Der Garten-Rettich (Raphanus sativus), älter Gartenrettig, kurz auch Rettich (und älter Rettig) genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Rettiche (Raphanus) innerhalb der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Zu ihr gehört eine ganze Reihe von Nutzpflanzen, wie Radieschen und Öl-Rettich.
Der Garten-Rettich ist eine ein- bis zweijährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 30 bis 100 Zentimetern erreicht. Der Garten-Rettich bildet Hypokotylknollen oder Wurzel-Hypokotylknollen, das heißt an der Bildung der Knolle ist nur das Hypokotyl oder Hypokotyl und Wurzel beteiligt. Die Farbe und Größe der Knollen ist dabei sehr variabel. Der Stängel ist ästig, röhrig, kahl oder mit breiten derben Borsten besetzt.[1] Er ist oft violett, besonders in den Achseln der Seitenzweige.[1] Die Laubblätter sind gezähnt, fiederspaltig oder gefiedert, jedoch sind die Fiedern nicht bis zur Rhachis getrennt. Die Stängelblätter sind nicht stängelumfassend. Die unteren Blätter sind leierförmig fiederschnittig mit einem großen geschweift-gekerbten Endabschnitt.[1] Die Seitenlappen sind kleiner, länglich-eiförmig, gezähnt und zerstreut mit angedrückten Borsten besetzt.[1]
Generative Merkmale
Die Blütezeit liegt im Mai und Juni. Die Blütentrauben sind locker und umfassen durchschnittlich 30 Blüten.[1] Die Blütenstiele sind 1 bis 2 Zentimeter lang und zerstreut borstig.[1]
Die zwittrigen Blüten sind vierzählig. Die Kelchblätter sind 6,5 bis 10 Millimeter lang, länglich und kahl oder zerstreut borstig.[1] Die vier Kronblätter sind weiß oder violett, dabei sind die Adern dunkler. Im Umriss sind sie verkehrt eiförmig und 17 bis 22 Millimeter lang.[1] Sie sind lang genagelt und vorn schwach ausgerandet.[1] Die Antheren sind gelb.[1] Der Fruchtknoten ist grün oder rot; sein unteres Glied ist 0,5 Millimeter lang, das obere Glied enthält 8 bis 18 Samenanlagen.[1] Der Griffel ist 4 Millimeter lang.[1] Die kurze, gedunsene Schote ist nicht oder nur leicht perlschnurartig gegliedert. Bei Reife bleibt die Frucht geschlossen. Die reifen Früchte stehen auf aufrecht-abstehenden Stielen, sind zylindrisch und oben kegelförmig zugespitzt.[1] Ihr unteres Glied ist 1 bis 3 Millimeter lang, verkehrt kegelförmig und meist samenlos.[1] Das obere Glied ist 3 bis 9 Zentimeter lang, 0,8 bis 1,4 Zentimeter breit, innen schwammig, außen strohig und blass.[1] Die Samen sind eiförmig, 4 Millimeter lang, 3 Millimeter breit, netzig-grubig, hellbraun und haben einen schwarzen Nabelfleck.[1]
Garten-Rettich kommt nur in Kultur vor. Angebaut werden verschiedene Sorten besonders in Europa, Nordamerika und Ostasien. Selten kommt er in Mitteleuropa verwildert vor, bleibt jedoch unbeständig.
Garten-Rettich bevorzugt nährstoffreiche und sandige Böden.
Die ökologischen Zeigerwerte nach Landoltet al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3 (mäßig feucht), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 3 (schwach sauer bis neutral), Temperaturzahl T = 4 (kollin), Nährstoffzahl N = 4 (nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 4 (subkontinental).[3]
Systematik
Der Garten-Rettich weist eine große Variabilität auf. In Mitteleuropa werden hauptsächlich drei Unterarten kultiviert,[4] Hanelt unterscheidet vier Gruppen auf der Stufe der Convarietät und Sortengruppe.[5]
Rettich-Gruppe (Raphanus sativus var. sativus, Radish Group)[6]
Eigentlicher Rettich oder Speise-Rettich oder Winter-Rettich (Raphanus sativus convar. sativus, Radish Group): hierher gehören etwa der Schwarze Winter-Rettich (Raphanus sativus var. niger(Mill.) J.Kern.), der Weiße Bier-Rettich und der asiatische Daikon.
