Bet Scheʾanⓘ/? (hebräisch בֵּית שְׁאָן Bēt-Šəʾān; arabisch بيسان Bīssān) ist eine Stadt in Israel. Weitere Schreibungen des hebräischen Namens in lateinischer Schrift: Bet-Schean, Beit Scheʾan und Bet Sheʾan.
Die britische Mandatsmacht und das israelische Zentralbüro für Statistik geben bei den Volkszählungen im Jahr 1922 und 1931, sowie am 8. November 1948, 22. Mai 1961, 19. Mai 1972, 4. Juni 1983, 4. November 1995 und vom 28. Dezember 2008; sowie einer Fortschreibung des Israelischen Zentralbüros für Statistik zum 31. Dezember 1955 folgende Einwohnerzahlen an:[3]
Jahr der Volkszählung
1922
1931
1948
1955
1961
1972
1983
1995
2008
2011
2015
2016
Anzahl der Einwohner
1.941
3.101
6.009
6.400
9.700
11.300
12.900
14.900
16.800
16.900
17.332
17.587
Geschichte
Name
Die Etymologie des hebräischen Namens Bet Scheʾan ist ungesichert. Möglicherweise ist er zu interpretieren als „Haus der Gottheit Scheʾan“. Seit in der Zeit Ptolemaios’ II.skythische Reitereinheiten[4] in der Stadt stationiert wurden, trug sie den Namen Skythopolis (Σκυθόπολις aus Σκύϑων + πόλις). Erst unter Antiochos IV. erhielt sie den Beinamen Nysa nach Nysa, der Amme des Stadtgottes Dionysos, die nach einer Legende aus dem 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. in Skythopolis begraben liegt. Der Name Skythopolis erscheint im biblischen Buch Richter 1,27 EU in einer Glosse der Septuaginta sowie in Judit 3,10 EU. In der talmudischen Überlieferung hieß der Ort durchgängig Bet Scheʾan. Der alte semitische Name lebte im arabischen Dorf Baisan weiter.
Der sich über die antike Stadt erhebende Tell trägt den arabischen Namen Tell el-Hösn, d. h. „Hügel der Stärke“.
Antike
Der in der Jordansenke gelegene Tell el-Hösn war bereits in der Bronzezeit von Kanaanitern besiedelt. Es war ein bedeutendes Zentrum ägyptischen Einflusses in der Region. Von Thutmosis III. bis Ramses III. ist eine ägyptische Garnison nachweisbar. Möglicherweise seit dem 10. Jahrhundert gehörte Bet Scheʾan zum Königreich Israel. Nach einer Zerstörung um 926 durch PharaoScheschonq I. wurde es wieder aufgebaut, um dann etwa zwei Jahrhunderte später von den Assyrern zerstört zu werden.
In hellenistischer Zeit kam es wohl unter Ptolemaios II. in der Mitte des 3. Jahrhunderts zur Neugründung als Skythopolis. Infolge des Vierten Syrischen Krieges ging dieses 218/217 v. Chr. in den seleukidischen Machtbereich über. Die Stadtrechte gewährte jedoch erst Antiochos IV. Die Expansion Judäas unter Johannes Hyrkanos I. brachte die Stadt unter die Kontrolle Jerusalems. Nach der römischen Eroberung wurde Bet Scheʾan eine freie Stadt und Mitglied der Dekapolis, des Bundes der zehn Städte in der Levante.
In der Spätantike war Skythopolis bekannt als Zentrum der Leinenweberei. Im Höchstpreisedikt des Kaisers Diokletian werden Produkte aus der Stadt jeweils in der höchsten Qualitätsstufe erwähnt. Der damit verbundene Aufstieg der Stadt wird auch dokumentiert durch die Erhebung zur Provinzhauptstadt von Palaestina secunda bei der Neueinteilung der Provinz Palaestina im 4. Jahrhundert. In der Folgezeit ist Skythopolis auch als Bischofssitz bezeugt. Im 5. Jahrhundert war Bischof Severianos ein Vertreter der Entscheidungen des Konzils von Chalkedon (451), was ihm das Martyrium einbrachte. Einer seiner Nachfolger war zu Beginn des 6. Jahrhunderts Bischof Johannes, ein Vertreter des Neuchalkedonismus. Während der origenistischen Wirren wirkte Theodor von Skythopolis als Bischof. Aus der Stadt stammt u. a. der Mönch und Verfasser von zahlreicher Heiligenviten Kyrillos von Skythopolis. Ein Titularbistum der römisch-katholischen Kirche besteht bis heute. Nach der arabischen Eroberung 636 ging die Bedeutung der Stadt allmählich zurück, wenngleich eine Stadtflucht offenbar schon zuvor einsetzte. Ende des 7. Jahrhunderts muss auch ein 1998 entdeckter Hort von Goldmünzen angelegt worden sein. Das für die ganze Region verheerende Erdbeben von 749 zerstörte auch Bet Scheʾan. Die Ruinen weisen noch heute die für eine Zerstörung durch Erdbeben typische Lage auf.
Mittelalter
1099 wurde die Siedlung im Zuge des Ersten Kreuzzugs von Tankred von Tarent erobert. Die Kreuzfahrer befestigten die damals kaum noch bewohnte Siedlung wieder und machten sie zum Zentrum der Herrschaft Bethsan im Königreich Jerusalem. 1183 wurde Bet Scheʾan von SultanSaladin erobert. In der Folgezeit gelang es den Kreuzfahrern nicht, die Herrschaft zurückzuerobern, auch wenn sie die Stadt 1264 plünderten. Seit dem Mittelalter bestand lediglich ein größeres Dorf.
