Die württembergische Besetzung des Breisgaus war eine regionale Episode während der territorialen Neuordnung des deutschen Südwestens durch Napoleon, die sich in den ersten beiden Monaten des Jahres 1806 abspielte und ihre Ursache in völlig unterschiedlichen Interpretationen von Artikel VIII. des Friedens von Preßburg durch das Königreich Württemberg und das Kurfürstentum Baden hatte. Württemberg konnte seine Position nicht durchsetzen und Baden konnte mit französischer Unterstützung die zunächst von Württemberg besetzten Gebiete im Breisgau übernehmen.
VIII. Se. Majestät der Kaiser von Deutschland und Österreich leistet sowohl für sich, seine Erben und Nachfolger, als für die Prinzen seines Hauses, ihre Erben und resp. Nachfolger auf nachbenannte Fürstenthümer, Herrschaften, Domainen und Gebiete Verzicht, und überläßt und tritt ab an ...
An Se. Majestät den König von Württemberg die fünf sogenannten Donaustädte, nämlich: Ehingen, Munderkingen, Reidlingen, Mengen und [164] Sulgau mit allem was dazu gehört, die obere und untere Grafschaft Hohenberg, die Landgrafschaft Nellenburg, und die Präfektur Altdorf, mit dem was (die Stadt Konstanz ausgenommen) dazu gehört; ferner denjenigen Theil des Breisgaues, welcher im Württenbergischen inklavirt, und gegen Osten in einer Linie vom Schlegelberg bis zum Molbach gelegen ist, und die Städte Willingen und Braunlingen mit ihrem Gebiete.
An Se. Durchlaucht den Kurfürsten von Baden das Breisgau, mit Ausschluß der vorhin benannten und abgesonderten Besitzungen, die Ortenau mit allem, was dazu gehört, die Stadt Konstanz und die Kommenthurei Meinau.
Demarkationslinie zwischen Baden und Württemberg im Breisgau 1806
Württembergische Interpretation
Württemberg interpretierte den im Vertrag genannten „Molbach“ als den Möhlinbach, der etwas östlich von Rheinfelden in den Hochrhein mündet. Nun zog man vom Schlegelsberg bei Biederbach (nahe dem Hünersedel) eine Linie bis zur Mündung des Möhlinbachs in den Rhein. Alle ehemals vorderösterreichischen Gebiete im Breisgau östlich dieser Linie beanspruchte Württemberg und versuchte im Januar 1806 durch militärische Besetzung dieses Gebiets vollendete Tatsachen zu schaffen.
Badische Interpretation
Baden interpretierte den im Vertrag genannten „Molbach“ als den Mohlbach, einen Quellbach der Wildgutach bei St. Märgen, der heute den Namen Kohlplatzbach[1] trägt. Damit stand nach badischer Interpretation Württemberg lediglich ein Teil der Herrschaft Triberg zu, während die Klöster St. Peter, St. Märgen und St. Blasien, die beiden rechtsrheinischen WaldstädteSäckingen und Waldshut, sowie Elzach für Baden beansprucht wurden.
Die württembergische Besetzung vom 13. Januar bis 21. Februar 1806
Am 13. Januar 1806 besetzte württembergisches Militär St. Peter und St. Märgen. In den folgenden Tagen auch Zarten und Kirchzarten.[2] Am 18. Januar 1806 trafen württembergische Truppen beim Kloster St. Blasien ein und brachten die württembergischen Wappenschilder an.[3] Am 22. Januar 1806 kam die württembergische Übernahme-Kommission nach Waldshut.[4]
Am 25. Januar 1806 besetzte ein württembergisches Infanterie- und Kavalleriekommando Säckingen.[5] „Württemberg beanspruchte auch das Gebiet am Hochrhein bis gegen Rheinfelden und ließ seine Truppen hier einmarschieren.“[6]
Auf badische Intervention beauftragte Napoleon am 20. Januar seinen General Clarke mit der Untersuchung und Bereinigung der Grenzstreitigkeiten zwischen Baden und Württemberg, wobei Napoleon den württembergischen Anteil am Breisgau bereits auf Villingen, Bräunlingen und die Herrschaft Triberg begrenzte.[9] Clarke nahm seine Tätigkeit am 8. Februar auf, kam am 14. Februar in Freiburg an[10] und legte bis 3. März die Grenzlinie grundsätzlich entsprechend der badischen Interpretation des Friedensvertrages von Preßburg fest. Die württembergische Delegation verweigerte die Zustimmung und überließ es den Franzosen, die Grenzpfähle auf der württembergischen Seite zu markieren.[11]
Am 21. Februar hatten die Württemberger St. Peter, St. Märgen, Oberkirch, Simonswald und Elzach bereits wieder geräumt; die Räumung der Waldstädte und des Klosters St. Blasien war im Gange.[12]
Württemberg führte den Streit noch weiter, so dass zunächst einige Herrschaften der Reichsherrschaft Bonndorf noch durch Frankreich besetzt blieben und erst am 12. September 1806 an Baden übergeben wurden.[14]
„Protokoll über die gepflogene Landes-Übergabe“ vom 15. April 1806
Der französische Kommissar für das Breisgau und die Ortenau, Jean Nicolas de Monard erklärte am 15. April 1806 gegenüber den Vertretern des Kurfürstentums Baden, dass er „... das gesammte Breisgau mit dessen Dependenzen übergiebt, jedoch letzteres mit Ausnahme“
1) Jenes Theils der Herrschaft Triberg, welcher von den Württembergischen Besitzungen eingeschlossen ist, und gegen Osten liegt, von einer, vom Schlegelberg bis an die Mohlbach, welche beym Hohlgraben vorbeyfließt, gezogenen Linie. ...
