen im gesamten Hochstift Basel wurde durch eine Schulverordnung des Fürstbischofs Sigismund von Roggenbach vom 1. Mai 1783 neu geregelt.[23]
Zur Finanzierung eines neuen Schulhauses in Istein und zur Aufbesserung des Gehalts für den Lehrer beantragte der Bischof von Basel bei seinem geistlich für Istein zuständigen Kollegen in Konstanz die St. Veits-Kapelle in Istein aufzuheben und deren Kapitalien zur Finanzierung zu verwenden.[24]
Wirtschaft
Die Landvogtei hatte gute Böden für den Getreide- und Weinanbau. An Bodenschätzen gab es neben Jaspis auch Bohnerz, das dann in der markgräflichen Eisenhütte in Kandern verarbeitet wurde.
Die Lage an der Landstraße nach Basel vor dem Schliengener Berg erbrachte dem Dorf beständige Einkommen aus dem Vorspann für Fuhrwerke der Kaufleute.[25]
Gemeinden der Landvogtei
Die Landvogtei bestand nicht aus einem geschlossenen Territorium, sondern aus zwei Teilgebieten (einerseits Schliengen, Mauchen, Steinenstadt und andererseits Istein, Huttingen). Das Gebiet wurde weitgehend von der Markgrafschaft Baden-Durlach eingeschlossen, wobei das östlich von Schliengen gelegene Liel den Freiherren von Baden und das südlich gelegene Bellingen den Freiherren von Andlau – vorderösterreichischen Landständen gehörte. Die Landvogtei hatte beim Übergang an Baden 2 168 Einwohner.
bereits 1010 durch Schenkung in den Besitz des Bischofs von Basel gekommen; von diesem als Lehen an die Herren von Üsenberg gegeben; 1343 Kauf von Ritter Jakob von Neuenfels
1139 als «curtim de Hiesten» als Besitztum des Basler Hochstifts beurkundet; 1811 kaufte der Freiherr von Freystedt[35] den Dinghof in Istein – seine Familie baute das Gut dann zum heutigen Schlößchen aus.
Georg Boner: Das Bistum Basel, Ein Überblick von den Anfängen bis zur Neuordnung 1828. In: Freiburger Diözesan-Archiv, Band 88, 1968, S. 5–101 online
Marco Jorio: Der Untergang des Fürstbistums Basel (1792–1815): Der Kampf der beiden letzten Fürstbischöfe Joseph Sigismund von Roggenbach und Franz Xaver von Neveu gegen die Säkularisation. Paulusdruckerei, Freiburg i.Ue. 1981.
Günther Seith: Die rechtsrheinischen Gebiete des Bistums Basel und ihr Übergang an Baden. In: Das Markgräflerland, Heft 2, 1951, S. 45–99 Digitalisat der UB Freiburg
Rüdiger Hoffmann: Schliengen – ein kurzer historischer Rückblick. In: Das Markgräflerland Heft 1/1994, S. 5–11 Digitalisat der UB Freiburg
Luzi Oehring: Das Unteramt Schliengen im Dreißigjährigen Krieg. In: Das Markgräflerland Heft 1/1994, S. 12–25 Digitalisat der UB Freiburg
Gustav Manfred Günther: Aus der Geschichte von Steinenstadt. Besitz- und Herrschaftsverhältnisse in der Vergangenheit. In: Das Markgräflerland, Heft 1, 1992, S. 122–138 Digitalisat der UB Freiburg
↑M. Jorio, Der letzte Basler Fürstbischof Franz Xaver von Neveu zwischen Säkularisation und Wiederaufbau; Vortrag vor der Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein e. V. am 10.–12. Oktober 2002
↑Georg Friedrich von Martens (Hrsg.): Recueil de traités d’alliance, de paix, de trève, de neutralité, de commerce, de limites, d’éxchange etc. et plusieurs autres actes servant à la connaissance des relations étrangères des puissances et états de l’Europe tant dans leurs rapport mutuel que dans celui envers les puissances et états dans d’autres parties du globe depuis 1761 jusqu'à présent, tiré des copies publiés par autorité des meilleures collections particulières de traités et des auteurs les plus estimés, Band 6, Göttingen 1800, bis 1797, Articles secrets du traité entre la République Française et le Marggrave de Bâde. 5. Fructidor an 4. (22. Août 1796), S. 684 französischer Vertragstext in der Google Buchsuche
↑Fragment zur richtigen Beurtheilung des deutschen Nationalgeistes am Ende des 18. Jahrhunderts, Mülhausen 1798, S. 28–29 Google-Buchsuche
↑Caude Roberjot (1752–1799); Gesandter des Rats der Fünfhundert auf dem Rastatter Kongress; Roberjot wurde am Ende des Kongresses 1799 bei Rastatt ermordet
↑Précis du plan général des indemnités fait par le ministre Roberjot. Karl Obser (Hrsg.): Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden. Teil 3, 1797–1801, Heidelberg 1893; Nr. 176, S. 132, Textarchiv – Internet Archive
↑Beilagen zu dem Protokolle der ausserordentlichen Reichsdeputation zu Regensburg, Erster Band (Beilagen I bis C), Regensburg 1803, Siebente und Achte Beilage, S. 24 in der Google Buchsuche
↑Karl Obser (Hrsg.): Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden. 1801–1804, Teil 4, Heidelberg 1896, S. 190–191, Textarchiv – Internet Archive
↑Protokoll der ausserordentlichen Reichsdeputation zu Regensburg, Band 1, Regensburg 1803 (Dritte Sitzung – 8. September 1802, S. 54–55) in der Google Buchsuche
↑Karl Obser (Hrsg.): Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden. 1801–1804, Teil 4, Heidelberg 1896, S. 232 ff., Textarchiv – Internet Archive
↑zum Hochstift Basel gehörten auch protestantische Gebiete im Südjura
↑s. Friedrich Kuhn: Die Schulverordnung des Bischofs von Basel vom 1. Mai 1783, In: Das Markgräflerland, Band 1/2012, S. 79–87
↑s. Johann Adam Kraus: Vituskapelle zu Istein. In: Freiburger Diözesan-Archiv, Band 78 (1958), S. 240/241
↑s. Historisch-statistisch-topographisches Lexicon von dem Großherzogthum Baden, Band 3 Karlsruhe 1806, S. 174
↑s. F. Feßenbecker: Das Ende der „Obervogtei Schliengen“. In: Die Markgrafschaft, Nr. 2, 1956, S. 6; Angaben für 1806
↑zur Geschichte der Wappen siehe Günter Mattern: Markgräflerland, Der Baselstab im Gemeindewappen. In: Baselbieter Heimatblätter, Liestal 1979, S. 396–402