Bis zu 15 Meter tiefe bandkeramische Brunnen sind in Deutschland freigelegt worden. Häufig waren sie mit Bohlen in Blockbauweise ausgekleidet (sog. Kastenbrunnen) oder es wurde ein Schacht aus ausgehöhlten Stammtrommeln eingelassen (sog. Röhrenbrunnen). Es ist umstritten, ob alle Brunnen mit einem hölzernen Schacht ausgestattet waren, da in manchen Brunnen keine Holzreste gefunden wurden.[2] In der Regel wird die zur Anlage des Brunnens ausgehobene Grube Zug um Zug mit dem Einsetzen des Brunnenschachts wieder mit dem Aushubmaterial aufgefüllt. Neben den Brunnenkästen gibt es keine Hinweise auf einen sichernden Verbau der Gruben während der Bauzeit (die so genannte Pölzung). Die dicht gefügten und in der Regel auch kalfaterten Brunnenkästen dienten zugleich auch als Vorratsbehälter für das Grundwasser.[3][4][5]
Im Spätmesolithikum Mitteleuropas gab es künstlich angelegte Gruben zur Wasserversorgung, zum Beispiel im Fundplatz Friesack. In einer dieser Gruben wurde ein Schöpfgefäß aus Birkenrinde entdeckt.[7]
In Europa sind Holzbrunnen erstmals aus der frühen Starčevo-Kultur (etwa 6000 v. Chr.) bekannt. Im Fundplatz bei Slavonski Brod (Kroatien) wurde ein etwa 5 Meter tiefer, zylindrischer Brunnenschacht aus dieser Zeit dokumentiert.[8]
Der früheste bandkeramische Brunnen ist in einer Siedlung der ältesten Bandkeramik von Mohelnice (Mähren) nachgewiesen.[9] Von den Bohlen liegen Dendrodaten von 5540±5 BC bis 5460±5 v. Chr. vor, wobei an den Bohlen das Splintholz fehlt.[10] Neben der ersten Phase des Brunnens von Plaußig werden Eythra 2 (im Tagebau Zwenkau),[11]Brodau und Dresden-Cotta ins 53. Jahrhundert v. Chr. (zwischen 5300 und 5200 v. Chr.) datiert. Eine Ballung von datierten Brunnen gibt es um 5100 v. Chr., wie im Falle von Erkelenz-Kückhoven, Eythra B17 und dem Brunnen von Altscherbitz.[12][13] Der 2007 entdeckte Brunnen von Niederröblingen (Landkreis Mansfeld-Südharz) fügt sich in den Fundhorizont der jüngeren Bandkeramik ein.[14] Die in der Tagespresse wiedergegebene Ansicht, es handle sich in Niederröblingen um den „weltweit ältesten Brunnen seiner Art“,[15] beruht auf Dendrodaten von baugeschichtlich nicht näher beschriebenen älteren Holzresten. Diese seien bis zu 7500 Jahre alt.[15]
Im Jahre 2011 wurde die Basis des bislang tiefsten Brunnens von Bürgewald im Tagebau Hambach erreicht, die etwa 15 m unter der damaligen Geländeoberfläche liegt.[4]
Die Einführung des Brunnenbaus lässt bislang keinen geographischen Trend erkennen, etwa entlang der Einwanderungsroute der Bandkeramischen Kultur aus dem Pannonischen Becken nach Westen.[16] Stattdessen werden die Brunnen punktuell im gesamten Verbreitungsgebiet der Linienbandkeramik (LBK) gefunden. Gleichwohl war die Einführung des Brunnenbaus in Mitteleuropa eine Neuerung der ersten neolithischen Bevölkerung.
Brunnenbau
Die im Wasserbau am besten geeignete einheimische Holzart ist Eiche, gefolgt von Erle. Auf Grund des hohen Gerbsäureanteils (Tannin) ist Eichenholz besonders resistent.
Das wichtigste Werkzeug zur Holzbearbeitung ist die auf einem Knieholm mit der Schneide quer zur Schlagrichtung geschäftete Dechsel. Parallel geschäftete symmetrische Beilklingen sind für die Linienbandkeramik nicht belegt und treten fallweise im spätesten Mittelneolithikum, regelhaft aber erst im Jungneolithikum auf. Experimente mit Nachbauten von bandkeramischen Dechseln haben deren Effektivität belegt.[17]
Zum Entrinden der Baumstämme wurde vermutlich eine langstielige Flachdechsel verwendet.
