Herbert von Meister (1866–1919), ein Sohn von Carl Friedrich Wilhelm Meister, einem der Gründer der Hoechst AG, kaufte 1902 das Gelände, auf dem bis 1799 das Herrenhaus der Familie Allesina (später genannt von Schweitzer) gestanden hatte. Er ließ von 1903 bis 1904 nach den Plänen von Franz von Hoven (1842–1924) eine schlossähnliche Anlage im Stil des Neobarock errichten. Das Anwesen bestand aus einer 200 Meter südlich des ehemaligen Allesina-Herrenhauses errichteten Villa („Lindenhaus“) mit mauerumfriedetem Park, Orangerie, Stallungen, Kutscher- und Gärtnerhaus sowie Reitbahn. Die durch ein Tor vom Park getrennten Stallungen boten Platz für sechs Fahr- und zwei Reitpferde. Daneben wurden auch zwei Garagen für das aufkommende Fortbewegungsmittel Auto gebaut. Der Park wurde 1913 von Philipp Siesmayer umgestaltet. Nach dem Tod von Herbert von Meister im Jahr 1919 lebten dessen Witwe Else (1872–1967) und Tochter Elisabeth (1909–1986) allein in der Villa.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Anwesen von der amerikanischen Militärverwaltung beschlagnahmt. 1945 mussten Else von Meister und ihre Tochter Elisabeth in das Kutscherhaus umziehen, in dem sie auch nach Rückgabe des Anwesens im Jahr 1953 wohnten. Nach dem Tod von Elisabeth von Meister wurde das Anwesen von einer Erbengemeinschaft verwaltet.
Folgenutzung
In der Villa befand sich bis 1980 der Sitz des Instituts für Angewandte Geodäsie. Seit 1982 befand sich darin eine Rehabilitationsklinik der Suchthilfe, zunächst als „Phönix-Haus“, später als „Villa unter den Linden“ unter Leitung des Deutschen Ordens. Kutscherhaus und Stallungen wurden vom Sindlinger Reitverein genutzt. In der Orangerie befand sich kurzzeitig ein Café.
Verkauf und umstrittene Bebauung
Laut einem Bericht der hessenschau und weiteren Presseberichten wurde das Anwesen 2019 von der Erbengemeinschaft an die CAIROS-Gruppe in Frankfurt-Westend verkauft, die es sanieren und mit Wohnungen bebauen will.[5][6]
Viele Jahre vor dem Verkauf wurde in Presseberichten, Literatur und sogar von offizieller Seite der Stadt Frankfurt am Main immer wieder betont, dass nach einer testamentarischen Verfügung der letzten alleinigen Eigentümerin Elisabeth von Meister aus dem Jahr 1982, der dazugehörige Park mit Eishaus und dem alten Baumbestand der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und jederzeit für Spaziergänger zu öffnen sei.[7][8][9][10][11][12][6][13] Nach dem Verkauf wurde diese testamentarische Verfügung von dem verantwortlichen Vertreter des Immobilienunternehmens bestritten. Auch ein Pressebericht verneint nun unter Berufung auf die Einsichtnahme des unveröffentlichten Testaments diese Bestimmung.[14]
Nach eigenem Bekunden unterstützt die Stadt Frankfurt am Main weiter jede Form der öffentlichen Nutzung als besonderes Anliegen des Denkmalschutzes „solange diese denkmalgerecht ist und den Eigentümern zugemutet werden kann“ und grundsätzlich „keine denkmalpflegerischen Bedenken gegen die Nutzung von Park und Gebäuden zu kulturellen Zwecken oder für Freizeitangebote“ bestehen sowie eine „Kontinuität der historischen Nutzung, zum Beispiel des Reitstalls und der Reithalle“ im Sinne der Denkmalpflege wäre. Nach derzeitigen Planungen [Juni 2021] ist eine Wohnbebauung mit sieben freistehenden Mehrfamilienhäusern und einer Tiefgarage in Bereichen des Parks geplant, die „auch zur Bauzeit keine wertgebende Parkgestaltung aufgewiesen haben“.[15] Gegen die Pläne des Immobilienunternehmens hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die sich mit einer Petition an die Stadt Frankfurt am Main für den Erhalt des Herbert-von-Meister-Parks als öffentlich zugängliche Grünfläche einsetzt.[16]
Sonstiges
Die Villa Meister war im Sommer 2021 Drehort und Kulisse für die Folge Leben Tod Ekstase der Krimiserie Tatort.[17]
↑Magistrat der Stadt Frankfurt: Sindlingen: Villa Meister mit zugehörigem Park und Nebengebäuden als Kulturdenkmal Frankfurter und deutscher Industrie : Stellungnahme des Magistrats an den Ortsbeirat 6. ST 1193, 7. Juni 2021 (frankfurt.de [PDF] zu Ziff. 1 und 10).
