Dimitri Tiomkin war der Sohn eines distinguierten Pathologen, der zeitweise mit Paul Ehrlich zusammenarbeitete; seine Mutter war Musikerin und führte ihn schon als kleines Kind an das Klavier heran. Er besuchte ab dem Alter von sieben Jahren eine Klavierklasse in St. Petersburg und wurde später am Sankt Petersburger Konservatorium bei Alexander Glasunow ausgebildet.[2] Er schlug sich zunächst als Musiklehrer bei wohlhabenden oder aristokratischen Familien durch. Aufgrund der politischen Lage und der wirtschaftlichen Krise nach der Oktoberrevolution 1917 zunehmend desillusioniert, erhielt Tiomkin durch Verbindungen seines seit längerem in Berlin lebenden Vaters ein Visum für Deutschland.[3] Er lebte einige Jahre in Berlin und dann in Paris als Musiklehrer und Konzertpianist. 1925 emigrierte er in die USA, nachdem er gehört hatte, dass europäische Musiker dort sehr gefragt waren und mehr Geld verdienten.[4]
Tiomkin heiratete 1927 die aus Wien stammende Ballett-Tänzerin Albertina Rasch (1891–1967). In den USA begann er sich zunehmend für Jazzmusik zu interessieren und freundete sich mit George Gershwin an, daneben reiste er als Konzertpianist durch die USA.[5] Neben Gershwin waren Ferruccio Busoni, Maurice Ravel, Frederic Mompou und Alexandre Tansman Komponisten, deren Werke er schätzte und häufig spielte. Um 1930 zog er mit seiner Frau Albertina Rasch nach Hollywood, wo diese als Choreografin an Filmproduktionen arbeitete. In dieser Zeit begann Tiomkin, sich zunehmend für Komposition zu interessieren, und verfasste erste Filmmusiken.[6] 1937 wurde er amerikanischer Staatsbürger.
Arbeit als Filmkomponist
Anfang der 1930er-Jahre verkaufte Tiomkin erste Kompositionen an Hollywood-Studios, so erhielt er für ein Stück namens Mars Ballet 3000 Dollar. Er begann weitere Filmkompositionen zu schreiben und erhielt seinen ersten größeren Auftrag 1933 bei dem Film Alice im Wunderland von Paramount Pictures. Die Filmkompositionen ermöglichten ihm fast zum ersten Mal in seinem Leben ein sicheres und komfortables Einkommen.[7]
Nach Zwölf Uhr mittags komponierte Tiomkin weitere Filmsongs, die teilweise zu Charthits wurden – etwa Friendly Persuasion von Pat Boone aus William Wylers Filmdrama Lockende Versuchung (1956) und Gene PitneysTown Without Pity aus dem Justizdrama Stadt ohne Mitleid (1961). Im Jahr 1967 schrieb er eine seiner letzten Filmkompositionen für den Western Die Gewaltigen mit John Wayne und Kirk Douglas in den Hauptrollen. Das einprägsame Titellied, The Ballad of the War Wagon, gesungen von Ed Ames, weist starke Reminiszenzen an die frühere Titel-Komposition The Ballad of the Alamo (1960) auf.
Außer für das Kino schrieb Tiomkin auch einige bekannte Erkennungsmelodien für Fernsehserien, wie Tausend Meilen Staub (Rawhide) (1959), Gunslinger (1961) oder The Wild Wild West (1965). Ende der 1960er-Jahre zog er sich zusehends aus dem Filmgeschäft zurück, zuletzt komponierte er 1969 für die in der Sowjetunion gedrehte und produzierte Musikerbiografie Tschaikowski und erhielt hierfür seine letzte von 24 Oscar-Nominierungen.[10]
Privates
Sein joviales Auftreten und sein etwas gebrochenes Englisch machten Tiomkin zu einem beliebten Interviewpartner und einem der medial sichtbareren Hollywood-Komponisten seiner Zeit.[11] 1959 veröffentlichte er seine Autobiografie unter dem Titel Please Don’t Hate Me.
