Zur Ortschaft Tylsen gehören die Ortsteile Tylsen und Niephagen.[4]
Geschichte
Mittelalter bis Neuzeit
Die erste urkundliche Erwähnung von Tylsen als Tulci stammt aus dem Jahre 956, als Otto I. dem Stift Quedlinburg sechs Dörfer aus der Marca Lipani schenkte.[5] 1112 lautete der Name in einer Urkunde für das Kloster HamerslebenDissili, der Besitz umfasste neun Hufen, 1178 waren dann sieben Hufen im Besitz des Klosters.[6][7] Um 1150 hatte das Kloster St. Ludgeri in Helmstedt neun Hufen in Besitz[1] und 1238 bestanden in Titole (vel Citele)Lehen des Grafen von Osterburg, der sie dem Abt Gerhard von Werden und Helmstedt überschrieb.[8]
Letztere wurden von den von Alvensleben abgelöst, denen schließlich 1354 die von dem Knesebeck folgten.[9] Im Landbuch der Mark Brandenburg von 1375 wird das Dorf als Tilsen aufgeführt, die von dem Knesebeck hatten hier Besitz.[10] Diese lüneburg-altmärkische Familie besaß das Rittergut Tylsen bis zur Enteignung von 1945 und brachte zahlreiche hohe preußische Beamte und Offiziere hervor.
Angelegt wurde Tylsen um 800 als slawischesPlatzdorf, entwickelte sich aber durch den Bau einer Burg und den Zuzug von Siedlern zu einem Straßendorf.[11] Die Burg entstand von 1134 bis 1170 im Nordwesten der Ortschaft. An ihre Stelle traten später Wirtschaftsgebäude, teilweise auf Resten der alten Burg errichtet.[12]
2014 wurde Tylsen im bundesweiten Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ mit einer Bronzemedaille ausgezeichnet.[13]
Burg Tylsen und Altes Schloss
Wilhelm Zahn schrieb 1909: „Nach der Wüstungskarte 1609 (Salzwedel) lag die alte Burg im nördlichen Teil des jetzigen Schloßgrabens, der Kirche des Dorfes Tylsen gegenüber, die westlich zwischen dem Park und der Dumme liegenden Wiesen heissen noch heute »hinter der Burg«“.[14]
Das alte Schloss Tylsen, an der Stelle der alten Burg, liegt im Wiesengelände östlich der Dumme an der Nordwestecke des Dorfes gegenüber der Kirche. Paul Grimm schrieb 1958: „Die trapezförmige, etwa einen Meter erhöhte Burgfläche von etwa 40×60 Meter Größe war von einem 5–15 Meter breiten Graben umgeben, der zum Teil noch erhalten ist. Die Stelle ist mit jüngeren Gebäuden bebaut.“[15] Die Reste der Burgkapelle waren in der damaligen Schmiede erhalten, die heute eine Ruine ist.[16]
Im August 1928 besuchte der Kunsthistoriker Udo von Alvensleben Tylsen. Er berichtete in seinen Tagebuchaufzeichnungen über seine Besichtigung der Bibliothek, die im alten Schloss aufgestellt war, die als eine der wenigen den Dreißigjährigen Krieg in der Altmark überlebt hatte.[17] Im Jahre 2018 wurde bekannt, dass Bibliothek bereits im Jahre 1926 zum Verkauf stand, da die Eigentümer in finanziellen Nöten waren.[18] Sie blieb daher nicht bis 1945 insgesamt erhalten, wie Lemme im Jahr 2005 vermutete.[19]:S. 12
Das alte Schloss mit dem zugehörigen Gelände ist in Privatbesitz und nicht zugänglich. Im Herbst 2016 wurde über einen möglichen Verkauf spekuliert.[20]
Südlich der Burg stand das 1620–21 erbaute Neue Schloss Tylsen, ein prachtvolles Renaissance-Schloss, das nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1947 zur Gewinnung von Baumaterial für Neubauernhäuser abgerissen wurde und nur noch als Ruine vorhanden ist.[19]:S. 15 Das Schloss war von einem Park umgeben, der ab 1945 verwilderte und heute unter Denkmalschutz steht.
