Die 105,4 km lange Strecke ist in Kapspur (1067 mm) verlegt und bedient 42 Bahnhöfe. Das 70,1 km lange Teilstück von Matsumoto nach Minami-Otari gehört zum Zuständigkeitsbereich von JR East und ist mit 1500 V Gleichspannung elektrifiziert. JR West ist für den 35,3 km langen Abschnitt zwischen Minami-Otari und Itoigawa zuständig, der nicht elektrifiziert ist und stattdessen von Dieseltriebwagen befahren wird. Abgesehen von Ausweichen in den Bahnhöfen ist die gesamte Strecke eingleisig. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 95 km/h, auf Teilen des von JR West bedienten Abschnitts ist diese auf 65 km/h begrenzt.[1]
Südlicher Ausgangspunkt ist der Matsumoto. Die Strecke verläuft rund einen Kilometer weit parallel zur Shinonoi-Linie und biegt kurz nach Kita-Matsumoto nach Westen ab. Sie überquert den Azusa, wendet sich anschließend nordwärts und durchquert das flache Matsumoto-Becken; im Westen erhebt sich das Hida-Gebirge. Nach der Überbrückung des Flusses Takase wird Shinano-Ōmachi; dieser Bahnhof erschließt eines der führenden touristischen Zentren der Region und ist einer der Ausgangspunkte der Tateyama Kurobe Alpine Route. Von nun an verläuft die Strecke durch hügeliges Terrain und passiert die drei Nishina-Seen (Kizaki-See, Nakatsuna-See und Aoki-See). Unmittelbar nördlich des dritten Sees wird der 829 m hohe Sanosaka-Pass überquert, der Kulminationspunkt der Ōito-Linie. Die Strecke erschließt danach die Region um Hakuba, eines der führenden Tourismusdestinationen Japans.
Nach dem Bahnhof Shinano-Moriue beginnt ein Abschnitt, der aufgrund seiner topografischen Lage im sehr engen Hime-Tal und wegen seiner Bauweise als Gebirgsbahn betrachtet werden kann. Charakteristisch sind zahlreiche Brücken von der einen zur anderen Talseite. Der Minami-Otari unweit der Präfekturgrenze ist die Schnittstelle zwischen JR East und JR Central sowie zwischen dem elektrizierten und nichtelektrizierten Teil der Strecke. Der nachfolgende Abschnitt bis Nechi führt zu knapp einem Drittel durch eine Reihe längerer Tunnel, die unter steil aufragenden Felswänden hindurch führen. Von diesen ist der Manaitayama-Tunne mit 3125 m der längste. Schließlich trifft die Strecke im Bahnhof Itoigawa auf die Nihonkai-Hisui-Linie, ebenso kann dort auf die Hokuriku-Shinkansen umgestiegen werden.
Zugangebot
Der Schnellzug Azusa verkehrt üblicherweise zwischen Shinjuku und Matsumoto; ein Zugpaar an Werktagen und zwei an Wochenenden fahren weiter auf der Ōito-Linie bis nach Minami-Otari.[2] Hinzu kommt einmal täglich eine Schnellzugverbindung mit dem Shinano von Nagoya über Matsumoto nach Minami-Otari.[3]
Im Nahverkehr bietet JR West zwischen Matsumoto und Shinano-Ōmachi einen angenäherten Stundentakt an, der während der Hauptverkehrszeit bis Ariake oder Hotaka ungefähr zu einem Halbstundentakt verdichtet wird. Einzelne Züge werden in Matsumoto auf die Shinonoi-Linie nach Shiojiri weitergeleitet.[4] Es gibt nur wenige durchgehende Verbindungen zwischen Matsumoto und Minami-Otari, denn in den meisten Fällen muss in Shinano-Ōmachi umgestiegen werden. Nördlich davon verkehrt ungefähr alle ein bis zwei Stunden ein Zug, wobei am Vor- und Nachmittag längere Taktlücken bestehen.[5] Auf dem von JR West betriebenen Streckenteil besteht ausschließlich Nahverkehr. Einzelne Dieseltriebwagen im Einmannbetrieb pendeln alle zwei Stunden zwischen Minami-Otari und Itoigawa hin und her.[6]
Bilder
Bahnhof Hotaka
Bahnhof Shinano-Ōmachi
Bahnhof Minami-Otari
Streckenführung bei Kita-Otari
Geschichte
Die Ōito-Linie setzt sich aus Streckenabschnitten zusammen, die einerseits vom Staat, andererseits von einer privaten Bahngesellschaft erbaut und erst relativ spät miteinander verbunden wurden. Den Anfang machte die Shinano Tetsudō, die nicht mit der heutigen gleichnamigen Bahngesellschaft identisch ist. Sie nahm am 6. Januar 1915 als erstes das Teilstück zwischen Kita-Matsumoto und Toyoshina.[7] Die Strecke war damals noch nicht mit dem übrigen Bahnnetz verbunden und somit rund drei Monate ein Inselbetrieb. Ab 5. April hatte sie ihren Ausgangspunkt im Kopfbahnhof Matsumotoshi, unmittelbar neben dem Bahnhof Matsumoto der staatlichen Eisenbahn gelegen.[8] Im weiteren Verlauf des Jahres 1915 kamen mehrere Verlängerungen hinzu: am 1. Juni bis Hakuyachō[9], am 15. Juli bis Hotaka[10], 8. August bis Ariake[11], am 29. September bis Shinano-Matsukawa[12] und am 2. November bis Shinano-Ōmachi.[13]