Im UN-Teilungsplan für Palästina von 1947 wurde Bet Scheʾan dem jüdischen Teil zugeschlagen. Im Februar und März 1948 kam es zu ersten Kämpfen, bei denen der Tell als Stellung arabischer Einheiten diente. Die meisten Bewohner flohen zu Beginn der Kampfhandlungen. Bet Scheʾan wurde am 12. Mai 1948 von israelischen Einheiten eingenommen. Nach der israelischen Unabhängigkeit am 14. Mai 1948 wurde Bet Scheʾan von der syrischen Armee mit Artillerie beschossen. Die arabischen Einheiten, die Bet Scheʾan zurückerobern wollten, mussten sich aber über den Jordan zurückziehen. In dieser Zeit wurde auch der Betrieb der Eisenbahn eingestellt.
Am 19. November 1974 drangen drei arabische Attentäter der Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas, von Jordanien kommend, als Arbeiter verkleidet in ein vierstöckiges Wohnhaus ein. Bei dem Anschlag wurden die vier israelische Zivilisten Mazal Edry, Jean Pierre Alimi, Zohar Bibas und Jehuda Bibas getötet. Mehr als 20 Personen wurden verletzt, die meisten davon Kinder, die sich durch einen Sprung aus dem Fenster in Sicherheit bringen wollten. Die Attentäter wurden bei einer Befreiungsaktion getötet.
Im Jahr 1999 bekam Bet Scheʾan den Status einer Stadt.
Am 28. November 2002 fuhren zwei Attentäter der al-Aqsa-Märtyrerbrigaden in einem gestohlenen Fahrzeug vor ein Wahllokal des Likkud und feuerten mit Granaten und automatischen Waffen auf die wartenden Menschen. Die sechs Israelis David Peretz, Chaim Amar, Schaʾul Zilberstein, Ehud Avitan, Mordechai Avraham und Yaʿacov Lary wurden bei dem Angriff getötet. 34 Menschen wurden verletzt, darunter drei Söhne des ehemaligen Außenministers Israels, David Levy. Die beiden Terroristen wurden von Grenzpolizisten, die zufällig in der Nähe waren, getötet.[5][6][7]
Seit 2016 hat die Stadt, nachdem die alte Jesreʾeltalbahn 1951 eingestellt worden war, mit der normalspurigen Neuen Jesreʾeltalbahn wieder Anschluss nach Haifa in Israels Eisenbahnnetz. Eine Verlängerung der Strecke nach Jordanien wird erwogen.
Bet Scheʾan in der Bibel
Bet Scheʾan wird in der Bibel, ausschließlich im Tanach, elf Mal erwähnt. Bet Scheʾan wurde demnach bei der Landnahme der Israeliten dem Stamm Issachar zugeteilt. Beherrscht wurde die Stadt jedoch vom Stamm Manasse (Jos 17,11 EU). Zur Regierungszeit des ersten israelischen Königs Saul war Bet Scheʾan in den Händen der Philister. Sauls Heer verlor den Kampf gegen die Philister in den nahe gelegenen Bergen Gilboa. Anschließend wurden die Leichname von Saul und seinen drei Söhnen „von den Philistern an die Mauern von Bet-Schean genagelt“ (1 Sam 31,10 EU). Später, um 1.000 v. Chr. eroberten die Israeliten unter König David den Ort. Er gehörte dann im Königreich unter Salomo zum Verwaltungsbezirk unter dem Statthalter Baana (1 Kön 4,12 EU).
Kultur
Die antiken Stätten sind Bestandteil eines Nationalparkes.
Sport
Aus Bet Scheʾan stammt der Fußballklub haPoʿel Bet Scheʾan, der einige Jahre in der ersten israelischen Oberliga spielte.
Gideon Foerster, Yoram Tsafrir: Nysa-Scythopolis – A New Inscription and the Titles of the City on its Coins. In: The Israel Numismatic Journal, 9, 1986/87, S. 53–58.
Frances W. James, Patrick W. McGovern: The late Bronze Egyptian garrison at Beth Shan: a study of levels VII and VIII.ISBN 0-924171-27-8
Amichai Mazar, Gideon Foerster: Beth-Sheʾan. In: The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Bd. 1: Abila – Elusa. Israel Exploration Society & Carta, Jerusalem 1993, ISBN 0-13-276296-X, S. 214–235.
Amichai Mazar: Excavations at Tel Beth-Sheʾan 1989–1996. Bd. 1: From the Late Bronze Age IIB to the Medieval Period. Jerusalem 2006.
G. Mazor, A. Najjar: Bet Sheʾan I. Nysa-Scythopolis. The Caesareum and the Odeum (IAA Reports 33). Jerusalem 2007.
Yoram Tsafrir und Gideon Foerster: Urbanism at Scythopolis Bet Sheʾan in the Fourth to Seventh Centuries. In: Dumbarton Oaks Papers, 51, 1997, S. 85–146.
Yoram Tsafrir und Gideon Foerster: Bet Shean Excavation Project – 1988/1989. In: Excavations and Surveys in Israel 1989/1990. Vol. 9, Numbers 94–95. Israel Antiquities Authority. Jerusalem 1989/1990, S. 120–128.
Yoram Tsafrir, Gideon Foerster: The Dating of the Earthquake of the Sabbatical Year of 749 C. E. in Palestine. In: Bulletin of the School of Oriental and African Studies of London, 55, 1992, S. 231–235.