Heinrich Sültmann leitet den Namen 956 villa tulci von den slawischen Worten „telka, tüölsa“ für „die Eule“ ab.[21] Sinngemäß also „Dorf bei den Eulen“.[19]:S. 1Jürgen Udolph und Aleksander Brückner meinen hingegen, dass die Herleitung des Ortsnamens unklar sei, sicher sei nur sein slawischer Ursprung.[7][22]
Am 30. September 1928 wurde der Gutsbezirk Tylsen aufgelöst. Der Hauptteil vom Gutsbezirk und das Vorwerk Niephagen wurden mit der Landgemeinde Tylsen vereinigt. Das Vorwerk Wötz wurde mit der Landgemeinde Leetze vereinigt und die Exklave in der Feldmark Ellenberg mit der Landgemeinde Ellenberg.[23]
Durch einen Gebietsänderungsvertrag beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Tylsen am 11. Dezember 2008, dass die Gemeinde Tylsen in die Hansestadt Salzwedel eingemeindet wird. Dieser Vertrag wurde vom Landkreis als unterer Kommunalaufsichtsbehörde genehmigt und trat am 1. Januar 2010 in Kraft.[25][26] Nach Eingemeindung der bisher selbstständigen Gemeinde Tylsen wurden Niephagen und Tylsen Ortsteile der Hansestadt Salzwedel. Für die eingemeindete Gemeinde wurde die Ortschaftsverfassung nach den §§ 86 ff. Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt eingeführt. Die eingemeindete Gemeinde Tylsen und künftigen Ortsteile Niephagen und Tylsen wurden zur Ortschaft der aufnehmenden Hansestadt Salzwedel. In der eingemeindeten Gemeinde und nunmehrigen Ortschaft Tylsen wurde ein Ortschaftsrat mit fünf Mitgliedern einschließlich Ortsbürgermeister gebildet.
2010–2016: Sabine Blümel. Davor war sie Bürgermeisterin der Gemeinde Tylsen.[40]
Ortschaftsrat
Bei der Ortschaftsratswahl am 9. Juni 2024 errang die Liste „Tylsen – das sind wir“ alle 5 Sitze, genau wie bei der Wahl in 2019.[41][42]
Es wurden zwei Frauen und drei Männer gewählt. Von 89 Wahlberechtigten hatten 75 ihre Stimme abgegeben, die Wahlbeteiligung betrug damit 84,27 Prozent.[41]
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Die evangelische Dorfkirche Tylsen ist ein mittelalterlicher Feldsteinbau. Der Westquerturm mit Treppengiebeln in den Formen der norddeutschen Backsteingotik mit achteckiger Laterne auf dem First stammt von 1859/60.[1]
Sehenswert sind die Fachwerkhäuser, wie der Gutsspeicher, das ehemalige Pfarrhaus oder das Verwalterhaus.[16]
In Tylsen steht an Dorfstraße ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, ein Feldsteinsockel mit aufgesetztem Findling und krönendem Adler.[43]
Der 2003 von neu zugezogenen Dorfbewohnern gegründete Heimat- und Kulturverein Tylsen widmet sich der Förderung und Pflege von Naturschutz, Umweltschutz, Denkmalpflege und Kultur. Der Verein Lebensraum Land e. V. organisiert Schulprojekte zur Förderung von Kultur und ländlichem Leben.
