Die 4. Armee wurde am 1. August 1939 aus dem Heeresgruppenkommando 6 in Hannover gebildet. Oberbefehlshaber war General der ArtillerieGünther von Kluge. Die ersten Kampfhandlungen der 4. Armee fanden beim Überfall auf Polen als Teil der Heeresgruppe Nord unter GeneraloberstFedor von Bock statt. Die 4. Armee bestand aus dem II. und III. Armeekorps, jedes mit zwei Infanterie-Divisionen, dem XIX. Armeekorps mit zwei motorisierten und einer Panzer-Division, dem I. Grenzschutzkorps mit einer Infanterie-Division und zwei Infanterie-Divisionen als Reserve. Die Armee hatte Befehl, den Polnischen Korridor zu nehmen und auf diese Weise eine Verbindung von Ostpreußen mit dem übrigen Gebiet des deutschen Reiches zu schaffen. Ein Teil der 4. Armee stieß weiter südlich nach Pommerellen vor und verband sich mit anderen deutschen Truppen bei Warschau.
Die 4. Armee stand während des Westfeldzugs im Zentrum einer organisatorischen Auseinandersetzung zwischen der Heeresgruppe A, der Heeresgruppe B, dem Oberkommando des Heeres (OKH) und Hitler. Der Oberbefehlshaber des Heeres, Walther von Brauchitsch, war mit der Größe und dem Führungsstil der Heeresgruppe A, insbesondere ihres Befehlshabers Rundstedt, unzufrieden; das OKH befahl am 23. Mai 1940, dass die 4. Armee am Folgetag ab 20:00 Uhr der Heeresgruppe B unterstellt werden solle. Durch den Befehl hätte Rundstedt sämtliche Panzerverbände (Panzergruppe Kleist, Panzergruppe Guderian) seiner Heeresgruppe verloren. Nach Konzeption des OKH solle nachfolgend die Heeresgruppe B für den Frontabschnitt Dünkirchen und Heeresgruppe A lediglich für die Sicherung der Flanke eingesetzt werden. Als Hitler am Morgen des 24. Mai im Hauptquartier der Heeresgruppe A bei Charleville eintraf und vom Befehl des OKH erfuhr, setzte er ihn sogleich außer Kraft. Die 4. Armee verblieb bei der Heeresgruppe A, um 12:45 Uhr folgte der berühmte Haltebefehl, demzufolge der Angriff auf die umkesselten alliierten Truppen bei Dünkirchen verzögert werden solle, bis die Infanterieverbände (II. Korps, VIII. Korps) aufgeschlossen hätten.[1]
Die 4. Armee wurde zu Beginn des Unternehmens Barbarossa von 1941 von Bocks Heeresgruppe Mitte unterstellt. Ihr erstes Ziel war es, so viele sowjetische Truppen wie möglich im Raum Minsk einzukesseln. Es gelang, zwei sowjetische Armeen einzukesseln und zu vernichten. Darauf nahm die 4. Armee an der Kesselschlacht bei Smolensk teil, bei der ebenfalls zahlreiche sowjetische Truppen vernichtet wurden. Diese Erfolge führten unter anderem zu der Annahme, dass die Sowjetunion besiegt sei. Jedoch führten schlechte Straßenverhältnisse dazu, dass die Heeresgruppe angehalten wurde und mit ihr die 4. Armee.
XX. Armeekorps, General der Infanterie Materna mit 258., 3. mot. und 183. Infanterie-Division
LVII. Armeekorps (mot.), General der Panzertruppe Adolf Kuntzen mit 19. und 20. Panzer-Division, 15. Infanterie-Division, SS-Division „Das Reich“
XII. Armeekorps, General der Infanterie Schroth mit 98., 137., 34., 263. und 17. Infanterie-Division
XIII. Armeekorps, General der Infanterie Felber mit 268., 260. und 52. Infanterie-Division
Während der Schlacht um Moskau kam sie im Dezember 1941 bis auf wenige Kilometer an die Stadt heran, bevor sie von sowjetischen Gegenangriffen zum Rückzug gezwungen wurde. Am 19. Dezember 1941 reichte Kluge gemeinsam mit von Bock und Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch seine Ablösung ein. Kluge wurde durch General der Gebirgstruppe Ludwig Kübler ersetzt.
Nach dem Beginn des Unternehmens Blau erlebten die 4. Armee und die ganze Heeresgruppe Mitte keine größeren Kämpfe, weil die meisten Truppen im Süden konzentriert worden waren. Als jedoch die Heeresgruppe Mitte seit 1943 auf der ganzen Linie im Rückzug begriffen war, musste auch die 4. Armee ihre Truppen zurückverlegen und stand den Herbst und Winter 1943/44 über in ständigen Abwehrkämpfen an bzw. nahe der Pantherstellung am Dnjepr bei Orscha („Rollbahnschlachten“). Während des Rückzuges und den folgenden Monaten griff die sowjetische Westfront in elf aufeinanderfolgenden Schlachten die 4. Armee an. Aufgrund von taktischen Unzulänglichkeiten seitens der Sowjets und guter Führung durch Heinrici kam es zu enormen Verlusten auf Seiten der Roten Armee. Die vergeblichen Angriffe kosteten die Rote Armee mehr als 530.000 Soldaten, die Verluste der 4. Armee beliefen sich auf „nur“ 35.000 Mann, davon 10.000 Tote und Vermisste[2].
Als einziger Großverband der Wehrmacht schaffte es die 4. Armee, ihre Positionen den Winter und Frühsommer 1944 über zu halten. Während der sowjetischen Operation Bagration kam es zur Vernichtung dieses Heeresverbandes in der Kesselschlacht bei Minsk. Dabei gerieten die meisten Kommandeure in sowjetische Gefangenschaft oder wurden getötet. Die 4. Armee musste daher im Juli und August 1944 unter der Federführung von General der InfanterieFriedrich Hoßbach neu aufgestellt werden.
XXXXI. Panzerkorps, General der Artillerie Weidling, mit 28. Jäger-, 50., 170. und 367. Infanterie-Division
VI. Armeekorps, General der Infanterie Großmann mit 541. und 558. Volksgrenadier-Division sowie 131. Infanterie-Division und Polizei-Gruppe Hannibal
LV. Armeekorps, General der Infanterie Herrlein mit 203. Infanterie- sowie 562. und 547. Volksgrenadier-Division
23. Infanterie-Division (Sicherung Raum Thorn)
Fallschirm-Panzer-Division 1 Hermann Göring (ab 15. Januar im Abtransport)
Während der Schlacht um Ostpreußen Anfang 1945 wurde der größte Teil der Armee in Ostpreußen abgeschnitten, Teile der eingeschlossenen Truppen konnten über die Ostsee nach Pommern evakuiert werden, wo sie der Armee Ostpreußen unterstellt wurden. Am 7. April 1945 wurde die 4. Armee aufgelöst, aus ihrem Stab entstand später die 21. Armee. Der letzte Befehlshaber war General der Infanterie Friedrich-Wilhelm Müller.
Zwölf Aktenordner mit hunderten Seiten mit Schreibmaschine oder von Hand geschriebene Berichte der 4. Armee, die 1945 Heiligenbeil verteidigte, wurde 2004 in einem Wald in der Nähe der Stadt aufgefunden und in ein Moskauer Militärarchiv gebracht.[3]
Georg Tessin: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. 2. Auflage. Band2: Die Landstreitkräfte 1–5. Biblio-Verlag, Bissendorf 1973, ISBN 3-7648-0871-3.