Radieschen oder Sommer-Rettich (Raphanus sativus subsp. sativus, Raphanus sativus convar. sativus, Small Radish Group), hierzu zählen auch Knollen- und Eiszapfen-Rettich (Raphanus sativus var. sativus), eine Varietät des Speise-Rettichs.
Öl-Rettich (Raphanus sativus subsp. oleiferus(Stokes) Metzg., Raphanus sativus convar. oleifer) wird wegen des Samenöls angebaut.
Rattenschwanzrettich oder Schlangenrettich (Raphanus sativus convar. caudatus bzw. var. mougriHelm, Rat-tailed Radish Group),[6]. Wird hauptsächlich in Asien wegen der essbaren Schoten und Blätter angebaut.
Es ist nicht sicher, von welcher Wildart der Garten-Rettich abstammt. Als wahrscheinliche Stammform gilt der Strand-Rettich (Raphanus raphanistrum subsp. landra; Syn.: Raphanus maritimus), der im östlichen Mittelmeer heimisch ist. Aus dieser Art dürften, eventuell unter Einkreuzung weiterer Arten oder Unterarten, nach und nach die heutigen Formen entstanden sein.[7]
Berichte Herodots über die Nennung des Rettichs in Inschriften der Cheops-Pyramide[1] sind nach Körber-Grohne nicht glaubwürdig.[8]Papyri aus römischer Zeit erwähnen Rettichöl (ραφανέλαιον/ελαιον ραφάνινο)[9]. Es stammte vor allem aus dem Fajum[10]. Ein Papyrus aus Oxyrhynchus[11] aus dem dritten Jahrhundert nach Chr. nennt Rettichöl, zusammen mit Brot, Wein und Essig als Nahrung für Musikanten und eine Tänzerin, die für ein Fest angeworben wurden[12].
Die älteste erhaltene Abbildung eines Rettichs stammt aus dem Wiener Dioskurides, einer Handschrift der Zeit um 500. Im Mittelalter wird er auch in Deutschland erwähnt, bei Hildegard von Bingen heißt er retich, Albertus Magnus nennt ihn radix. In den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts ist der (Garten-)Rettich (lateinisch raphanus[17]) fast immer abgebildet. Abgebildet sind die länglichen Rettiche und die Blüten mit den zugespitzten Gliederschoten.[8] Deren Knollen ähnelten den heute angebauten Eiszapfen-Rettichen.[5]
In Europa und Ostasien waren Resistenzen und physiologische Anpassungen die Hauptziele der Zucht. In Japan und der Volksrepublik China begann die Zucht von Hybriden in den 1960er-Jahren. Diese ersetzen die traditionellen Formen.[5]
Nutzung
Anbau und Ernte
Die Aussaat von Frühlings- und Sommerrettichen erfolgt ab März (bis Anfang August) als zweite Kultur, beispielsweise nach Feldsalat oder Kopfsalat. Ab Ende Juni kann der Rettich für die Herbsternte ausgesät werden.[18] Sommer-Rettiche können ab Februar im Gewächshaus vorgezogen werden.[19]
Rettich gilt als Mittelzehrer und kommt im Hausgarten meist mit den Resten der Nährstoffe der vorausgehenden Kultur zurecht. Oft wird der Boden jedoch mit Kompost angereichert.[19] Der Boden zwischen den Reihen sollte regelmäßig gelockert werden, ferner sollte gleichmäßig gegossen werden.