Im Brunnen von Erkelenz-Kückhoven wurde auch das Splintholz entfernt, da nur das Kernholzphenolische Inhaltsstoffe enthält, die es vor Fäulnis schützen. (Kernholz entsteht durch sekundäre Stoffwechselvorgänge des absterbenden Parenchym.)
Wahrscheinlich wurden die gefällten Stämme an Ort und Stelle in Bohlen aufgetrennt und mithilfe von Zugtieren wie Ochsen bewegt.[18] In Erkelenz-Kückhoven wurden Bohlen mit einem Gewicht von bis zu 137 kg eingesetzt, die offenbar durch das Einschlagen von Hartholz-Keilen aus dem Rundholz gewonnen worden.[19]
Zur Verzahnung der Bohlen an den Ecken des Schachts werden Ober- und Unterkanten dort zu je einem Viertel ihrer Höhe eingeschnitten.
In Sachsen wurden auch Holznägel in Brunnen gefunden, die anhand der Jahresringe auf ca. 5000 vor Christus datiert werden konnten.[20]
Fundorte
Bis heute wurden mindestens 48 bandkeramische Brunnen gefunden, von denen bei einigen die Datierung noch offen ist:
Neben den genannten gibt es weitere Brunnenbefunde, die in der Fachliteratur oftmals kontrovers diskutiert werden. Dies ist oftmals der unklaren Datierung, der nicht vollständigen Ausgrabung oder einer schlechten Dokumentation geschuldet.
Arnoldsweiler – hier gibt es einzelne weitere Grubenanlagen, unterschiedlicher Tiefe, die möglicherweise als Brunnen bzw. Schöpfstellen genutzt wurden
Christian Grube: The Wells of the Linear Pottery – definitions, features, chronology. In: Proceedings of the 11th Annual Symposium Onderzoek Jonge Archeologen 12th April 2013, Groningen 2014, S. 33–38. Online Verfügbar
Harald Koschik (Hrsg.): Brunnen der Jungsteinzeit – Internationales Symposium Erkelenz. 27. bis 29. Oktober 1997. Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland 11, Köln 1998
Wolfgang Lobisser: Die Rekonstruktion des linearbandkeramischen Brunnenschachtes von Schletz. In: Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland, Internationales Symposium Erkelenz 27. bis 29. Oktober 1997, Köln-Bonn 1998, S. 177–192.
Harald Stäuble: Steinzeit, jenseits der Steine. Spektrum der Wissenschaft, März 2010, S. 62–69 ([1] auf spektrum.de) hier S. 66
Willy Tegel, Rengert Elburg, Dietrich Hakelberg, Harald Stäuble, Ulf Büngen: Early Neolithic Water Wells Reveal the World’s Oldest Wood Architecture. PLoS ONE 7(12): e51374. doi:10.1371/journal.pone.0051374
Jürgen Weiner: Neolithische Brunnen. Bemerkungen zur Terminologie, Typologie und Technologie mit einem Modell zur bandkeramischen Wasserversorgung. In: Brunnen der Jungsteinzeit. Internationales Symposium Erkelenz 27. bis 29. Oktober 1997. Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland 11 (Köln 1998) S. 193–213
Jürgen Weiner, Jutta Lehmann: Remarks concerning Early Neolithic Woodworking: The Example of the Bandkeramik Well of Erkelenz-Kückhoven, Northrhine-Westfalia, Germany. In: L. Castelletti, A. Pessina (Bearb.): Introduzione all’Archeologia degli Spazi Domestici. Atti del seminario – Como, 4-5 novembre 1995. Archeologia dell’ Italia Settentrionale 7 (Como 1998) S. 35–55
Jürgen Weiner: Wasserversorgung in der Steinzeit und Brunnen der Jungsteinzeit. In: Frontinus-Schriftenreihe 25 (Bonn 2003) S. 101–104.
Jürgen Weiner: Kenntnis-Werkzeug-Rohmaterial. Ein Vademekum zur Technologie der steinzeitlichen Holzbearbeitung. Archäologische Informationen 26,2,2003b S. 407–426 doi:10.11588/ai.2003.2.12704 ([2] auf journals.ub.uni-heidelberg.de)
Jürgen Weiner: Bandkeramische Brunnen – Ausnahmebefunde oder Standardinstallationen zur Wasserversorgung? In: R. Eichmann, F. Klimscha, Ch. Schuler (Hrsg.): Innovationen in früher Wassertechnologie. Clusterforschungen des DAI. Cluster 2, Innovation: technisch, sozial. Marie Leidorf, Rahden/Westfalen 2012, S. 83–92.
