Die Reifeprüfung (Originaltitel The Graduate) ist ein US-amerikanischer Spielfilm von Mike Nichols aus dem Jahr 1967, der auf dem gleichnamigen Roman von Charles Webb basiert. Er erzählt, wie der College-Absolvent Benjamin Braddock (Dustin Hoffman) nacheinander zwei „verbotene“ Beziehungen eingeht: zunächst mit einer verheirateten Frau, dann mit ihrer Tochter.
Der Film spielte weltweit über 100 Millionen Dollar ein und brachte Mike Nichols 1968 den Oscar für die beste Regie ein. Daneben wurde er mit zahlreichen weiteren Preisen ausgezeichnet. Die Reifeprüfung wurde 1996 in das National Film Registry aufgenommen und landete 1998 bei der Wahl des American Film Institute zu den besten amerikanischen Filmen auf dem 7. Platz.
Kurz vor Vollendung seines 21. Lebensjahres und mit glänzendem College-Abschluss im Gepäck kehrt Benjamin Braddock ins Elternhaus nach Südkalifornien zurück. Was er in Zukunft zu tun gedenkt, weiß er noch nicht. Nicht zuletzt deshalb wäre es ihm lieber, alleingelassen statt auf „seiner“ Party den Freunden seiner Eltern vorgezeigt zu werden. Mrs. Robinson, die ohne ihren Mann, einen Geschäftspartner von Mr. Braddock, zugegen ist, bittet Benjamin, sie nach Hause zu fahren.
Dort versucht sie, ihn zu verführen, wogegen er sich sträubt und was schließlich durch die verfrühte Rückkehr von Mr. Robinson vereitelt wird. Ironischerweise ist ausgerechnet er es, der Benjamin den Rat gibt, seine Jugend zu genießen und seine Anziehungskraft auf Frauen zu nutzen. Einige Tage später ringt sich Benjamin durch, auf Mrs. Robinsons Angebot einzugehen.
Seine Unsicherheit überwindet er jedoch erst in dem Moment, als sie ihn fragt, ob es sein „erstes Mal“ sei und er Angst habe zu „versagen“. Die sich anschließende mehrwöchige Affäre zwischen beiden bleibt eine rein sexuelle. Benjamins erster Versuch, über ein Gespräch mehr Nähe zu schaffen, endet im Streit und beinahe im Zerwürfnis, ausgelöst dadurch, dass Mrs. Robinson darauf besteht, er solle versprechen, nie mit ihrer Tochter Elaine auszugehen.
Besorgt ob seiner Untätigkeit und seiner nächtlichen Ausflüge ist es aber genau das, worum Benjamins Eltern ihn wiederholt bitten – bis er nachgibt. Im Bestreben, Elaine das Zusammensein mit ihm ein für alle Mal zu verleiden, gibt er sich unnahbar und schleppt sie in ein Striplokal. Dabei geht er jedoch zu weit: Sie ist gedemütigt und bricht in Tränen aus. Er rechtfertigt sich, tröstet sie, küsst sie und verliebt sich. Noch am selben Abend gesteht er ihr, ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau gehabt zu haben.
Ihr für den Folgetag geplantes Treffen vereitelt Mrs. Robinson; sie droht Benjamin, Elaine notfalls mit der Wahrheit zu konfrontieren. Kurz entschlossen kommt er ihr zuvor; um den Preis, dass Elaine mit ihm bricht. Als sie bald darauf nach Berkeley zurückkehrt, um ihr Studium fortzusetzen, beschließt er, ihr zu folgen.
Elaine wehrt ihn zunächst ab und flüchtet sich in die Arme eines anderen Verehrers – des Medizin-Studenten Carl Smith –, sucht Benjamin aber dann ihrerseits auf und erfährt, dass ihre Mutter sie belogen hat, als sie behauptete, von Benjamin vergewaltigt worden zu sein. Schnell nähern sich beide wieder an, Benjamin drängt sogar auf baldige Hochzeit.
Doch nun intervenieren die Robinsons mit vereinter Kraft, indem sie ihre Tochter kurzerhand mit Carl Smith verheiraten wollen. Elaine resigniert und hinterlässt Benjamin einen Abschiedsbrief. Im Finale geht es für ihn darum, herauszufinden, wo diese Hochzeit stattfindet, und rechtzeitig da zu sein, um sie zu verhindern. Als er nach mehr als zwölfstündiger Odyssee ankommt, ist die Ehe gerade geschlossen, das Paar küsst sich.
Sein verzweifelter Auftritt auf der verglasten Kirchenempore verändert dennoch alles: Dem „Es ist zu spät!“ ihrer Mutter setzt Elaine ein „Nicht für mich!“ entgegen und läuft auf Benjamins Seite über. Ein Holzkreuz dient als Waffe und als Riegel für die Kirchentür. Sie flüchten in einem Linienbus; während der Bus losfährt, verschwindet die Euphorie über die geglückte Flucht langsam von ihren Gesichtern.
Hintergrund
Der Film wirkte für damalige Verhältnisse revolutionär. Das erste Mal wurde publikumswirksam und vorurteilsfrei die Beziehung einer verheirateten Frau zu einem jüngeren Liebhaber geschildert.
Der Film rückte die starren Moralvorstellungen der amerikanischen Gesellschaft und die Weltfremdheit der damals jungen Generation in den Fokus. Zum Zeitpunkt der Produktion war die ethischeSelbstzensur der Filmindustrie nach dem Hays Code abgesetzt worden.