↑Josefine Rumpf-Fleck: Italienische Kultur in Frankfurt am Main im 18. Jahrhundert. Petrarca-Haus, 1936, S.29.
↑Frankfurter Verein für Geschichte und Landeskunde, Verein für Geschichte und Alterthumskunde in Frankfurt a. M. (Hrsg.): Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Nr.69, 2003, S.159.
↑Villa Meister an Investor verkauft : Ungewisse Zukunft von Gründerzeit-Villa und Park in Frankfurt.Hessischer Rundfunk, 31. August 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. September 2019; abgerufen am 5. August 2020: „Der Immobilien-Spezialist Cairos-Gruppe hat die Villa mit sämtlichen Gebäuden und dem Park gekauft. Damit ist eine jahrelange Debatte über den zukünftigen Eigentümer beendet. "Wir gehen jetzt in Gespräche mit der Stadt. Natürlich wollen wir das Ensemble nach den Richtlinien des Denkmalschutzes sanieren", sagt der Geschäftsführer der Cairos-Gruppe Frankfurt, Marcus Bube. Um die Kosten zu refinanzieren, sollen auf dem Gelände exklusive Wohnungen geschaffen werden – in und außerhalb der Villa. Ob zum Kauf oder zur Miete sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Der Kauf sei noch zu frisch. Noch sei die Erbengemeinschaft offiziell Eigentümer.“Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hessenschau.de
↑ abHeide Noll und Michael Forst: Frankfurt: Villa Meister ist verkauft.Frankfurter Neue Presse, 2. September 2019, abgerufen am 5. August 2020: „Er [der Vorsitzende des Sindlinger Reitervereins Dieter Baumann] hoffe, dass eine Klausel aus dem Testament Elisabeth Meisters noch gültig sei. Sie verfügte nicht nur, dass der Park für die Öffentlichkeit zugänglich sein müsse. Die Pferdenärrin, die über dem Reitstall wohnte, wollte auch, dass die Reithalle und der Stall erhalten bleiben und immer Pferde dort stehen sollten. […] Bereits am 14. August hatte es einen Ortstermin und ein Vorabgespräch mit Vertretern der Investoren und Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde gegeben. Dabei hatten die Beamten den Käufern gezeigt, was im Park tabu ist. Dazu gehöre die Kastanienallee ebenso wie die alte Hängebuche. Es seien "bauliche Veränderungen" im Park geplant, sagte Monika Kustusch, Mitarbeiterin in der Abteilung Baumschutz der Behörde. Konkret: Eine Bebauung entlang der Weinbergstraße und eventuell ein bis zwei Gebäude auf der linken Seite, vom Haupteingang aus gesehen. Am Hauptgebäude, also der Villa selbst, seien nach ihren Informationen aber keine baulichen Veränderungen geplant.“
↑Dusan Backonja: Fest der 1000 Lichter in Drogenklinik.Frankfurter Rundschau, 12. Dezember 2012, abgerufen am 16. Juli 2021: „Das war auch die Vision der letzten Erbin der Familie Meister. Mehr dazu weiß Psychologe Dieter David Seuthe, der nicht dort arbeitet, aber sehr viel Historisches berichten kann: „Elisabeth von Meister verfügte 1982, dass in der Villa eine Drogenklinik eingerichtet werden sollte, der Park jedoch für ihre Sindlinger offen bleiben müsse“, erklärt er und führt die Besucher in das Anwesen.“
↑Mario Gesiarz: Und vor allem: weit weg von der Stadt! In: Susanne Konrad (Hrsg.): Frankfurter Einladung : Erzählungen, Geheimnisse und Rezepte. Größenwahn Verlag, 2016, ISBN 978-3-95771-103-8, S.ohne: „Der Park ist herrlich – und immer der Öffentlichkeit zugänglich – außer, wenn eben Filme gedreht werden. Dass das so ist, verdankt Sindlingen der letzten Tochter der Familie. […] In ihrem Testament […] verfügte Fräulein von Meister, dass der Park der Sindlinger Bevölkerung stets offen zu stehen habe.“
