Sickert kam aus einer Familie, der zahlreiche Maler entstammten. Sein Vater Oswald war dänisch-deutscher und seine Mutter Eleanor anglo-irischer Herkunft. 1868 ließ sich die Familie in England nieder. Mit 17 Jahren verließ Walter die Schule. Da sein Vater der Malerei ablehnend gegenüberstand, wurde er zunächst Schauspieler. Er übernahm kleinere Rollen in Sir Henry Irvings Gesellschaft, bevor er als Assistent in die Werkstatt von James McNeill Whistler eintrat. Sickert war ein Kosmopolit, der jedoch „normale“ Leute und Schauplätze als Themen für seine Bilder bevorzugte. In vielen Musikhallen- oder Theaterszenen zeigte sich der Einfluss Degas’ und Whistlers. Nach seiner ersten Ausstellung 1884 nannte man ihn in Fachkreisen einen Schüler Whistlers.
Sickert war dreimal verheiratet. 1885 heiratete er Ellen Cobden, die Tochter des Unternehmers und liberalen PolitikersRichard Cobden. Die Ehe wurde 1899 geschieden. 1911 schloss er eine Ehe mit der 18 Jahre jüngeren Christine Drummond Angus, die 1920 starb. 1926 heiratete er seine langjährige Freundin Thérèse Lessore.
Sickert fertigte zahlreiche Bilder und Skizzen der Londoner Musikhallen und ihres Publikums an und hielt auch Abendkurse ab. Viele seiner Arbeiten wurden im New English Art Club (dem Gegenpart zur Royal Academy) ausgestellt. 1894/95 wurden seine Zeichnungen in Aubrey Beardsleys berühmtem Yellow Book abgedruckt.
„Ich saß neben Sickert & hatte ihn gerne, wie er auf seine arbeiterhafte, aber überhaupt nicht gesellschaftsfähige Art über Malerei sprach & über Whistler. Die ungezwungene Art, mit der dieser Künstler redet, hat etwas mir unbeschreiblich Geistesverwandtes; seine Werte dieselben wie meine & deshalb richtig; keine Behinderungen; das Leben reizvoll, gut & interessant; keine Anstrengung; die Kunst grübelt ruhig über all das nach; & nichts von diesem Verhaftetsein an weltliche Dinge, dem ich in Chelsea begegne.“
Degas hatte ihn inspiriert, Fotografien als Grundlage für seine Bilder zu benutzen. In seiner Spätphase verwendete Sickert fast ausschließlich Fotografien und Nachbearbeitungen viktorianischer Bilder. Auch schrieb und unterrichtete er viel. 1924 wurde Sickert Mitglied der Royal Academy. 1941 wurde er mit einer großen Einzelausstellung in der National Gallery geehrt. Im folgenden Jahr starb er in Bath. Einer von Sickerts besten Freunden und Förderern war der Zeitungsbaron Lord Beaverbrook, der die größte Einzelsammlung von Sickerts Werken zusammentrug. Diese Sammlung, wie auch die Korrespondenz zwischen Sickert und Beaverbrook befindet sich in Kanada, in der Beaverbrook Kunstgalerie in Fredericton, Neubraunschweig.
2022 widmete die Tate Britain Sickert eine größere Ausstellung.[2]
Sickert und die Jack-the-Ripper-Theorien
1880 schrieb Sickert mehrere mit Skizzen illustrierte Briefe an die Londoner Polizei, in denen er sich als Jack the Ripper bezeichnete.[3] Er malte ein Bild von “Jack the Ripper’s Bedroom” sowie imaginierter Mordszenen.
Sickert wurde mehrfach als der Serienmörder Jack the Ripper identifiziert (s. Literaturliste), erstmals 1976 von Stephen Knight,[4] 2002 auch von Patricia Cornwell.[5]
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Die Behauptungen werden jedoch von den meisten Fachleuten abgelehnt.
Literatur
Ruth Bromberg (Hrsg.): Walter Sickert prints, a catalogue raisonné. Yale University Press, New Haven 2000, ISBN 0-300-08161-8.
David P. Corbett: Walter Sickert, Biography. Tate Gallery, London 2001, ISBN 1-85437-308-0.
Robert Emmons: Life and opinions of Walter Richard Sickert. Lund Humphries, London 1992, ISBN 0-85331-635-X.
Jean Overton Fuller: Sickert and the Ripper crimes. An investigation into the relationship between the Whitechapel murders of 1888 and the English tonal painter Walter Richard Sickert. Mandrake, Oxford 1990, ISBN 1-869928-15-6.
Hendrik Püstow, Thomas Schachner: Jack the Ripper, Anatomie einer Legende. Militzke Verlag, Leipzig 2006, ISBN 3-86189-753-9.
Matthew Sturgis: Walter Sickert, a Life. Harper Collins, London 2005, ISBN 0-00-720527-9.
↑Virginia Woolf: Gesammelte Werke – Tagebücher 2. S. Fischer, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-10-092555-6, S.327.
↑Jonathan Jones: Walter Sickert review – serial killer, fantasist or self-hater? This hellish, brilliant show only leaves questions. Guardian, 26. April 2022, www.theguardian.com (englisch)
↑Anna Gruetzner Robins 2022, nach Jonathan Jones, Walter Sickert review – serial killer, fantasist or self-hater? This hellish, brilliant show only leaves questions. Guardian, 26. April 2022, www.theguardian.com (englisch).
↑Stephen Knight: Jack the Ripper, the final solution. Treasure books, London 1986, ISBN 1-85051-014-8 (englisch)
↑Patricia Cornwell: Portrait of a Killer. Jack the Ripper Case closed. Berkley Books, New York 2003, ISBN 0-425-19273-3 (Berkley True Crime), Patricia D. Cornwell: Wer war Jack the Ripper? Porträt eines Killers. Hoffmann & Campe, Hamburg 2002, ISBN 3-455-09365-5