Die Schlusssequenz – gehetzte Fahrt zur Kirche und Entführung der Braut aus der Trauungszeremonie – geht auf das Finale des Harold-Lloyd-Stummfilmes Girl Shy (1924) zurück. Lloyd wirkte bei den Dreharbeiten als Berater mit.[1]
Der deutsche Filmtitel Die Reifeprüfung ist im Kontext des Films nicht die korrekte Übersetzung des Originaltitels The Graduate (‚der Absolvent‘). Unter „Reifeprüfung“ wird in Deutschland das Abitur und in Österreich die Matura verstanden. Im amerikanischen Englisch heißt sowohl der Abschluss der High School als auch der Abschluss des College „graduation“; Benjamin hat nicht etwa die Schule, sondern das College abgeschlossen. Obwohl die Übersetzung nicht korrekt ist, ist sie dennoch als Interpretation schlüssig, geht es im Film doch um ein klassisches Initiationsthema, und der männliche Protagonist wird von einer älteren Frau verführt und in die Sexualität eingeführt. Er hat also eine „Reifeprüfung“ zu bestehen, die sich nicht nur in der Einführung in die Sexualität äußert, sondern auch in einer emotionalen Reifung, da er sich aller gesellschaftlichen Widerstände und Konventionen zum Trotz für seine Liebe entscheidet.
In dem Film fand die erste professionelle Produktplatzierung in Form eines Alfa Romeo 1600 Duetto Spider statt, womit bei der Finanzierungsstrategie für diesen Film Neuland betreten wurde. Die betreffende Baureihe wird in den USA heute noch vielerorts Graduate Spider genannt. Insoweit war der Film eine Reaktion auf die sich ankündigenden gesellschaftlichen und moralischen Umbrüche und somit Vorbote von New Hollywood.[3]
Die Rolle des Ben war die erste große Rolle von Dustin Hoffman, der danach zum Hollywood-Star aufstieg. Auch durch Dustin Hoffman – „klein, drahtig und unaufdringlich“ – setzte sich im Kino des New Hollywood ein neuer Typus des Hollywood-Hauptdarstellers durch.[4] Die Rolle erhielt er trotz seines damaligen zu hohen Alters von 30 Jahren, da er beim Vorsprechen sehr unsicher und nervös wirkte. Der Altersunterschied zwischen ihm, der einen College-Absolventen Anfang Zwanzig darstellte, und der 36-jährigen Anne Bancroft, die als 42-jährige Mutter einer neunzehnjährigen Tochter agierte, betrug somit nicht, wie im Film dargestellt, mehr als 20, sondern lediglich knapp sechs Jahre. Der reale Altersunterschied zwischen Filmmutter und Filmtochter war mit 9 Jahren nicht viel größer.
Anne Bancrofts Rolle der Mrs. Robinson war zunächst Doris Day angeboten worden, die jedoch absagte.[5]
In der berühmten Szene, die auch für das Original-Kinoplakat verwendet wurde, in welcher Dustin Hoffman im Türrahmen steht und auf die Beine von Mrs. Robinson starrt, sind nicht die Beine von Anne Bancroft, sondern die der damals 26-jährigen Linda Gray zu sehen, welche später in der Fernsehserie Dallas berühmt wurde.[6]
In den letzten Jahren erlebte der Film durch erfolgreiche Theater-Aufführungen ein Comeback, so in London, wo Mrs. Robinson mit großem Erfolg von Jerry Hall dargestellt wurde.[7]
Im Film American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen finden sich ebenso Anspielungen auf die Liebesgeschichte. Während der Begegnung von Paul Finch mit der reiferen Jeanine Stifler findet auch das Lied Mrs. Robinson Verwendung.
Die Szene, in der Dustin Hoffman im elterlichen Swimming-Pool taucht, wurde ebenfalls in dem Film Old School adaptiert.
Für einen Werbespot für den damals neuen Audi A6 kehrte Dustin Hoffman 2004 in seine Rolle zurück: Hoffman fährt im Audi zur Kirche, klopft von außen an die Fensterscheibe, die junge Braut flüchtet mit ihm im Audi. Darauf sagt sie: „Danke Dad!“ und er: „Du wirst wie deine Mutter.“[10]
Im Film Wo die Liebe hinfällt von 2005 wird die Filmstory in gewisser Weise fortgesponnen: Eine junge Frau erfährt kurz vor der Hochzeit ihrer Schwester, dass ihre Familie das Vorbild für den Film darstellt. Shirley MacLaine übernahm die Rolle von Mrs. Robinson, Kevin Costner gibt Benjamin Braddock.
Im Film Kingpin der Brüder Peter und Bobby Farrelly wird die Szene parodiert, in der Dustin Hoffman im Türrahmen steht und auf die Beine von Mrs. Robinson starrt.
Auszeichnungen
Mike Nichols erhielt 1968 einen Oscar für die beste Regie. Nominiert war der Film außerdem in den Kategorien Bester Film, Bestes adaptiertes Drehbuch (Calder Willingham und Buck Henry), Bester Hauptdarsteller (Dustin Hoffman), Beste Hauptdarstellerin (Anne Bancroft), Beste Kamera (Robert Surtees) und Beste Nebendarstellerin (Katharine Ross).
„Temporeiche Gesellschaftssatire, die gleichermaßen die verkalkte Moral des amerikanischen Establishments und die Weltfremdheit der jungen Generation aufs Korn nimmt, die sich aber deutlich auf die Seite der unangepaßten Söhne und Töchter schlägt. Mit musikalischem Elan, schicken Pop-Elementen und spitzem Humor inszeniert.“
↑Catherine Shoard: Linda Gray: leg on The Graduate poster was mine, not Anne Bancroft's. In: The Guardian. 1. Februar 2013, ISSN0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 25. März 2023]).