↑Stadtteilvideo Sindlingen. In: frankfurt.de : Das offizielle Stadtportal. Stadt Frankfurt am Main, 2016, abgerufen am 16. Juli 2021 (Kommentar der Sprecherin von Minute 1:54 bis Minute 2:01): „Der prächtige Park ist damals wie heute frei zugänglich. Das schreibt das Testament der Meisters vor.“
↑Stadt Frankfurt: Villa Meister : Ein Herrschaftssitz am Ufer des Mains. frankfurt.de : Das offizielle Stadtportal, abgerufen am 5. August 2020: „Der öffentliche Zugang zum Anwesen und dem weitläufigen Park ist testamentarisch verfügt.“
↑Villa Meister: Gerüchte von Immobilienmaklern machen die Runde.Frankfurter Neue Presse, 16. Oktober 2018, abgerufen am 5. August 2020: „Der Magistrat gibt sich jedoch zurückhaltend. Zum einen schränken Denkmalschutz und Naturschutz sowie testamentarische Bestimmungen mögliche Nutzungen ein. Die letzte alleinige Besitzerin, Elisabeth von Meister, hatte verfügt, dass der Park stets für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben solle. Nach ihrem Tod kam die Anlage in den Besitz einer Erbengemeinschaft. Diese lebt nicht im Rhein-Main-Gebiet und möchte das Anwesen verkaufen. Neben den genannten Einschränkungen sieht der Magistrat wirtschaftliche Probleme. Allein der Meister-Park mit seiner Fläche von rund zwei Hektar komme auf einen Grundstückswert von rund 8,6 Millionen Euro. Die Gebäude seien darin noch nicht enthalten. Eine solche Investition sei zu rechtfertigen, wenn eine wirtschaftliche Anschlussnutzung gesichert sei. Dafür müsse aber eine umfassende Projektentwicklung erfolgen. Die könnten allenfalls städtische Entwicklungsgesellschaften leisten. „Darüber hinaus käme ein Erwerb grundsätzlich aus dem städtischen Interesse am Erhalt der Grünanlage und der historischen Gebäude in Betracht“, heißt es abschließend in dem Bericht; jedoch setze das ein entsprechendes Budget für Kauf, Sanierung und Betrieb der Anlage voraus. Ein solches sei bislang nicht vorhanden.“
↑Miriam Keilbach: Hofleben in der Stadt.Frankfurter Rundschau, 11. Januar 2019, abgerufen am 25. August 2020: „In unmittelbarer Nachbarschaft leben auch die Ponys von den Ponyzwergen, etwas den Main gen Norden steht der Reitstall der Villa Meister, der vom Reiterverein Sindlingen genutzt wird. Bis in die 80er Jahre lebte über dem Stall Christa von Meister, die in ihrem Testament verfügte, dass ihr Elternhaus Rehabilitationszentrum für Drogenkranke sein solle und Park und Orangerie der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen.“
↑Simon Rösel: Wohnungsbau im Meister-Park. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 11. Juni 2021 (faz.net): „Informationen, wonach Elisabeth von Meister testamentarisch verfügt habe, dass der Park öffentlich zugänglich bleiben müsse, sind allerdings falsch. Eine solche Vorgabe, von der selbst im Internetauftritt der Stadt Frankfurt die Rede ist, findet sich in dem der F.A.Z. vorliegenden Testament definitiv nicht.“
↑Magistrat der Stadt Frankfurt: Sindlingen: Villa Meister mit zugehörigem Park und Nebengebäuden als Kulturdenkmal Frankfurter und deutscher Industrie : Stellungnahme des Magistrats an den Ortsbeirat 6. ST 1193, 7. Juni 2021 (frankfurt.de [PDF] zu Ziff. 2, 4 und 5).