Friedrich Hollaender wurde in London geboren. Sein Vater war der damals bekannte OperettenkomponistVictor Hollaender. Seine Mutter Rosa Perl war Revuesängerin im Zirkus. Sein Großvater väterlicherseits liebte Musik und Theater und förderte seine drei Söhne (also Friedrichs Vater und dessen Brüder) entsprechend. Felix und Gustav Hollaender, die beiden Onkel Friedrichs, hatten beide bedeutende Stellungen im Berliner Kultur- und Musikleben inne: Felix als Dramaturg bei Max Reinhardt und Gustav als Leiter des Stern’schen Konservatoriums. Friedrich war das einzige Kind seiner Eltern.
Um die Wende zum 20. Jahrhundert siedelte die Familie Hollaender nach Berlin über, woher sie auch ursprünglich stammte. Victor war dort am Metropol-Theater am Nollendorfplatz tätig.
Schon als Kind improvisierte Hollaender auf Vaters Flügel. Er wurde Meisterschüler am Stern’schen Konservatorium bei Engelbert Humperdinck. In seiner Jugend spielte er häufig Klavier im Stummfilmkino an der Ecke. Das Improvisieren zu vorher nicht gesehenen Filmen beherrschte er offenbar perfekt.
In den Jahren 1914 und 1915 war Friedrich Hollaender in New York und Prag. Später wurde er vom Kriegseinsatz insofern verschont, als er, durch verwandtschaftliche Beziehungen (Onkel Felix), in einem Fronttheater an der Westfront das Orchester leiten sollte. Diese Phase mag ein Bruch in Hollaenders künstlerischem Leben gewesen sein, von da an mischte sich Unterhaltung in die ernsthafte Musik.
In den 1920er Jahren wurde Hollaender eine feste Größe in der Berliner Kulturszene. Er wirkte an verschiedenen Kabarett-Theatern (darunter Trude Hesterbergs Wilde Bühne), komponiert und textete Lieder und begleitete Blandine und andere wie Grete Mosheim am Klavier. Später schrieb er Revuen, unter anderem für Rudolf Nelson. In Charlottenburg eröffnete er seine eigene Bühne, das Tingel-Tangel-Theater.
Neben dem Tingel-Tangel, das Hollaender gemeinsam mit Georg H. Will leitete, dem Schwager der Filmschauspielerin Marlene Dietrich,[1] vertonte er auch Filme. Ein Höhepunkt seines Schaffens war Der blaue Engel, dessen Melodie Von Kopf bis Fuß noch heute ein Begriff ist; in diesem Film traten auch Stefan WeintraubsWeintraubs Syncopators auf, bei denen er zuvor als Pianist gespielt hatte.
1933 musste Hollaender wegen seiner jüdischen Abstammung Deutschland verlassen; zwei Jahre zuvor hatte er den Antisemitismus als absurd verspottet (Kabarettsong: An allem sind die Juden schuld auf die Melodie der Habanera aus Bizets Carmen). Sein Weg führte ihn mit seiner zweiten Frau Hedi Schoop zuerst nach Paris. Dort blieb er etwa ein Jahr in der großen deutschen Emigrantengemeinde. 1934 zog er nach Hollywood. Dort eröffnete er zunächst die amerikanische Ausgabe seines Tingel-Tangel-Theaters. Später kam er, der in jener Zeit finanzielle Not litt, wieder zum Film. Dort führte er zunächst Regie und begann dann wieder mit Filmmusik. Es war eine sehr produktive Periode seines Schaffens, die in Deutschland kaum gewürdigt wurde. Die Website IMDb verzeichnet weit über 100 Filme, an denen er mitgearbeitet hat. Oft erschien Hollaenders Name nicht in den Credits. Viermal wurde er für den Oscar nominiert. Zweimal für die beste Filmmusik (1942 für "Zeuge der Anklage" und 1953 für "Die 5000 Finger des Dr. T.") Zweimal für den besten Filmsong (1937 für "Whispers in the Dark" aus "Artists and Models", 1948 für "This Is the Moment" aus "Die Frau im Hermelin")[2]
In den USA schrieb er auch sein erstes Buch Those Torn from Earth, das erst viele Jahre später unter dem Titel "Menschliches Treibgut" in Deutschland veröffentlicht wurde. Nach dem Krieg blieb Friedrich Hollaender bis 1955 in den USA. In München, wo er sich danach niederließ, begann er wieder mit dem Kabarett. Nach der gescheiterten Revue Scherzo schrieb er Revuen für das Theater Die Kleine Freiheit in München. Doch die Zeit des großen Kabaretts war vorbei. Einen Cameo-Auftritt hatte er 1961 in dem Film Eins, Zwei, Drei von Billy Wilder als Dirigent einer Hotelkapelle. 1960 wurde er mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet, 1965 erhielt er das Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film, 1972 den Schwabinger Kunstpreis.
Über sein künstlerisches Schaffen nach dem Erscheinen seiner Autobiographie Von Kopf bis Fuß 1965 ist wenig bekannt, es erschienen einige Bücher, die jedoch allesamt vergriffen sind. Friedrich Hollaender war ab 1944 in dritter Ehe mit Leza Hay (Tochter: Melodie, * 1944) und ab 1946 in vierter Ehe mit Berthe Jeanne Kreder verheiratet.