In den nächsten Jahren nahm die Shinano Tetsudō mehrere zusätzliche Zwischenbahnhöfe in Betrieb und am 8. Januar 1926 führte sie auf der gesamten Strecke zwischen Matsumoto und Shinano-Ōmachi den elektrischen Betrieb ein.[14] Ein Jahr zuvor hatten sich die nördlich von Ōmachi gelegenen Städte und Gemeinden eine Interessensgemeinschaft gebildet und ersuchten die Shinano Tetsudō erfolgreich darum, die Bahnstrecke bis zur Küste des Japanischen Meeres zu verlängern. Die Bahngesellschaft führt das Projekt von zwei Seiten her aus. Im Süden reichte die Strecke am 25. September 1929 von Shinano-Ōmachi nach Yanaba[15], am 25. Oktober 1930 bis Kamishiro[16], am 20. November 1932 bis Shinano-Moriue[17] und am 29. November 1935 bis Nakatsuchi.[18] Von Norden her eröffnete die Shinano Tetsudō am 14. November 1934 den Abschnitt zwischen Itoigawa und Nechi[19], am 24. Dezember 1935 kam der Abschnitt zwischen Nechi und Kotaki hinzu.[20]
Damit fehlte nur noch das 17,7 km lange Teilstück zwischen Nakatsuchi und Kotaki, doch dessen Verwirklichung ließ wegen der zahlreichen erforderlichen Tunnel lange auf sich warten. Zunächst wurde die Shinano Tetsudō am 1. Juni 1937 verstaatlicht und ihre Strecke ging an das Eisenbahnministerium über. Aufgrund des Ausbruchs des Pazifikkriegs und des damit verbundenen Material- und Arbeitskräftemangels kamen die Bauarbeiten beinahe zum Erliegen. Verheerende Erdrutsche zerstörten am 21. April 1939 die Trasse zwischen Shinano-Moriue und Minami-Otari[21], die erst am 1. November 1940 nach langwierigen Reparaturarbeiten wieder befahren werden konnte.[22] Im Juli 1945 war derselbe Abschnitt nach schweren Überschwemmungen erneut 18 Tage lang unterbrochen. Zwischen Minami-Otari und Nakatsuchi stürzte am 1. Juli 1952 ein Bahndamm ein, was zu einer weiteren Unterbrechung von drei Monaten Dauer führte.[21]
Schließlich erfolgte der lang ersehnte Lückenschluss am 15. August 1957. Knapp zwei Jahre später, am 17. Juli 1959, elektrifizierte die Japanische Staatsbahn das Teilstück zwischen Shinano-Ōmachi und Hakuba. Ziel war es, die Beförderungskapazität entsprechend der Entwicklung des Tourismus entlang der Strecke zu erhöhen, und auch die späteren Erweiterungen der Elektrifizierung dienten diesem Zweck.[23] Dies betraf die Abschnitte Hakuba–Shinano-Moriue am 20. Juli 1960 und Shinano-Moriue–Minami-Otari am 20. Dezember 1967.[24] Dazwischen ersetzte die Staatsbahn am 28. März 1961 die letzten dampfbetriebenen Personenzüge durch Dieseltriebwagen. Am 25. März 1983 führte sie auf der gesamten Ōito-Linie das Betriebsleitsystem CTC ein.[25]
Im Rahmen der Staatsbahnprivatisierung ging am 1. April 1987 das elektrifizierte Teilstück Matsumoto–Minami-Otari in den Besitz der neuen Gesellschaft JR East über, das nichtelektrifizierte Teilstück Minami-Otaru–Itoigawa an JR West und der Güterverkehr an JR Freight.[24] Ein schweres Unwetter am 11. Juli 1995 zerstörte große Teile des Teilstücks zwischen Shinano-Ōmachi und Nechi.[26] Ein halbes Jahr lang konnte auch kein Schienenersatzverkehr eingerichtet werden, da die parallel verlaufende Nationalstraße 148 ebenfalls betroffen war und instand gesetzt werden musste. Die vollständige Wiederherstellung der Bahnstrecke zog sich bis zum 29. November 1997 hin.[27] Aufgrund ungewöhnlich starker Schneefälle und der damit zusammenhängenden extremen Lawinengefahr war der Bahnverkehr zwischen Minami-Otari und Itoigawa vom 1. Februar bis 6. April 2012 eingestellt.[28] Seit März 2023 laufen zwischen JR West und Anliegergemeinden Verhandlungen über eine mögliche Stilllegung des schwach genutzten Abschnitts Minami-Otari–Itoigawa und dessen Ersatz durch eine Buslinie.[29]