Krankheiten und Schädlinge
Frische organische Düngung, wie frischer Kompost oder Mist, führt zu erhöhtem Schädlings- und Krankheitsbefall. Bei übermäßiger Stickstoffdüngung reichert Rettich in Wurzel und Blatt Nitrat an. Frühe Sorten reagieren stärker auf schwankende Bodenfeuchtigkeit und bilden eine pelzige oder schwammige Wurzel. Herbstrettiche neigen zum Platzen, wenn nach Trockenperioden viel Regen fällt.[18]
Schädlinge des Rettichs sind der OomycetAlbugo candida, Erdflöhe (Phyllotreta-Arten), die Rettichfliege (Phorbia floralis), Blütengallmücken (Gephyraulus raphanistri und Contarinia nasturtii), die Raupen der Kohlschabe (Plutella maculipennis) und der Rübsaat-Pfeifer (Evergestis extimalis).[1]
Verwendung
Küche
Vom Garten-Rettich wird die Wurzel als Gemüse genutzt. Aus den Samen des Ölrettichs wird Öl gewonnen. Die Schoten des Schlangenrettichs werden als Gemüse gegessen. Auch die Blätter sind essbar.
Heilwirkung
Frischer Rettich bzw. der Presssaft daraus fördert die Gallen- und Magensaftsekretion und wirkt antimikrobiell. Bei empfindlichen Personen können die Senföle nach der Anwendung größerer Mengen die Magen- und Darmschleimhaut reizen.
Literatur
Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv. CD-ROM, Version 1.1. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2002, ISBN 3-494-01327-6.
↑ abGarten-Rettich. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
↑Raphanus sativus L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 25. März 2023.
↑ Manfred A. Fischer, Wolfgang Adler, Karl Oswald: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2005, ISBN 3-85474-140-5.
↑ abcPeter Hanelt, Institute of Plant Genetics and Crop Plant Research (Hrsg.): Mansfeld's Encyclopedia of Agricultural and Horticultural Crops Band 3, Springer Verlag, Berlin 2001, S. 1481.
↑ abUdelgard Körber-Grohne: Nutzpflanzen in Deutschland von der Vorgeschichte bis heute, Stuttgart, Theiß, S. 196f.
↑Philip Myerson, Radish Oil: A Phenomenon in Roman Egypt. Bulletin of the American Society of Papyrologists 38, 1/4, 2001, 109. Stable URL: https://www.jstor.org/stable/24519770
↑Philip Myerson, Radish Oil: A Phenomenon in Roman Egypt. Bulletin of the American Society of Papyrologists 38, 1/4, 2001, 113. Stable URL: https://www.jstor.org/stable/24519770
↑Philip Myerson, Radish Oil: A Phenomenon in Roman Egypt. Bulletin of the American Society of Papyrologists 38, 1/4, 2001, 114. Stable URL: https://www.jstor.org/stable/24519770
↑S. Lauffer (Hrsg.), Diokletians Preisedikt III.4 (Berlin 1971), zitiert nach Philip Myerson, Radish Oil: A Phenomenon in Roman Egypt. Bulletin of the American Society of Papyrologists 38, 1/4, 2001, 109. Stable URL: https://www.jstor.org/stable/24519770
↑Romanus, K., Van Neer, W., Marinova, E. et al. Brassicaceae seed oil identified as illuminant in Nilotic shells from a first millennium AD Coptic church in Bawit, Egypt. Anales Bioanalytical Chemistry 390, 2008, 783–793. doi:10.1007/s00216-007-1704-2
↑Kerry O’Donoghue, Alan Clapham, Richard P. Evershed, Terence A. Brown, Remarkable Preservation of Biomolecules in Ancient Radish Seeds. Proceedings Biological Sciences 263/1370, 1996, 541–547. https://www.jstor.org/stable/50675
↑Vgl. etwa Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 153 (Raphanus: Gartenrettig).
↑ abE. Niller: Der große und der kleine Gemüsegarten. Naturgemässer Anbau von Gemüse, Gewürzkräutern und Pilzen, Weihenstephaner Erfahrungen. Berlin und Hamburg, 1990, ISBN 978-3-489-63224-5.
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