Sagen aus der Gegend um Tylsen
Riesensteine
Johannes Praetorius berichtet in seiner Weltbeschreibung über die erfolglose Belagerung der Stadt Salzwedel „vor Christi Geburt“. Auf der Stadtmauer standen Engel, die die Pfeile der Feinde auffingen und die Stadt beschützten.[44] Die Brüder Grimm schreiben in ihrer Sage „Riesensteine“:
„Der Feldherr war darüber sehr erbittert, er zog er sein Schlachtschwert und sprach: »soll ich die Stadt nicht gewinnen, so gebe Gott, daß ich in diesen Stein haue, wie in einen Butterweck.« Als er nun hieb, gab der Stein nach, als ob er ganz weich wäre.“[45]
So blieb der Stein an der Lagerstelle liegen, „gleich mitten auffn Wege zwischen Salzwedel und Tielsen“. Praetorius schreibt, dass er sich den Stein im Jahre 1649 selbst angesehen und betastet hatte. Er besaß in der Mitte eine tiefe konvexe Ritze, wie von einem Schwert erzeugt.[44]
Das Herzgelag
Eine ähnliche Geschichte überlieferte Heinrich Pröhle im Jahr 1863 in einer Sage über „Steine und Felder“.[46] Auf einem Feld zwischen „Tielsen und Salzwedel“ namens „Herzgelag“ befand sich ein roter Kieselstein, „wie eine große Trommel“. In dem Stein war eine Kerbe. Es wurde erzählt, Heinrich der Löwe habe eine Fehde mit der Stadt Salzwedel gehabt und er habe mit dem Schwert in den Stein gehauen, dadurch sei die Kerbe entstanden. Das Feld soll eigentlich „Herzogslager“ bedeuten. Im „Altmärkischen Sagenschatz“ ist die Sage unter dem Titel „Das Herzgelag“ überliefert.[47]
In den 1980er und 1990er Jahren lebte und arbeitete die Grafikerin Johanna Bartl in Tylsen.
Literatur
Oscar Schwebel: Die Herren von dem Knesebeck. Hrsg.: Hermann Dietrichs, Ludolf Parisius (= Bilder aus der Altmark. Band1). 1883, S.212–230 (auf ub.uni-duesseldorf.de).
Ullrich Lemme: Tylsen. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft in Sachsen-Anhalt e. V. (= Schlösser und Gärten in Sachsen-Anhalt). Döbbelin 2005, DNB1170437583.
J[ohann] A[ugust] F[riedrich] Hermes: Historisch-geographisch-statistisch-topographisches Handbuch vom Regierungsbezirke Magdeburg. Hrsg.: J[ohann] A[ugust] F[riedrich] Hermes, M[ichael] J[ulius] Weigelt. Zweiter, oder topographischer Teil. Selbstverlag und W. Heinrichshofen in Kommission, Magdeburg 1842, OCLC1071081004, S.348, 162. Tylsen (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑ abcdef
Peter P. Rohrlach: Historisches Ortslexikon für die Altmark (= Historisches Ortslexikon für Brandenburg. Teil XII). Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-8305-2235-5, S.2251–2255, doi:10.35998/9783830522355 (E-Book zur zweibändigen Druckausgabe).
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Hansestadt Salzwedel (Hrsg.): Salzwedel – Statistik Einwohner/Ort zum Stichtag 31.12.2023 mit Haupt- oder alleiniger Wohnung. 6. August 2024.
↑Paul Grimm: Handbuch der vor- und frühgeschichtlichen Wall- und Wehranlagen. Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg (= Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte. Band6). 1958, ZDB-ID 1410760-0, S.158–159.
↑Peter Fischer: Burgen und Herrenhäuser. In: Die nordwestliche Altmark – Eine Kulturlandschaft. Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg, Gifhorn 1991, ohne ISBN, S. 101.
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Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: BMEL - Wettbewerbe - Preisträger des 24. Bundeswettbewerbs. 19. Juli 2016 (bmel.de (Memento vom 19. Juli 2016 im Internet Archive)).
↑Wilhelm Zahn: Die Wüstungen der Altmark. In: Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. Band43. Hendel, Halle a.S. 1909, S.427, Nr. 540 (uni-jena.de).
↑Paul Grimm: Handbuch der vor- und frühgeschichtlichen Wall- und Wehranlagen. Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg (= Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte. Band6). 1958, ZDB-ID 1410760-0, S.380.
