Tanja Anita Börzel (* 5. Juli 1970 in Langen, Hessen) ist eine deutsche Politikwissenschaftlerin, die unter anderem in der Europa-, Governance- und Diffusionsforschung tätig ist. Sie hat einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin inne, ist Leiterin der Arbeitsstelle Europäische Integration und war Inhaberin eines Jean-Monnet-Lehrstuhls von 2006 bis 2009. Sie ist Vorsitzende im Wissenschaftlichen Beirat des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Institut für Friedens- und Konfliktforschung.
Tanja A. Börzel besuchte das Neue Gymnasium Stuttgart-Feuerbach, wo sie 1989 das Abitur erlangte. Noch im selben Jahr begann sie ein Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz, das sie 1995 mit dem Erwerb eines Diploms beendete. 1999 wurde sie am Europäischen Hochschulinstitut in San Domenico di Fiesole promoviert. Ihre Dissertation fertigte sie am Institut für Sozial- und Politikwissenschaft zum Thema The Domestic Impact of Europe. Institutional Adaptation in Germany and Spain an.[1] Eine überarbeitete Fassung der Dissertation von Börzel wurde 2002 bei Cambridge University Press unter dem Titel States and Regions in the European Union. Institutional Adaptation in Germany and Spain veröffentlicht.[2]
Von 1999 bis 2001 arbeitete Börzel als Koordinatorin des Forschungsprogramms für Umwelt am Robert-Schuman-Centre for Advanced Studies des Europäischen Hochschulinstituts Florenz sowie von 1999 bis 2002 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Max-Planck-Projektgruppe für das Recht der Gemeinschaftsgüter in Bonn. Von 2002 bis 2003 leitete Börzel an der Humboldt-Universität zu Berlin eine im Rahmen des Emmy-Noether-Programms von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Nachwuchsgruppe zur Einhaltung des Europäischen Rechts in den Mitgliedsstaaten. 2003 folgte sie dem Ruf auf eine Professur für Internationale Politik und Europäische Integration am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg, wechselte jedoch bereits im Dezember 2004 auf einen Lehrstuhl am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, wo sie seither lehrt und forscht.
Von 2006 bis 2007 hatte Börzel eine Gastprofessur am Department of Government der Harvard-Universität in den USA inne. Von 2008 bis 2016 leitete sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Thomas Risse die von der DFG geförderte Kolleg-Forschergruppe „Transformative Power of Europe“. Tanja Börzel ist zudem Direktorin des Berlin Center for European Studies,[3] zu dem auch das Jean Monnet Center of Excellence „Europe and its Citizens“ gehörte. Von 2006 bis 2012 leitete sie mehrere Teilprojekte in dem Sonderforschungsbereichs 700 „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit: Neue Formen des Regierens?“ und war Vorstandsmitglied. Schließlich koordinierte Börzel zwischen 2013 und 2021 drei EU-Verbundprojekte: MAXCAP, EUSTRAT und EULISTCO.
Seit 2018 ist Tanja Börzel Sprecherin des Exzellenzclusters „Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS)“ zusammen mit Michael Zürn. SCRIPTS untersucht die Ursachen, Ausprägungen und Konsequenzen der Auseinandersetzungen um liberale Gesellschaftsmodelle.[4]
Als Vorsitzende im Wissenschaftlichen Beirat der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung[5] steht sie in dauerndem Kontakt und publiziert gemeinsam mit der Leiterin und Geschäftsführerin Nicole Deitelhoff,[6] die einen starken Einfluss auf die Formuiierung der Außenpolitik in der SPD (Internationale Kommission) hat.[7]
Die Forschungsschwerpunkte sowie die Lehrerfahrung von Börzel liegen bei der Europäischen Integrations-, Governance- und Diffusionsforschung. Sie hat sich vor allem mit Fragen institutionellen Wandels als Folge der Europäisierung sowie der Diffusion europäischer Institutionen und Politikprogramme in und außerhalb der EU beschäftigt. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Forschung bilden Fragen des effektiven und legitimen Regierens ohne Staat sowie Anfechtungen liberaler Normen wie die Wissenschaftsfreiheit in demokratischen Gesellschaften.
Börzel betreute die 2010 eingereichte Dissertation der SPD-Politikerin Franziska Giffey,[8] der die FU Berlin 2021 nach einem zweijährigen Plagiatsverfahren den Doktorgrad entzog.[9] Die Arbeit hatte 2010 das Prädikat magna cum laude erhalten. Das Präsidium der FU hatte 2019 die Arbeit zunächst wegen Mängeln lediglich gerügt.[10] In einem 2019 von Giffey in Auftrag gegebenen, aber erst 2022 veröffentlichten Rechtsgutachten wird Börzel vorgeworfen, sie habe Giffey zur Entfernung von Seitenzahlen aus Belegen aufgefordert.[11][12]
2019 wurde nach einer Parlamentarischen Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus bekannt, dass Börzel, anders als auf Giffeys Doktorarbeit vermerkt, durch ihre Promotion am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz nicht zum Tragen des Titelzusatzes „rer. pol.“ berechtigt ist.[13] Nachdem Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit der Rüge aufgekommen waren, nahm die FU 2020 das Plagiatsverfahren wieder auf. Daraufhin kündigte Giffey an, den Doktortitel fortan nicht mehr führen zu wollen.
Die Wochenzeitung Die Zeit berichtete, Börzel sei Mitglied des Gremiums gewesen, das die Kommission zur Prüfung der Doktorarbeit von Giffey einsetzte. Sie habe die Kommission zudem mit Personen besetzt, die ihr nahestehen.[14] An der Arbeit der Kommission war sie nicht beteiligt.[15] Das Gremium zur erneuten Entscheidung über Giffeys Arbeit wurde ohne Börzel gebildet.[16] Der Historiker Götz Aly kritisierte Börzels Verhalten in einem in der Berliner Zeitung veröffentlichten Kommentar.[17]
Im August 2021 äußerte sich Börzel in der OSI-Zeitung zum Fall. Sie wies eine Mitverantwortung für Giffeys Plagiate von sich. Sie habe ihr die Standards wissenschaftlichen Arbeitens vermittelt und nicht gesagt, dass sie nicht zitieren müsse, wenn sie Textstellen übernehme. Sie habe sich dabei nicht vorstellen können, dass jemand, mit dem sie über mehrere Jahre zusammengearbeitet habe, sie täusche. Dass ihr die Täuschungen nicht aufgefallen seien, tue ihr leid.[18]
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