Pieper studierte ab 1960 zunächst Fremdsprachen am Dolmetscher-Institut, dann Philosophie, Anglistik und Germanistik an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, wo sie 1967 im Fach Philosophie bei Hermann Krings über Søren Kierkegaardpromoviert wurde. Danach arbeitete sie zunächst in Saarbrücken weiter bei Béla von Brandenstein, verließ aber die Universität wegen der frauenfeindlichen Haltung von Karl-Heinz Ilting.[2] Als zweite Frau nach Hedwig Conrad-Martiushabilitierte sie sich 1972 für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit der Arbeit Die Kategorie der Ethik. Eine Analyse des moralischen Urteils. Sie blieb dort bis 1981 Universitätsdozentin und Professorin (C2) für Philosophie und wirkte als Editorin in der Schelling-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit. Sie verdiente ein Zubrot auch durch Übersetzungen, z. B. eines amerikanischen Katechismus. Berufungen scheiterten nach ihren Angaben lange an ihrem Geschlecht.[2] Von 1981 bis 2001 war sie ordentliche Professorin für Philosophie an der Universität Basel auf dem Lehrstuhl von Karl Jaspers, für einige Jahre noch als einzige Ordinaria. Dort wirkte sie auch unter Jeanne Hersch mit im Stiftungsrat der Karl-Jaspers-Stiftung, die Schriften aus seinem Nachlass herausgab.
Pieper verließ mit 60 Jahren die Universität, um als freie Rednerin, Publizistin und Schriftstellerin tätig zu sein. Sie ist in der Schweiz einem größeren Publikum durch Rundfunk- und Fernsehsendungen bekannt. Beim Schweizer Fernsehen moderierte sie die Sendung Sternstunde Philosophie. Sie lebte im aargauischen Rheinfelden.[3]
Für Pieper waren Freiheit, Verantwortung und Solidarität wesentliche Grundwerte. Denn der Mensch bedürfe des Mitmenschen, um wirklich Mensch sein zu können. Die Gestalt von Jesus von Nazareth sei Fleisch gewordene Solidarität, ein alle Menschen umfassendes Netzwerk, das aber auch Raum zur Selbstentfaltung lasse. Selbst bei den Menschenrechten wird die Forderung erhoben, dass jedes Individuum um seiner selbst willen als autonome Person anerkannt werden müsse. Normen der Moral und des Rechts schränken zwar die persönliche Freiheit ein, um die größere Freiheit aller Beteiligten zu schützen. Auch eine Demokratie beschränke die individuelle Freiheit durch Regeln, um die Rechte auf Gleichheit und Freiheit durchsetzen zu können.[5]
Geschichte und Ewigkeit bei Sören Kierkegaard. Das Leitproblem der pseudonymen Schriften (= Monographien zur philosophischen Forschung. Bd. 55). Hain, Meisenheim 1968.
Sprachanalytische Ethik und praktische Freiheit. Das Problem der Ethik als autonomer Wissenschaft. Kohlhammer, Stuttgart 1973, ISBN 3-17-001546-X.
Pragmatische und ethische Normenbegründung (= Praktische Philosophie. 9). Alber, Freiburg im Breisgau 1979, ISBN 3-495-47407-2.
Ethik und Moral. Eine Einführung in die praktische Philosophie. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30877-5.
„Ein Seil geknüpft zwischen Tier und Übermensch“. Philosophische Erläuterungen zu Nietzsches erstem „Zarathustra“. Klett-Cotta, Stuttgart 1990, ISBN 3-608-91065-4; aktualisierte Neuausgabe unter dem Titel: „Ein Seil, geknüpft zwischen Thier und Übermensch“. Philosophische Erläuterungen zu Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ von 1883. Schwabe, Basel 2010, ISBN 978-3-7965-2682-4.
Einführung in die Ethik. Francke, Tübingen 1991; 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2007, ISBN 978-3-7720-8237-5.
Gut und Böse (= Beck’sche Reihe. Bd. 2077). Beck, München 1997; 3., durchgesehene Auflage 2008, ISBN 978-3-406-41877-8.
Aufstand des stillgelegten Geschlechts. Einführung in die feministische Ethik. Herder, Freiburg im Breisgau 1993, ISBN 3-451-04231-2.
mit Irmgard Wild: Ein katholischer Katechismus. Kösel, München 1976, ISBN 3-466-20092-X.
Literatur
Monika Hofmann-Riedinger, Urs Thurnherr (Hrsg.): Anerkennung. Eine philosophische Propädeutik. Festschrift für Annemarie Pieper. Alber, Freiburg im Breisgau 2001, ISBN 3-495-47943-0.
↑ abA. Pieper: Umwege zur Philosophie, in: C. u. M. Hauskeller: "was die Welt im Innersten zusammenhält ..." 34 Wege zur Philosophie, Hamburg 1996, S. 119