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Heimat- und Kulturverein Tylsen e. V. in Zusammenarbeit mit Anna und Ullrich Lemme: Infoblatt Historisches Tylsen. 23. August 2006 (Infoblatt Historisches Tylsen.pdf).
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Harald v. Koenigswald: Besuche vor dem Untergang. Adelssitze zwischen Altmark und Masuren. Aus Tagebuchaufzeichnungen von Udo von Alvensleben. 1968, ISBN 3-548-03562-0, S.139–141.
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Christoph Zempel: Ein Brief schreibt die Geschichte neu. In: Volksstimme Magdeburg, Lokalausgabe Salzwedel. 14. Februar 2018 (volksstimme.de [abgerufen am 27. Februar 2022]).
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Ullrich Lemme: Tylsen. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft in Sachsen-Anhalt e. V. (= Schlösser und Gärten in Sachsen-Anhalt). Döbbelin 2005, DNB1170437583.
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Monika Schmidt: Spekulationen über Burgverkauf. In: Altmark Zeitung, Salzwedel. 8. Oktober 2016 (az-online.de [abgerufen am 27. Februar 2022]).
↑nach Ullrich Lemme: Heinrich Sültmann: Die Ortsnamen im Kreise Salzwedel (= Wochenblatt-Schriften. Band9). 1932, DNB362852693, S.27.
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Vereinbarung über die Eingemeindung der Gemeinde Tylsen in die Hansestadt Salzwedel (Gebietsänderungsvereinbarung) mit Genehmigung des Altmarkkreises Salzwedel vom 16. März 2009. In: Altmarkkreis Salzwedel (Hrsg.): Amtsblatt Altmarkkreis Salzwedel. 15. Jahrgang, Nr.4, 22. April 2009, S.82–84 (altmarkkreis-salzwedel.de [PDF; 819kB; abgerufen am 19. Februar 2022]).
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Bevölkerung der Gemeinden nach Landkreisen (= Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt [Hrsg.]: Statistische Berichte / A / I / A / II / A / III / 102). ZDB-ID 2921504-3 (destatis.de). (Jahr anklicken)
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Hansestadt Salzwedel: Integriertes Stadtentwicklungskonzept 2020. Juni 2015 (salzwedel.de [PDF; abgerufen am 5. Mai 2019]).
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Jens Heymann: Kernstadt und Dörfer der Einheitsgemeinde Salzwedel legen zu. In: Altmark Zeitung, Ausgabe Salzwedel. 15. Januar 2016 (az-online.de).
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Alexander Rekow: Salzwedel schrumpft weiter. In: Salzwedeler Volksstimme, Jeetze-Kurier Salzwedel. 11. Januar 2022, DNB954815971, S.13.
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Shannon Lang: Einwohnerzahl steigt wieder. In: Salzwedeler Volksstimme, Jeetze-Kurier Salzwedel. 28. Januar 2023, DNB954815971, S.17.
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Pfarr-Almanach oder die evangelischen Geistlichen und Kirchen der Provinz Sachsen der Grafschaften Wernigerode, Rossla und Stolberg. 19. Jahrgang, 1903, ZDB-ID 551010-7, S.100 (genealogy.net [Volltext und Scan]).
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Ernst Machholz: Die Kirchenbücher der evangelischen Kirchen in der Provinz Sachsen. In: Mitteilungen der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte. 30. Heft, 1925, ZDB-ID 504809-6, S.14 (genealogy.net [Volltext und Scan]).
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Antonius Wollmann: Tylsen hat einen neuen Ortsbürgermeister. In: Volksstimme Magdeburg, Nachrichten Salzwedel. 8. Februar 2017 (volksstimme.de [abgerufen am 9. August 2024]).
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Uta Elste: Mathias Schulz ist neuer Ortschef. In: Volksstimme Magdeburg, Nachrichten Salzwedel. 26. März 2016 (volksstimme.de [abgerufen am 9. August 2024]).