2) Der Stadt Villingen, ihres Gebiets und ihrer Dependenzen.
3) Der Stadt Breunlingen, ihres Gebiets und ihrer Dependenzen.
4) der 5, dem Stifte St. Blasien gehörigen Herrschaften mit den Dörfern, Weilern und Meyerhöfen, welche davon abhängen, nämlich
der Herrschaft Birkendorf,
. Gravenhausen,
. Bettmaringen,
. Blumegg,
und Gutenburg
Diese 5 Herrschaften sind im Streite zwischen Sr. Majestät dem König von Würtemberg und Sr. Kurfürstl. Durchlaucht von Baden, und können von keinem der beyden Höfe in Besitz genommen werden, sondern bleiben streitig, bis durch das Übereinkömmniß, welches, unter Vermittlung Sr. Majestät des Kaisers und Königs, in München unterhandelt wird, entschieden ist, welcher von beyden Mächten diese Herrschaften angehören sollen.[15]
Literatur
Peter Paul Albert: Der Übergang Freiburgs und des Breisgaus an Baden 1806. In: Alemannia, Neue Folge Band 7, Freiburg im Breisgau 1906, S. 161–188; insbesondere S. 178–181 im Internet Archive
Allgemeines Intelligenz- oder Wochen-Blatt für das Land Breisgau und die Ortenau (AIB)
Ignaz Speckle, Stephan Braun (Herausgeber): Memoiren des letzten Abtes von St. Peter: ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte, Freiburg 1870, S. 187–193 bei der UB Freiburg
Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden 1783–1806, herausgegeben von der Badischen Historischen Commission, bearbeitet von Karl Obser, Heidelberg 1901, 5. Band, S. 448–452 im Internet Archive
Engelbert Strobel: Die vorübergehende Besitznahme von Elzach und Umgebung durch Württemberg im Jahre 1806. In: Badische Heimat, 55. Jahrgang (1975), Heft 1, S. 89–95
Engelbert Strobel: Die Vorstände des badischen Bezirksamtes Waldshut im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte Waldshuts in jener Epoche. In: Badische Heimat, 57. Jahrgang (1977), Heft 3, S. 297–346, hier S. 299–301
Streitigkeiten mit Baden wegen des württembergischen Anteils am Breisgau und Ziehung einer Grenzlinie vom Schlegelberg bis an den Mollenbach Eintrag beim Landesarchiv Baden-Württemberg
↑s. Albert, Der Übergang Freiburgs und des Breisgaus an Baden 1806, S. 178 und Krieger, Albert ; Badische Historische Kommission (Hrsg.): Topographisches Wörterbuch des Großherzogtums Baden, Heidelberg 1904, Band 2, Spalte 203 bei der UB Heidelberg
↑s. Karl Rieder: Die Aufhebung des Klosters St. Blasien. Vortrag, gehalten auf der 8. Jahresversammlung des kirchengeschichtlichen Vereins für das Erzbistum Freiburg, S. 7 Online (PDF) (Memento vom 22. Februar 2014 im Internet Archive), abgerufen am 8. Februar 2014
↑s. Fridolin Jehle, Adelheid Enderle-Jehle: Die Geschichte des Stiftes Säckingen. Sauerländer, Aarau 1993, S. 313, ISBN 3-7941-3690-X. (Beiträge zur Aargauergeschichte Bd. 4) doi:10.5169/seals-110013
↑s. Fridolin Jehle: Wehr. Eine Ortsgeschichte mit Beiträgen von Erich F. Hampich und Dr. Ludwig Schnitzler, Wehr 1969, S. 200
↑Napoleon befand sich auf der Rückreise von München und besuchte Kurfürst Karl Friedrich in Karlsruhe, um mit ihm die Heirat seiner Adoptivtochter Stephanie mit Karl Friedrichs Enkel und Erbprinzen Karl zu vereinbaren. Siehe hierzu Hermann Theobald: Baden und Frankreich 1805 und 1806. Mannheim 1908, S. 44–45 bei der UB Düsseldorf