↑ abYosef Garfinkel, Ariel Vered, Ofer Bar-Yosef: The domestication of water: the Neolithic well at Sha'ar Hagolan, Jordan Valley, Israel. Antiquity 80, 2006, S. 686–696
↑Bernhard Gramsch: Mesolithische Wasserlöcher in Brandenburg In: Harald Koschik (Hrsg.) Brunnen der Jungsteinzeit. Internationales Symposium in Erkelenz, 27. bis 29. Oktober 1997. Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland Heft 11, 1998, S. 17–23.
↑Kornelija Minichreiter: The oldest Neolithic water-well in Croatia from the early Starčevo settlement near Slavonski Brod. In: Harald Koschik (Hrsg.) Brunnen der Jungsteinzeit. Internationales Symposium in Erkelenz, 27. bis 29. Oktober 1997. Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland Heft 11, 1998, S. 25–30
↑Rudolf Tichý: 13. Grabungssaison in Mohelnice (Bez. Sumperk). Prehled Vyzkumu 1971 (1972), S. 17–21
↑Burghart Schmidt, Wolfgang Gruhle: Wuchshomogenität als ein neues Analyseverfahren zur Verbesserung der dendrochronologischen Datierungsmethode. In: Jörg Eckert, Ulla Eisenhauer, Andreas Zimmermann (Hrsg.): Archäologische Perspektiven. Analysen und Interpretationen im Wandel. (Festschrift für Jens Lüning zum 65. Geburtstag). Internationale Archäologie. Studia Honoraria 20, Rahden/Westfalen, 2003, S. 49–60
↑Ingo Campen: Zwei weitere Bandkeramische Brunnen aus dem Tagebau Zwenkau. Archäologie aktuell im Freistaat Sachsen 6, 1998/99, S. 42–47.
↑W. Tegel, R. Elburg, D. Hakelberg, Harald Stäuble, U. Büntgen: Early Neolithic Water Wells Reveal the World’s Oldest Wood Architecture. PLoS ONE 7(12): e51374. doi:10.1371/journal.pone.0051374.
↑Rengert Elburg, Wulf Hein: Steinbeile im Einsatz. Bäumefällen wie vor 7000 Jahren. In: Archaeo: Archäologie in Sachsen. Band8, 2011, S.20–25 (academia.edu).
↑Jürgen Weiner, Jutta Lehmann: Remarks concerning early neolithic woodworking: the example of the Bandkeramik well of Erkelenz-Kückhoven, Northrhine-Westfalia, Germany. In: L. Castelletti, A. Pessina (Hrsg.): Introduzione all’Archeologia degli Spazi Domestici. Atti del seminario – Como, 4–5 novembre 1995. Archeologia dell’Italia Settentrionale 7 (Como 1998) S. 35–55.
↑J. Weiner, A. Pawlik: Neues zu einer alten Frage. Beobachtungen und Überlegungen zur Befestigung altneolithischer Dechselklingen und zur Rekonstruktion bandkeramischer Querbeilholme. In: Experimentelle Archäologie, Bilanz 1994. Symposium in Duisburg, August 1993. Archäologische Mitteilungen Nordwestdeutschland, Beiheft 8 (Oldenburg 1995) S. 111–144
↑Ulrike Petersen: Eine Siedlung der Linienbandkeramik bei Riestedt, Lkr. Mansfeld-Südharz. In: Archäologie in Sachsen-Anhalt 6/12 (Halle 2013) 5-24
↑vgl. Christian Bogen: Lebensquellen vor 7000 Jahren. In: Harald Meller (Hrsg.): Von Egeln bis Schönebeck. Archäologie in Sachsen-Anhalt. Sonderband 20 (Halle 2012)
↑vgl. Joana Pyzel: Preliminary results of large scale emergency excavations in Ludwinowo 7, comm. Włocławek. In: Sabine Wolfram, Harald Stäuble: Siedlungsstruktur und Kulturwandel in der Bandkeramik. Dresden 2012, S. 165.