Er war dreimal verheiratet: zunächst mit Carolina Perfetto, aus dieser Ehe kam ein Kind; dann von 1927 bis zu ihrem Tod 1967 mit Albertina Rasch und schließlich von 1972 bis zu seinem Tod mit Olivia Cynthia Patch. Nach seinem Rückzug aus Hollywood verbrachte er seinen Lebensabend zwischen Wohnungen in Paris und London, wobei er bis zuletzt Wert darauf legte, täglich sein Klavierspiel zu üben. Dimitri Tiomkin starb im November 1979 nach kurzer Krankheit im Alter von 85 Jahren in London und wurde auf dem Forest Lawn Memorial Park in Glendale beigesetzt.[12]
Kompositionsstil
Laut Tiomkins Biografen Christopher Palmer zeichnen sich dessen Filmmusiken durch eine „große stilistische Bandbreite“ aus und nannte Beispiele: „(...) von der betörenden Innigkeit in Friendly Persuasion bis zu den rassigen Sprudeligkeiten in The Happy Time, Champagne for Caesar oder The Fourposter; von der Großartigkeit von Prärie und Fluss in The Big Sky oder Canadian Pacific bis zu den klaustrophobischen Großstadt-Albträumen in D.O.A.; von dem üppigen, extravaganten Exotismus eines 55 Tage in Peking zu den kargen, abgehackten, vom Klavier dominierten Klängen von 36 Hours; von dem angespannten Kammerspieldrama eines I Confess zu dem originellen Neo-Klassizismus von Cyrano de Bergerac, von der anhaltenden symphonischen Hysterie in The Steel Tramp oder The Well zu den Jazz-beeinflussten Emotionen in Town Without Pity (...)“. Trotz solch großer Unterschiede sei Tiomkins Handschrift und Persönlichkeit stets in seinen Kompositionen erkennbar geblieben. Zudem habe er wie wenige andere Filmkomponisten die Eigenheiten des Mediums Film gekannt, verstanden und danach komponiert.[13]
Gemessen an seinen Auszeichnungen gehört Tiomkin mit vier Oscars und fünf Golden Globes zu den erfolgreichsten Komponisten Hollywoods aller Zeiten.
Oscar
1940: Nominierung in der Kategorie Beste Filmmusik für Mr. Smith geht nach Washington
1943: Nominierung in der Kategorie Beste Filmmusik für Blutrache
1944: Nominierung in der Kategorie Beste Filmmusik für Der Besessene von Tahiti
1945: Nominierung in der Kategorie Beste Filmmusik für The Bridge of San Luis Rey
1950: Nominierung in der Kategorie Beste Filmmusik für Zwischen Frauen und Seilen
1953: Auszeichnungen in den Kategorien Bester Song High Noon (Do Not Forsake Me) und Beste Filmmusik für Zwölf Uhr mittags
1955: Auszeichnung in der Kategorie Beste Filmmusik und eine Nominierung in der Kategorie Bester Song The High and the Mighty (Lied), Filmmusik und Lied aus dem Katastrophenfilm Es wird immer wieder Tag
1957: Nominierungen in der Kategorie Bester Song für Lockende Versuchung und in der Kategorie Beste Filmmusik für Giganten
1958: Nominierung in der Kategorie Bester Song für Wild ist der Wind (Wild Is the Wind)
1959: Auszeichnung in der Kategorie Beste Filmmusik für Der alte Mann und das Meer
1961: Nominierungen in den Kategorien Bester Song und Beste Filmmusik für Alamo (The Green Leaves of Summer)
1962: Nominierungen in der Kategorie Bester Song (Town Without Pity) für Stadt ohne Mitleid und in der Kategorie Beste Filmmusik für Die Kanonen von Navarone
1964: Nominierungen in den Kategorien Bester Song und Beste Filmmusik für 55 Tage in Peking
1965: Nominierung in der Kategorie Beste Filmmusik für Der Untergang des Römischen Reiches
1972: Nominierung in der Kategorie Beste Filmmusik für Tschaikowski
Golden Globe Award
1952: Nominierung in der Kategorie Beste Filmmusik für Stadt in Aufruhr
1953: Auszeichnung in der Kategorie Beste Filmmusik für Zwölf Uhr Mittags
1955: „Special Award“ für seinen „kreativen musikalischen Beitrag zum Film“
1957: „Special Award“ als „Anerkennung für seine Filmmusik“
1961: Auszeichnung in der Kategorie Beste Filmmusik für Alamo
1962: Auszeichnungen in der Kategorie Beste Filmmusik für Die Kanonen von Navarone und in der Kategorie Bester Filmsong für Stadt ohne Mitleid
1965: Auszeichnungen in der Kategorie Beste Filmmusik für Der Untergang des Römischen Reiches und in der Kategorie Bester Filmsong für Circus-Welt
Laurel Awards
1959: 2. Platz des Golden Laurels in der Kategorie Top Score für Der alte Mann und das Meer
1961: Golden Laurel in der Kategorie Top Musical Score für Alamo
1962: Golden Laurel in der Kategorie Top Music und Nominierung in der Kategorie Top Song für Stadt ohne Mitleid
1963: Golden Laurel in der Kategorie Top Music
1964: 2. Platz des Golden Laurels in der Kategorie Top Music und Top Song für 55 Tage in Peking
1965: 3. Platz des Golden Laurels in der Kategorie Music Man
Weitere
Seine Filmmusik zu Zwölf Uhr Mittags erreichte Platz 10 in der vom American Film Institute im September 2005 herausgegebenen Liste der 25 besten amerikanischen Filmmusiken aus 100 Jahren.
Autobiografie
Dimitri Tiomkin, Prosper Buranelli: Please Don’t Hate Me. Doubleday, Garden City, New York, 1959, 261 S.
Literatur
Christopher Palmer: Dimitri Tiomkin: A Portrait. T.E. Books, London 1984, ISBN 0-9509439-0-8.