Jörg Syrlin (der Ältere)

Büste Vergils im Chorgestühl des Ulmer Münsters, um 1470, möglicherweise ein Selbstporträt Syrlins
Der alleinstehende Dreisitz des Chorgestühls, der den Chorraum vom Langhaus abgrenzt

Jörg Syrlin der Ältere (* um 1425 in Ulm; † 1491 ebenda) war ein deutscher Schreiner und Bildhauer. Er wird zur Ulmer Schule gerechnet. Sein Sohn Jörg Syrlin der Jüngere führte die Werkstatt weiter. Nach ihm ist sowohl das Jörg-Syrlin-Haus[1] und die Jörg-Syrlin-Grundschule[2] in Ulm benannt.

Werk

Die Bildhauerpersönlichkeit von Syrlin weckte im 17./18. Jahrhundert großes Interesse weiter Bevölkerungsschichten und er wurde zum Prototyp eines Bildhauers in der Spätgotik verklärt. Die historische Forschung um Dehio relativierte dies und interpretierte Syrlin als schreinernden Architekten. Erst spätere Forschungsarbeiten unterzogen die Werke einer eingehenden ikonographischen Analyse, die die Identität der Büsten Syrlins nicht mehr in Frage stellten. Die Bildwerke Syrlins am Ulmer Chorgestühl teilen sich in vier Ebenen, in Dichter und Denker des Altertums, Sibyllen, Gestalten des Neuen und Alten Testaments und in der Baldachinzone in Christus und Gottesmutter Maria. Die von ihm geschnitzten Persönlichkeiten zeigen psychologisch eindrucksvolle Charakterköpfe.

Seine bekanntesten Werke sind der Dreisitz (1468 bis 1469) und das Chorgestühl des Ulmer Münsters (1469–75), mit ursprünglich 91 und heute (2008) mit 89 Sitzen. Der Preis für das Chorgestühl betrug 1188 Gulden. Zwei Bildwerke sind nicht mehr erhalten, der sogenannte Kaiserstuhl für den Besuch desselben im Jahre 1473 und eine Predella mit Figuren für eine Altartafel, die mit 400 Gulden bezahlt wurde. Sein Schrein des Hochaltars (1473–1480) im Ulmer Münster wurde im Bildersturm 1531 zerstört.
Erst später beschäftigte er sich mit der Steinbildhauerei. Davon zeugt der steinerne „Fischkasten-Brunnen“ (1482) auf dem Rathausplatz in Ulm.

Weitere Werke

  • Von Evangelisten getragenes Betpult (datiert und signiert 1458) im Museum Ulm
  • Aufsatzschrank (datiert und signiert 1465) im Museum Ulm
  • Drei Statuen am Sakramentshaus im Ulmer Münster (um 1470)
  • Leuchterweibchen im Museum Ulm
  • Reliquienbüste im Museum Ulm
  • Buchsbaumstatuette einer garstigen Alten im Schlossmuseum in Frankfurt am Main
  • Statue der hl. Helena im Schlossmuseum in Frankfurt am Main
  • Tafel im Fronaltar im Kloster Lorch und das Kruzifix beim Abtstuhl im Kapitelsaal (beide nicht erhalten)

Leben

Jörg Syrlin ist der Sohn des Zimmermanns Heinz (1412–1447), der aus Söflingen bei Ulm stammte und nach Ulm umzog. Weitere Familienmitglieder der Familie, die zwei Zweige hatte, den von Jörg und den von Lienhardt. Die Familie hat sich vermutlich nach Basel, Altenstadt und Geislingen verzweigt. Bedeutsam waren die zwei Jörg Syrlin. Jörg Syrlin der Ältere arbeitete zunächst als Schreiner und schuf bereits 1458 das erste Kunstwerk, den hölzernen Betstuhl. Er war verheiratet, und das wird dadurch belegt, dass er nach seinem Tode 1491 wie seine Frau 1498 dem Ulmer Münster einen Rock hinterließ. Vermutet wird, dass das namenlose Brustbild am Chorgestühl Syrlin und das gegenüberliegende der Sibylle von Erythä die individuellen Gesichtszüge seiner Frau darstellt.[3]

Ein Wagen der Straßenbahn Ulm trägt seinen Namen.[4]

Abbildungen

Literatur

  • Eduard Mauch: Georg Sürlin, Vater, und Georg Sürlin, Sohn, Bildner in Stein und Holz. In: Württembergischer Bildersaal. Erster Band. Schaber, Stuttgart 1859, S. 75–77 (Digitalisat).
  • Alfred KlemmSürlin. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 166–169.
  • Erich Grill: Der Ulmer Bildschnitzer Jörg Syrlin d. Ä. und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte der schwäbischen Plastik am Ausgang des Mittelalters (= Studien zur deutschen Kunstgeschichte. Band 121). Heitz, Straßburg 1910.
  • Moritz Johner: Jörg Syrlin der Ältere. In: Archiv für christliche Kunst 38/39 (1920/21), S. 38 f.
  • Wilhelm Vöge: Jörg Syrlin der Ältere und seine Bildwerke, Bd. II: Stoffkreis und Gestaltung. Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, Berlin 1950.
  • Gerhard Weilandt: War der ältere Sürlin Bildhauer? In: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 28 (1991), S. 37–54.
  • Barbara Rommé: Überlegungen zu Jörg Syrlin d. Ä. und zur Ausstattung des Ulmer Münsterchores am Ende des 15. Jahrhunderts. In: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 20 (1993), S. 7–23.
  • Gerhard Weilandt: Ein archivalischer Neufund zur Fassung des Hochaltarretabels im Ulmer Münster. In: Ulm und Oberschwaben 49 (1994), S. 51–60.
  • Gerhard Weilandt: Der wiedergefundene Vertrag Jörg Syrlins des Älteren über das Hochaltarretabel des Ulmer Münsters. Zum Erscheinungsbild des frühesten holzsichtigen Retabels. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 59 (1996), S. 437–460.
  • Wolfgang Lipp: Begleiter durch das Ulmer Münster. Langenau 1999, ISBN 3-88360-011-3.
  • David Gropp: Das Ulmer Chorgestühl und Jörg Syrlin der Ältere. Untersuchungen zu Architektur und Bildwerk (= Neue Forschungen zur deutschen Kunst. Band 4). Berlin 1999.
  • Franz Härle: Das Chorgestühl im Ulmer Münster. Geschichte des Glaubens in Eiche geschnitzt. Langenau 2000, ISBN 3-88360-115-2.
  • Brigitte Reinhardt, Stefan Roller (Hrsg.): Michel Erhart und Jörg Syrlin d. Ä. Spätgotik in Ulm. Ausstellungskatalog. Theiss, Stuttgart 2002.
  • Anna Moraht-Fromm: Syrlin, Jörg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 739 (Digitalisat).

Einzelnachweise

  1. Familienzentrum Jörg-Syrlin-Haus. Abgerufen am 19. November 2021.
  2. Joerg Syrlin Grundschule – Unsere Chronik. Abgerufen am 19. November 2021.
  3. Allgemeine Deutsche Biographie: S. 167 (siehe Literatur)
  4. Straßenbahn Ulm: Combino Tw 47 Jörg Syrlin