Wenn der alte Motor wieder tackt … (Text: Kurt Tucholsky)
Wenn der Mond, wenn der Mond (Text: Kurt Tucholsky)
Wenn ich mir was wünschen dürfte
Wenn ick mal tot bin
Wie hab’ ich nur leben können ohne dich (Film: Ich und die Kaiserin)
Wiener Schmarrn / Rattengift her
Zieh dich aus, Petronella (Text: Kurt Tucholsky)
Zum ersten Mal (Text: Kurt Tucholsky)
Tonträger-Sammlungen
Friedrich Hollaender: Bei uns um die Gedächtniskirche ’rum …, CD (enthält u. a. ein Interview mit F. H.) Mit Beiheft. „Edition Berliner Musenkinder“ im Duo-phon-Musikverlag, Berlin 1996, 01 26 3.
Friedrich Hollaender, Blandine Ebinger: Vaführ mir liebers nicht. 2CD mit Beiheft. Co-Produktion der Edition Ebinger, Berlin, Rainer Bertam, München & Peter Schulze Radio Bremen, 1996; Distributed by BMG, Aris 743 21 38226 2.
Friedrich Hollaender: Wenn ich mir was wünschen dürfte. 8 CDs mit 168-seitigem Begleitbuch in einer Box. Bear Family Records, Vollersode 1996, BCD 16 009 HK.
Friedrich Hollaender: … Ich bin von Kopf bis Fuss auf Musik eingestellt. 4 CDs mit 20-seitigem Begleitbuch. Membran Music, 2005; Distributed by Grosser und Stein, Pforzheim, ISBN 3-86562-044-2.
Literarisches Schaffen
Those Torn From Earth (Als Frederick Hollander). Vorwort: Thomas Mann. Liveright Press, New York 1941.
Deutsche Ausgabe: Menschliches Treibgut. (Übersetzt von Stefan Weidle). Mit einem Vorwort von Thomas Mann und einem Nachwort von Volker Kühn. Weidle Verlag, Bonn 1995, ISBN 3-931135-09-8.
Lieder und Chansons für Blandine Ebinger (Mit Zeichnungen von Claus Arnold). Hermann Klemm Verlag, Freiburg im Breisgau 1957.
Von Kopf bis Fuß. Mein Leben mit Text und Musik. Kindler, München 1965, (Neuauflage: Weidle Verlag, Bonn 1996, ISBN 3-931135-17-9).
Chansons. Blanvalet Verlag, Berlin 1967.
Ärger mit dem Echo. R. S. Schulz, München-Percha am Starnberger See 1972.
Die Witzbombe und wie man sie legt. R. S. Schulz, München/Percha am Starnberger See 1972.
Ich starb an einem Dienstag. R. S. Schulz, München-Percha am Starnberger See 1972.
Mit eenem Ooge kiekt der Mond – Chansons für ein altes Pianola. (Gesammelt und mit einem Nachwort versehen von Helga Bemmann. Illustriert von Erika Baarmann). Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1978
Volker Kühn (Herausgeber): … und sonst gar nichts!: Das Friedrich-Hollaender-Chanson-Buch. Fackelträger-Verlag, Hannover 1996, ISBN 3-7716-1596-8.
Von Kopf bis Fuß – Friedrich Holländer. Ufaton-Verlag, Berlin/München (o. J.)
Das Kurt Tucholsky Chanson Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1983.
Schall und Rauch – Lieder und Chansons des gleichnamigen Berliner Kabaretts aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Mainz 1983.
Sexappeal – Lieder und Chansons von F. H. und Marcellus Schiffer. Schott Music, Mainz 1999.
Marlene Dietrich sings Friedrich Holländer. (Mit einer Einführung von Alan Lareau). Edition Dux, Manching 2001, ISBN 978-3-86849-151-7.
Literatur
Peter Hahn, Jürgen Stich: Friedenau: Geschichte & Geschichten. Oase Verlag, Badenweiler 2015, ISBN 978-3-88922-107-0.
Volker Kühn u. a. (Hrsg.): Bei uns um die Gedächtniskirche rum ...: Friedrich Hollaender und das Kabarett der zwanziger Jahre (= Archiv-Blätter. 3). Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin 1996, ISBN 3-88331-009-3.
Volker Kühn: Spötterdämmerung. Vom langen Sterben des großen kleinen Friedrich Hollaender. Parthas, Berlin 1997, ISBN 3-932529-00-6.
Friedrich Hollaender. In: Karin Ploog: ... Als die Noten laufen lernten ... Geschichte und Geschichten der U-Musik bis 1945. Erster Teil. Norderstedt 2015, ISBN 978-3-7347-4508-9, S. 390–449.
Friedrich Hollaender mit seinem Tingel-Tangel-Theater. In: Karin Ploog: ... Als die Noten laufen lernten ... Band 2: Kabarett-Operette-Revue-Film-Exil Unterhaltungsmusik bis 1945. Norderstedt 2015, ISBN 978-3-7347-5316-9, S. 295–298.
Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 4: H – L. Botho Höfer – Richard Lester. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 28 ff.
Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …'. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8, S. 245ff.
Peter Petersen: Neues zu den Hollaenders – mit einer Familienchronik aus dem Jahr 1957 von Gabriele Tergit. In: mr-Mitteilungen. 90, August 2016, S. 3–12.
Filmdokumentationen
Spötterdämmerung. Gespräche mit Friedrich Hollaender. TV-Film von Rainer Bertram, 1973