Tigranes II.

Tigranes II. mit der armenischen Tiara auf einer seiner Münzen, 74 v. Chr., Antiochia

Tigranes II. der Große (armenisch Տիգրան Մեծ Tigran Metz, altgriechisch Τιγράνης; * um 140 v. Chr.; † um 55 v. Chr.), der Sohn Tigranes’ I. und einer alanischen Prinzessin, war der bedeutendste König aus der Dynastie der Artaxiden und herrschte von etwa 95 bis 55 v. Chr. über Großarmenien. Im Bündnis mit Mithridates VI. von Pontos stieg er für kurze Zeit zum mächtigsten Monarchen im östlichen Mittelmeerraum auf, wurde dann jedoch von Rom besiegt und verlor seine zahlreichen Eroberungen wieder.[1]

Geiselhaft und erste Jahre als König

Nachdem Armenien unter seinem Onkel Artavasdes I. um 120 v. Chr. von Großkönig Mithridates II. (regierte 123–88 v. Chr.) von Parthien angegriffen und besiegt worden war, musste Tigranes II. viele Jahre in parthischer Geiselhaft am Hof von Ktesiphon leben.[2] Erst um 96/95 v. Chr., nach dem Tode seines Vaters Tigranes I., durfte er – um den Thron zu besteigen – nach Artaxata zurückkehren, allerdings unter der Bedingung, ein Freund der Parther zu bleiben und diesen (laut Strabon) „siebzig Täler“ zu überlassen.[3]

Als neuer König begann Tigranes umgehend, seine Macht auszubauen: Um 94 v. Chr. eroberte er Sophene und ging ein Bündnis mit Mithridates VI. von Pontos ein, dessen sechzehnjährige Tochter Kleopatra er zu seiner Hauptgemahlin machte. Im Gegenzug für diese Heirat kam Tigranes 93 v. Chr. dem Wunsch seines neuen Schwiegervaters nach und ließ sein Heer im benachbarten Kappadokien einmarschieren. Dessen König Ariobarzanes I., eine römische Marionette, ergriff daraufhin die Flucht und Tigranes sorgte dafür, dass mit Ariarathes IX. – Mithridates’ Stiefsohn, welcher zuvor vom römischen Feldherrn Sulla vertrieben worden war – plangemäß wieder der pontische Kandidat den Thron in Mazaka bestieg, bevor sich die armenischen Truppen mit ihrer Beute und vor allem Gefangenen nach Artaxata zurückzogen.

Aufstieg zum „König der Könige“

Das Reich Tigranes des Großen

Nach dem Tod von Mithridates II. dem Großen (88 v. Chr.) erweiterte Tigranes sein Reich auch nach Parthien hinein: Bis nach Ekbatana in Medien, Arbela in Assyrien und ans Kaspische Meer vorstoßend, eroberte er sowohl die „siebzig Täler“ zurück als auch Mygdonien (mit Nisibis), Gordiene, Adiabene und Osrhoene im nördlichen Mesopotamien sowie Atropatene im heutigen Aserbaidschan.

Bis 83 v. Chr. unterwarf der Schahanschah, wie Tigranes sich mittlerweile nannte, zudem Syrien (Einnahme Antiochias am Orontes), Phönizien, Teile Kilikiens und Kommagene, womit er die Macht des Seleukidenreiches brach und bis ans Mittelmeer vordrang. In Absprache mit Mithridates VI. fiel Tigranes dann um 77 v. Chr. abermals in Kappadokien ein. Er machte rund 300.000 Gefangene, die er ebenso wie andere Völker deportierte, um sie in seiner neu errichteten Hauptstadt Tigranokerta („Stadt des Tigranes“) anzusiedeln, die vielleicht mit Martyropolis identisch ist.

Krieg und Niederlage gegen Rom

Tigranes der Große mit vier Vasallen

Tigranes’ glanzvolle Herrschaft als Großkönig war allerdings nicht von Dauer. Nachdem Mithridates VI. im Laufe des Dritten Mithridatischen Krieges nach Armenien geflohen war und Tigranes sich geweigert hatte, seinen Schwiegervater an Rom auszuliefern, befand er sich ab 69 v. Chr. im Krieg gegen Rom. Der römische Feldherr Lucius Licinius Lucullus marschierte mit seiner Armee auf die noch im Bau befindliche armenische Hauptstadt Tigranokerta und begann mit ihrer Belagerung. Tigranes, der den Verlust seines Prestigeprojekts keinesfalls zulassen wollte, rückte mit einer gewaltigen Entsatzarmee heran. Die riesige, aber schwerfällige armenische Armee, die aus Kontingenten verschiedenster Ethnien bestand, die militärisch nicht aufeinander eingespielt waren, verlor die Schlacht, die in Sichtweite Tigranokertas ausgetragen wurde. Tigranes zog sich daraufhin, verfolgt von den Römern, in Richtung Artaxata zurück, wo er abermals geschlagen wurde. Nicht viel später ging auch noch Nisibis an die Römer verloren.

Die Schwäche Tigranes, die angesichts der Niederlagen offenbar geworden war, nutzte in der Folgezeit auch das Partherreich zu einem Angriff auf Armenien aus; und schließlich rebellierte auch Tigranes' Sohn 66 v. Chr. gegen seinen Vater. Als dann auch noch der neue römische Oberbefehlshaber Gnaeus Pompeius Magnus mit seinem Heer auf Artaxata marschierte, gab Tigranes endgültig auf und nahm das römische Kapitulationsangebot an. Er verlor alle seine zuvor gemachten Eroberungen mit Ausnahme seines Stammlandes Armenien und regierte noch bis zu seinem Tod als „Freund Roms“. Sein Nachfolger wurde Artavasdes II.

Literatur

Staatsorden der Republik Armenien im Gedenken an Tigranes II., gestiftet 2002
  • Sirarpie Der Nersessian: The Armenians. London 1969.
  • Mack Chahin: The Kingdom of Armenia. New York 1991.
  • Adrienne Mayor: Pontisches Gift. Die Legende von Mithridates, Roms größtem Feind. Theiss, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-8062-2428-3.
  • Hakob Manandyan: Tigranes II and Rome: A New Interpretation Based on Primary Sources. Übersetzt von George A. Bournoutian. Mazda Publishers, Costa Mesa (CA) 2007.
  • Theodor Mommsen: Die Lage von Tigranokerta. In: Hermes, Band 9, 1874, S. 129–149.
  • V. G. Gurzadyan, R. Vardanyan: Halley’s comet of 87 BC on the coins of Armenian king Tigranes? In: Astronomy & Geophysics, Band 45, Nummer 4, August 2004, S. 4.06 (online).
  • N. Garsoian: Tigran II. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 20. Juli 2005 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 25. Mai 2016] mit Literaturangaben).

Einzelnachweise

  1. Ruben Manaseryan: Տիգրան Մեծ՝ Հայկական Պայքարը Հռոմի և Պարթևաստանի Դեմ, մ.թ.ա. 94-64 թթ. (Tigran the Great: The Armenian Struggle Against Rome and Parthia, 94-64 B.C.). Lusakan Publishing, Yerevan 2007.
  2. Ruben Manaseryan: Տիգրան Բ (Tigran II). In: Armenische Sowjet-Enzyklopädie. Band XI, Armenische Akademie der Wissenschaften, Jerewan 1985, S. 697–698.
  3. Strabon, Geographie 11,14,15.
VorgängerAmtNachfolger
Tigranes I.König von Armenien
um 95–55 v. Chr.
Artavasdes II.
Philipp I. und Antiochos XII.König des Seleukidenreiches
83–69 v. Chr.
Antiochos XIII.